„Kein Handy beim Essen, im Bett und im Badezimmer“

(ot) Wann spricht man von einer Mediensucht und was kann man bei problematischem Medienkonsum tun? Mit diesen Fragen haben sich rund 40 Verantwortliche und Mitarbeitende der Caritas-Erziehungsberatungsstellen im Bistum Eichstätt jüngst bei einer Tagung im Gemeindesaal der evangelischen Passionskirche in Nürnberg-Langwasser auseinandergesetzt. Diese Stellen gibt es in Eichstätt, Ingolstadt, Neumarkt, Nürnberg-Langwasser und Roth/Schwabach. Als Experten auf diesem Gebiet hatten sie Niels Pruin eingeladen. Pruin leitet das Fachgebiet Medien- und Internetsucht des Caritasverbandes der Diözese Augsburg und arbeitet als Therapeut, unter anderem mit betroffenen Internetusern und Drogenkonsumenten in der Suchtfachambulanz Donauwörth.
Pruin informierte, dass „gaming disorder“ (Computerspielsucht) seit Anfang dieses Jahres von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Krankheitsbild anerkannt sei. Ein Indiz dafür, dass eine solche Sucht vorliegt, ist Pruin zufolge dann gegeben, „wenn es einen Kontrollverlust gibt, man mit dem Spielen also nicht mehr aufhören kann, sich das Denken nur darum dreht, sich einige schädliche Konsequenzen wie schlechte Noten oder Verlust von Freunden zeigen, zwei weitere Faktoren hinzukommen und dieser Zustand seit mindestens zwölf Monaten anhält“.
Zwar, so der Referent, falle die Anzahl der mediensüchtigen Jugendlichen mit zwei bis drei Prozent der zwischen 10- und 17-Jährigen in Deutschland noch vermeintlich niedrig aus, doch gebe es zunehmend einen problematischen Medienkonsum. Diese Erfahrung machen auch die Vertreterinnen und Vertreter der Erziehungsberatungsstellen, wie einige bei der Vortragsveranstaltung bestätigten. Pruin machte darauf aufmerksam, dass das Internet vier zentrale Grundbedürfnisse besonders gut befriedige: Orientierung und Kontrolle, Lustgewinn und Unlustvermeidung, Selbstwerterhöhung in der digitalen Welt sowie Bindung an virtuelle Freunde. Vor allem Heranwachsende mit niedrigem Selbstbewusstsein und solche mit schlechten Bindungen, zum Beispiel durch den Verlust eines Elternteils, „sind prädestiniert dafür, sich in der medialen Welt zu verlieren“, so der Suchttherapeut. Daher sei es wichtig, jungen Menschen Möglichkeiten zu eröffnen, ihre Wünsche auch in der realen Welt erfüllen zu können: zum Beispiel Selbstwerterhöhung im Sport und Bindung an wirkliche Freunde.
Untersuchungen bei Auszubildenden mit hohem Medienkonsum haben laut Niels Pruin unter anderem ergeben, „dass diese sich im Alltag weniger bewegen, ungesünder essen, häufiger rauchen und mehr Alkohol trinken, am Wochenende weniger und schlechter schlafen, weniger Lust auf Familie und Freunde haben, auffallend müde sind, Apathie und Desinteresse zeigen und ein geringeres Wohlbefinden haben“. Der Therapeut machte mehrere konkrete Vorschläge, wie problematischem Medienkonsum begegnet werden könne. Dazu gehören „kein Handy beim Essen, im Bett und im Badezimmer“, „Ausschalten des Handys bei wichtigen Tätigkeiten“ sowie „den Zugang zur Nutzung erschweren, zum Beispiel durch einen bewusst gewählten komplizierten Zugangscode oder ein unattraktives Hintergrundbild“. Er betonte: „Und wir brauchen zumindest zweimal am Tag Auszeiten, an denen wir an gar nichts danken, damit sich unser Gehirn regenerieren kann.“
Bezüglich des Alters von Kindern empfahl der Referent, die sogenannte 3-6-9-12-Regel zu beherzigen: „keine Bildschirmmedien unter drei Jahren, keine eigene Spielekonsole vor sechs Jahren, kein Smartphone vor neun Jahren und keine unbeaufsichtigte Computer- und Internetnutzung vor zwölf Jahren.“ Bei problematischem Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen ist es nach Überzeugung Pruins wichtig, dass die Eltern Regeln aufstellen und Grenzen setzen. Dafür müssten Absprachen konsequent eingehalten werden, „trotz stressigem Alltag“. Jeder Elternteil solle zudem stets die eigene Vorbildfunktion bedenken.
Quelle: Die Berichterstattung erfolgt unter Verwendung einer Pressemitteilung des Caritasverbandes für die Diözese Eichstätt e.V.