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Antworten Ingolstädter Politiker zur Politikverdrossenheit

Antworten Ingolstädter Politiker zur Politikverdrossenheit

(tt) Die "Frage der Woche" bei O-T(h)öne lautet:

„Welche Möglichkeiten sehen Sie im Bereich der Kommunalpolitik, um der Politikverdrossenheit entgegen zu wirken?"

Patricia Klein (CSU-Fraktionsvorsitzende), Petra Kleine (GRÜNE), Christian Scharpf (Oberbürgermeisterkandidat der SPD), Christian Lange (BGI), Hans Stachel (Freie Wähler), Jürgen Köhler (Oberbürgermeisterkandidat der UDI), Raimund Köstler (ÖDP), Jakob Schäuble (Oberbürgermeisterkandidat der FDP)  und Christian Pauling (DIE LINKE) wurden am 11. November um eine Antwort gebeten.

Nachfolgend die bewusst ungekürzten und redaktionell nicht bearbeiteten Rückäußerungen, in der Reihenfolge des Eingangs der Beantwortung. O-T(h)öne bedankt sich für die Beantwortung des Fragenkomplexes bei allen politischen Akteuren, die mitgewirkt haben.

Raimund Köstler, Oberbürgermeisterkandidat der ÖDP:

Viele Bürgerinnen und Bürger sind mit den derzeitigen Auswüchsen der Politik unzufrieden und haben das Gefühl, nichts daran ändern zu können. Darin sehen wir die wesentliche Ursache für die große Zahl an Protestwählern, aber auch Nichtwählern. Wichtig ist deshalb, dass die Bürgerinnen und Bürger umfassend informiert werden. Und geht weiter mit Transparenz bei allen Entscheidungen, Bürgerbeteiligungen, die ernst genommen werden, bis hin zu Jugendlichen, denen ein Mitspracherecht eingeräumt wird und Politiker, die ihre Vorbildfunktion im Umgang miteinander wahrnehmen. All dies sehen wir in Ingolstadt als verbesserungswürdig an und werden uns deshalb dafür einsetzen.

Möglichst alle politischen Entscheidungen sollen zukünftig für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar sein. Dies setzt die Transparenz öffentlichen Verwaltens voraus. Eine solche Transparenz wird durch umfassende Informationspflicht und Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger erreicht. Nur das umfassende demokratische
Selbstbestimmungs- und Mitwirkungsrecht aller Bürgerinnen und Bürger garantiert ein demokratisches Gemeinwesen und motiviert zur aktiven Teilnahme. Ebenso stellt die Beeinflussung der Mandatsträger durch Lobbyvertretungen eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. Sie führt dazu, dass die Interessen einzelner Wirtschaftszweige oder Konzerne über das Gemeinwohl gestellt werden. Dies schadet nicht nur der Demokratie, sondern letztendlich auch der Wirtschaft, weil die Aufrechterhaltung veralteter Strukturen gefördert und die Durchsetzung zukunftsweisender Innovationen verhindert wird.

Wir sind davon überzeugt, dass den Entscheidungsgremien unserer parlamentarischen Demokratie die höchstmögliche Unabhängigkeit zugesichert werden muss. Dies bedeutet die Aufhebung des Fraktionszwangs und strikte Trennung von politischem Mandat und wirtschaftlichen Interessen- und Lobbyvertretungen. Die ÖDP fordert ein Verbot von Parteispenden und Parteisponsoring durch Unternehmen und juristische Personen (Großorganisationen), ebenso eine Spendenbegrenzung für natürliche Personen.

Demokratie kann auch nur gelebt werden, wenn alle Bevölkerungsgruppen ein Mitspracherecht erhalten. Ein Jugendparlament erhöht den Einfluss der Jugend auf die Politik, macht diese zukunftsfähig und unterstützt den Meinungsaustausch. Zusätzlich wird das Interesse der Jugend an der Politik und Demokratie gefördert. Die ÖDP setzt sich dafür ein, dass Jugendliche ab 14 Jahren auf Antrag ihre Interessen auch als Wähler selbst wahrnehmen können. Da dies auf kommunaler Ebene nicht eigenständig umsetzbar ist, soll für Ingolstadt ein Jugendparlament eingeführt werden.

Die Bürgerinnen und Bürger sind aber auch aufgerufen, sich stärker in den politischen Parteien zu engagieren, um gesellschaftliche Veränderungen im Rahmen der parlamentarischen Demokratie zu fördern. Wir wollen die politische Kultur in Ingolstadt attraktiver gestalten und verbessern. Wir wollen sachorientierten Umgang im Stadtrat, ehrlichen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern und innerparteiliche Beteiligung aller Mitglieder.

Christian Lange, Oberbürgermeisterkandidat der Bürgergemeinschaft (BGI):

Politik in einer Stadt zu machen, bietet viele Chancen und Möglichkeiten, etwas gegen die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung zu machen. Denn wir sind in der Kommunalpolitik jederzeit greifbar und ansprechbar und darin sehe ich einen wesentlichen Vorteil für Kommunalpolitiker beim Einsatz gegen die Politikverdrossenheit. Es ist die Kommunikation zwischen Bürgern engagierten Kommunalpolitikern, die das beste Mittel gegen Politikverdrossenheit ist. In der Kommunalpolitik sind wir so nah am Menschen wie auf keiner anderen politischen Ebene. Wir machen die Politik, die sich unmittelbar auf die Menschen auswirkt. Die Menschen sehen uns Politiker fast jeden Tag irgendwo in der Stadt und können uns jederzeit ansprechen.

Als Politiker muss ich zuhören und für ein Gespräch so oft wie möglich zur Verfügung stehen. Deswegen bin ich mir sicher, dass wir auf kommunaler Ebene die besten Chancen und Möglichkeiten haben, wenn wir den Menschen zuhören und mit ihnen diskutieren. Wir müssen uns Zeit für ihre Wünsche und Ideen nehmen und uns um ihre Anliegen kümmern. Wenn wir das machen, leisten wir täglich unseren Beitrag gegen eine um sich greifende Politikverdrossenheit.

Petra Kleine, Oberbürgermeisterkandidatin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Zeiten sind wieder politischer und aktiver. Politikverdrossenheit war gestern. Die jungen Menschen, die Schülerinnen und Schüler, die vielen Demonstrationen des letzten Jahres zum Klima, zu sozialem Zusammenhalt (unteilbar), für Kultur (wir sind viele) oder Veränderung der Landwirtschaft haben sie bundesweit weggefegt, die Zuschauerdemokratie. Es ging auch nicht anders – es muss sich etwas ändern! Gerade die Jungen fordern von uns Handeln und zeigen uns, was jetzt notwendig ist. Das ist alles nicht verdrossen, das ist aktiv und zukunftsbewusst. Und das ist gut so.

Für die Zukunft sind mir darum die jugendpolitischen Forderungen sehr wichtig: echte Jugendparlamente in Ingolstadt, unterstützende Jugendarbeit dafür (Stellen!), Wahlalter auf 16 Jahre senken. Jugendkulturarbeit und die politische, demokratische Bildung stärken. Diese Bewegung hat starkes Interesse an uns GRÜNEN mitgebracht. Immer wieder gründen sich neue Grüne Verbände in der Region. Auch hier zeigt sich: nachhaltiges Engagement, aktive Beteiligung an der Demokratie, nicht nur ein kurzer Hype. Zusehen was gestern.

Zudem müssen wir glaubwürdige, verlässliche und verständliche Strukturen schaffen, für Bürgerbeteiligung aller Art. Vom Stadtspaziergang bis zum Bürgerentscheid, von der Befragung bis zum Workshop dazu, wie der Stadtplatz aussehen soll. Information aus dem Stadtrat, zur Kommunalpolitik, aus den Bezirksausschüssen müssen einfach, barrierefrei und gut sortiert sein. Dazu Livestream aus der Stadtratsarbeit und gut sortierte barrierefreie Mediathek.

Gleichzeitig werden die politischen Gräben mit dem Erstarken der AfD wieder größer, die politische Auseinandersetzungen, nicht nur bei Facebook, wird härter. Es geht diesen Feinden der Demokratie darum, die politischen Gremien zu schwächen und Vertrauen zu untergraben. Und das untergräbt die Bürgerbeteiligung. Da müssen wir Haltung zeigen! Da muss es ein ganz klares Stop und darf es auch kein Verhandeln geben. Und auch wer Menschen, die sich politisch beteiligen Angst macht, wer beleidigt, bedroht, zerstört muss auf unsere wehrhafte Demokratie treffen! Wir als Politik müssen wieder ein Klima des Vertrauens schaffen und glaubwürdig sagen: Beteiligung lohnt sich und verändert etwas! Das geht nur MIT den Bürger*innen, nicht ohne sie!

Und darum zuletzt: Wir müssen hinsehen, wo Beteiligung noch fehlt, wo sie Unterstützung und Motivation braucht. Wir wollen alle dabeihaben, wollen alle mitnehmen und beteiligen. Bürgerbeteiligung muss auch sozial barrierefrei sein. Das geht nicht von selbst, sondern nur, wenn wir als Kommunalpolitiker*innen diese Verantwortung aktiv annehmen. Wir GRÜNEN stehen dafür zuverlässig und glaubwürdig seit vielen Jahren und immer wieder neu.

Christian Paulig, Oberbürgermeisterkandidat der LINKEN:

Der grassierenden Kritik gegenüber der Politik wollen wir durch eine stärkere Einbindung in Entscheidungsprozesse über kommunale Ressourcen entgegentreten. Wer Teil eines Systems ist, findet dieses automatisch weniger schlimm. Beteiligung erfordert Information. Aus diesem Grund besteht für uns der erste Schritt in einer digitalen Veröffentlichung der Stadtratsprotokolle, sowie einem Livestream der Stadtratssitzungen inklusive durchsuchbarer Mediathek. Des Weiteren sollte der nichtöffentliche Teil der Stadtratssitzungen auf ein Minimum reduziert werden. Was nicht öffentlich besprochen wird, sollte jedoch öffentlich und transparent begründet werden.

Der nächste Schritt besteht für uns dann in einer Ausweitung und Digitalisierung der Bürgerhaushalte. Vorschläge müssen transparent und für alle sichtbar eingebracht und diskutiert werden können. Dem Bürger steht überdies in unseren Augen ein Mitspracherecht über die Vergabe dieser Töpfe zu. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Gelder zu einem weiteren Machtinstrument der Stadtratsmehrheit verkommen. Sie sollen jedoch dazu dienen dem gesamten Spektrum an Ideen aus unserer Bürgerschaft Rechnung zu tragen. A und O ist immer, dass Vorschläge und Ideen öffentlich diskutiert und abgestimmt werden.

Wir favorisieren eine digitale Plattform wie sie in Barcelona oder Madrid verwendet wird. Damit ältere Bürger nicht von Beteiligung ausgeschlossen werden, empfiehlt es sich überdies eine Servicestelle im Rathaus einzurichten. Diese soll Bürgern bei der Bedienung der digitalen Beteiligungswerkzeuge und etwaigen Fragen zur Seite stehen.

Demokratie lebt jedoch immer auch vom direkten Kontakt und dem Austausch von Angesicht zu Angesicht. Gerade in unserer digitalen Welt verlieren wir schnell das Gefühl für das Gegenüber und das gemeinsame Miteinander. Facebook Diskussionen schaukeln sich schnell hoch, Menschen schotten sich ab. Das Gefühl für das Gemeinsame kann schwinden. Gerade dies gilt es aber in unserer Zeit der gesellschaftlichen Polarisierung zu stärken. Aus diesem Grund wünschen wir uns, dass zur Hälfte der Wahlperiode ein offener Bürgerkongress abgehalten wird. Hier sollen ähnlich einem Barcamp Projektvorschläge von Bürgern, aber auch Workshops und Diskussionen eingebracht werden können. Die aus diesem Kongress abgeleiteten Vorschläge und Empfehlungen sollen dann in einer Sondersitzung des Stadtrates abgehandelt werden.

Als letztes ist Korruption zu nennen, die es konsequent zu bekämpfen gilt. Sie gibt den Bürger das Gefühl, dass sich Machthabende an ihren Steuergeldern bereichern und schädigen das Ansehen unseres demokratischen Systems. Um Skandale wie im Falle Lehmann frühzeitig zu verhindern, fordern wir deshalb ein anonymes, digitales Postfach an das sich Whistleblower aus der Verwaltung wenden können.

Hans Stachel, Oberbürgermeisterkandidat der Freien Wähler:

Die „Politikverdrossenheit“ ist auch so ein Schlagwort, mit dem gerne Stimmung gemacht wird. Ist diese Politikverdrossenheit wirklich so groß? Wenn ich mir die letzten Landtagswahlen mit stark gestiegener Wahlbeteiligung anschaue, wenn ich an die Jugendbewegung Fridays for Future denke, dann sehe ich durchaus positive Anzeichen für ein gestiegenes Interesse an der Politik.

Gilt das auch für die Kommunalpolitik? Vielleicht weniger, weil natürlich die „großen Themen“ wie Klimawandel die Menschen mehr bewegen als die Frage, ob wir da oder dort ein Klohäusl aufstellen oder nicht. Trotzdem gilt: Politik muss immer – egal auf welchen Feldern – darum bemüht sein, den Kontakt zu den Menschen nicht zu verlieren. Wir sollten mehr zuhören, statt zu reden – aber auch erklären wie und warum Entscheidungen getroffen wurden. Immer wieder komme ich mit Menschen ins Gespräch, die eine Meinung zu einem Thema haben – und wegen teilweise fehlerhafter Information Meinungen über mich und uns als Kommunalpolitiker haben, die nach einem klärenden, informativen Gespräch, oft ganz anders ausfallen. Zuhören und ernst nehmen, das ist im kommunalen Bereich von ganz besonderer Bedeutung.

Darüber hinaus dürfen wir Kommunalpolitiker mit unserem Verhalten auf die Bürgerinnen und Bürger nicht abschreckend wirken. Ständige Streitereien, Schläge unter die Gürtellinie und ausufernde Hetze, wie wir sie seit einiger Zeit erleben, sind nicht geeignet, die Politik in gutem Licht erscheinen zu lassen.

Wir Freien Wähler setzen deshalb auf Sachpolitik, auf gegenseitigen Respekt und Kollegialität, auch bei unterschiedlichen Meinungen. Die Menschen erwarten von der Politik, besonders im kommunalen Bereich, sachgerechte und verantwortbare Entscheidungen, sowie vernünftige Umgangsformen der Politiker untereinander. Damit lässt sich Politikverdrossenheit besser bekämpfen als mit schönen Sonntagsreden.  Ich lade Sie ein, machen auch Sie mit. Politik und Demokratie lebt vom Mitmachen. Ihr Beitrag ist wichtig!

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