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100 Tage OB Kern: Noch Moderator, bald Entscheider?

Am kommenden Pfingstmontag ist Michael Kern (CSU) exakt 100 Tage Oberbürgermeister von Ingolstadt – ein traditioneller Zeitpunkt für eine erste Bilanz. Der Stil des neuen Stadtoberhaupts: moderierend, freundlich, bürgernah. Doch im Stadtrat und bei den politischen Mitbewerbern wächst auch die Erwartung, dass Kern bald mehr sein wird als Moderator – nämlich Gestalter und Entscheider.

Moderation statt Machtdemonstration

„Michael Kern ist sehr moderierend, sehr kompromissbereit“, sagt Christian De Lapuente, Fraktionsvorsitzender der SPD, über den neuen Rathauschef. „Er ist menschlich total okay, sehr wertschätzend gegenüber seinem eigenen Stadtrat und den Organisationen in Ingolstadt.“ Doch das freundliche Auftreten ersetzt auf Dauer keine klare politische Linie. „Wenn man reinwächst in ein Amt, muss man irgendwann eigene Akzente setzen“, betont De Lapuente. Er erinnert daran, dass auch Kerns Vorgänger Christian Scharpf nicht immer den Erwartungen seiner eigenen Partei folgte: „OB Scharpf hat Entscheidungen getroffen, die wir als Fraktion oft anders gesehen haben.“ Wie sich Kern im Verhältnis zu seiner CSU-Fraktion positionieren wird, bleibe abzuwarten.

Das bisherige Highlight für De Lapuente? Kerns unübersehbare Präsenz: „Ob beim kleinen Zuchtverein oder bei der Feuerwehr – er ist sehr präsent. Man merkt, er füllt das Amt auf seine Weise aus.“ Kritische Punkte? Fehlanzeige. „In den ersten 100 Tagen muss man erst reinkommen, da gibt es wenig, was man anders hätte machen müssen.“ Auch Fehler sieht De Lapuente bislang nicht: „Noch keine.“

Warten auf klare Kante

Barbara Leininger, Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN, spricht von einer „äußerst freundlichen und sehr angenehmen“ Atmosphäre im Stadtrat. „Es herrscht ein gutes Klima.“ Doch auch sie betont, dass es nicht dabei bleiben kann: „Es kommen harte Entscheidungen, und ich bin gespannt, wie er dann diese moderierende Position verlässt und als Oberbürgermeister die Linie vorgibt.“ Freundlichkeit sei gut, aber Führung werde bald gefragt sein: „Wir sitzen eben dann doch nicht alle in einem Boot.“

Ein Highlight der ersten 100 Tage sucht Leininger lange. Dann erinnert sie sich: „Eins fällt mir jetzt doch ein, das war die Einweihung der Hugo-Höllenreiner-Straße. Das war zwar alles vorbereitet natürlich, aber da ist er authentisch dabei gewesen.“ In ihrer Gesamtbilanz bleibt sie zurückhaltend: „Die 100 Tage muss man ihm zugestehen. Er hat es auf seine Weise gemacht.“ Fehler sieht sie nicht – zumindest noch nicht. Allerdings müsse Kern bei den wirklich wichtigen politischen Themen in Zukunft nicht nur präsent sein, sondern auch aktiv gestalten.

Behutsamer Start, klare Erwartungen

Hans Stachel, Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER, zieht nach 100 Tagen eine überwiegend positive Zwischenbilanz. Besonders die öffentliche Wahrnehmung von Michael Kern lobt er: „Die sichtbare Wahrnehmung von ihm bei Veranstaltungen, in Sitzungen und einfach so, wie man ihn erlebt – da bin ich sehr zufrieden.“ Für eine abschließende Bewertung der inhaltlichen Arbeit sei es allerdings noch zu früh: „Da möchte ich ihm noch die Zeit geben, sich einzuarbeiten.“

In der Zusammenarbeit mit dem Stadtrat sieht Stachel Luft nach oben. Zwar kommuniziere der Oberbürgermeister „einigermaßen“, doch aus Sicht der FREIEN WÄHLER gebe es hier noch Spielraum. „Ich würde mir ein bisschen mehr wünschen“, sagt Stachel.

Als persönliches Highlight hebt er die professionelle Sitzungsführung hervor: „Die Art und Weise, wie er die Sitzungen führt, finde ich sehr bemerkenswert und sehr positiv.“ Auch bei Ansprachen und öffentlichen Auftritten zeige Kern Souveränität. Insgesamt hinterlasse er den Eindruck, den Anforderungen seines Amtes gewachsen zu sein: „Für die inhaltliche Arbeit braucht es allerdings noch ein bisschen Zeit.“

Verbesserungspotenzial sieht Stachel vor allem im unmittelbaren Umfeld des Oberbürgermeisters. In der Vergangenheit habe es hier viel Kritik gegeben, eine sichtbare Neuordnung sei ein wichtiges Signal gewesen: „Ich hätte mir gewünscht, dass er in der Verwaltung das eine oder andere Zeichen setzt, wie er sich anders organisieren möchte.“ Ob es sich dabei bereits um einen Fehler handelt, lässt Stachel offen: „Ich tue mir wirklich schwer, über irgendjemanden ein Urteil zu fällen und zu sagen, das ist falsch.“

Viel Fleiß, wenig Profil

Ähnlich differenziert fällt das Urteil von Christian Lange, Fraktionsvorsitzender der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG), aus. „Es ist eine sehr ruhige, unaufgeregte Art, wie er moderiert“, beschreibt er Kerns Vorgehen. In den Sitzungen sei die Suche nach breiter Zustimmung erkennbar. Nur eines irritiert Lange: „Er hält sich zu sehr mit einem eigenen Standpunkt zurück.“ Nach längerer Diskussion wünsche er sich manchmal ein klares Wort des Oberbürgermeisters.

Ein Highlight der ersten Amtsmonate? „Für mich hat es kein Highlight gegeben“, sagt Lange zunächst. Dann fügt er hinzu: „Ich bewundere ihn für seinen Fleiß und dafür, dass er versucht, überall Kontakt zu den Vereinen, den Bürgern und den Menschen in dieser Stadt zu suchen.“ Die Kommunikationsstrategie unterscheide sich deutlich von früheren CSU-Oberbürgermeistern. Das begrüßt Lange ausdrücklich.

Was hätte Kern anders machen müssen? Lange bleibt diplomatisch: „Das maße ich mir nicht an.“ Für ihn selbst wäre ein deutlicheres Vertreten eigener Standpunkte wichtig, aber: „Jeder Mensch muss seinen eigenen Stil finden und sich dabei auch wohlfühlen.“ Fehler? „Direkte Fehler fallen mir nicht ein.“

Bürgernah und freundlich – doch was kommt jetzt?

Zufriedene Töne kommen von Albert Wittmann, Sprecher der CSU im Finanzausschuss. Für ihn steht fest: „Wir sind sehr froh, dass wir wieder einen Oberbürgermeister stellen.“ Besonders hebt er Kerns offenen Umgang mit den Bürgern hervor: „Er ist erreichbar, freundlich und geht auf die Leute zu. Das war beim letzten Oberbürgermeister oft nicht der Fall.“

Wittmann erinnert an Wahlkampfauftritte, bei denen Kern direkt auf die Bürger zuging: „Er hat sich vorgestellt, hat um Unterstützung gebeten – das imponiert mir bis heute.“ Auch wenn es Kritik gegeben habe, dass Kern in seinen ersten Monaten viele Hände geschüttelt und oft Dank gesagt habe, sei dies für ihn kein Makel: „Verkehrt ist es sicherlich nicht.“

Doch auch Wittmann weiß: Die Phase der Schonung wird enden. „Es werden jetzt die nächsten Monate Entscheidungen anstehen, die durchaus nicht angenehm sind“, sagt er. Der städtische Haushalt verlangt Konsolidierung, die Spielräume sind enger als noch vor wenigen Jahren. Fehler habe Kern bisher keine gemacht, meint Wittmann, und fügt hinzu: „Selbst wenn, es gehört sich nicht, einen Oberbürgermeister nach zwei, drei Monaten öffentlich zu kritisieren.“

Die Schonfrist läuft ab

Michael Kern hat in seinen ersten 100 Tagen vor allem eines bewiesen: Er kann zuhören, moderieren und Nähe zeigen. Doch Bürgernähe allein wird bald nicht mehr genügen. Die großen Fragen – Finanzen, Infrastruktur, Stadtentwicklung – werden Antworten verlangen. Dann wird sich zeigen, ob aus dem freundlichen Moderator auch ein entschlossener Gestalter werden kann.

Quelle: Eigene Berichterstattung.

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