Es ist ein Eldorado für Naherholungssuchende – der Bereich hinter der Wohnbebauung an der Hagauer Straße in Richtung Staustufe. Hier trifft man täglich Jogger, Spaziergänger, Nordic Walker, Radfahrer und Hundebesitzer mit ihren Vierbeinern, die sich eine Auszeit vom Alltag gönnen. Die Wege rund um die Äcker, durch den Wald und entlang der Staustufe bieten ausreichend Gelegenheit dazu.
Es könnte friedlich sein in dieser Umgebung – eigentlich. Wäre da nicht der tägliche Ärger mit Fahrzeugführern, die regelmäßig einen für Kraftfahrzeuge gesperrten kleinen Weg nutzen. Dieser führt von der Bonhoefferstraße in Richtung des Wasserwerks Buschletten.
Parallel verläuft ein „Radschnellweg“, der als gemeinsamer Fuß- und Radweg beschildert ist, auf einem Damm. Seitdem dieser asphaltiert wurde, nutzen mehr Fußgänger und Hundebesitzer den darunter verlaufenden schmalen Weg. „Die rasen mit ihren E-Bikes und Rennrädern da oben wie blöd, da kriegt man ja Himmelangst“, erklärt eine über 70-jährige Frau, warum sie nur noch den kleinen Weg benutzt. Sie fügt hinzu: „Selbst Autos sind auf dem Damm schon gefahren.“
Doch zurück zu dem kleinen Weg: Dieser wird immer wieder von Grundstücksbesitzern oder deren Gästen, die eine private Grünanlage nutzen, als Durchfahrt von der Bonhoefferstraße aus verwendet. Die meiste Befahrung findet durch die erste Grundstückseinfahrt, vom Wasserwerk Buschletten hergesehen, statt.
Nach dem Bebauungsplan der Stadt ist eine Bebauung auf diesen Grundstücken nicht erlaubt. Dennoch befinden sich auf Teilen der Grünflächen diverse Baukörper, darunter eine gemauerte Hütte, die – wie die Recherche des Nachrichtenkanals O-T(h)öne ergab – seit sehr langer Zeit von der Stadt Ingolstadt geduldet wird. Eine Genehmigung liegt nicht vor, da die Hütten im Außenbereich stehen. Was alles auf dem Grundstück entstanden ist, lässt sich auf Google Earth sehr gut erkennen, nebst Fahrzeugen auf dem Grundstück.
Der Verkehr zu dem Grundstück, ohne Ausnahmegenehmigung, also als Fluch der guten Tat in Bezug auf die Duldung der Bebauung durch die Stadt? Eine Frau, die aufgrund ihres höheren Alters schon einige Entwicklungen in unserem Land mitgemacht hat, meinte im Gespräch mit O-T(h)öne: „Wer die Erfahrung macht, mit Verstößen gegen Regeln durchzukommen, wird das womöglich auch weiterhin tun.“
Laut Auskunft des städtischen Verkehrsmanagements gibt es für das Befahren des Weges nur zwei Ausnahmegenehmigungen. Diese gelten jedoch ausschließlich für die Zufahrt von der Roßlettenstraße zu den privaten Grünflächen, nicht aber für die Durchfahrt. Anwohner berichten, dass der schmale Weg auch in den Nachtstunden von Autos befahren wird.
Mehrere Leser des Nachrichtenportals O-T(h)öne berichteten zum diesjährigen Sommeranfang über deutlich zunehmenden Verkehr. „Nach Ihrer ersten Berichterstattung ist es deutlich ruhiger geworden. Das ist jetzt aber wieder vorbei“, schreibt ein Mann an die Redaktion. Von anderen Lesern kamen ähnliche Hinweise, weshalb die Redaktion die Situation über mehrere Monate hinweg beobachtete. Mit dem Ergebnis, dass innerhalb von 24 Stunden im Sommer bis zu 40 Fahrzeugbewegungen und in der jetzigen kalten Jahreszeit bis zu 10 festgestellt wurden. Es handelt sich fast ausschließlich um Durchfahrten. Dies von Fahrzeugen mit dem Kennzeichen IN-KB, die zum Fahrzeugbestand der Ingolstädter Kommunalbetriebe (INKB) gehören, zum Wasserwerk Buschletten und zurück sowie von Fahrzeugführern, welche die private Grünanlage, auf der sich auch ein kleiner Weiher befindet, ansteuern oder von dort zur Bonhoefferstraße zurückfahren.
Ein Indiz für die starke Nutzung durch Kraftfahrzeuge sind wieder vorhandene Schlaglöcher auf dem nicht geteerten Teil des Weges, nachdem diese ausgebessert wurden. In dem Bereich füllen sich auch tiefe Spurrillen nach Regenfällen mit Wasser. Bei dem Übergang zum geteerten Bereich finden sich immer wieder zahlreiche sichtbare Fahrspuren nach Regen.
„Von mir aus können die alle von der Roßlettenstraße auf das Grundstück fahren, auch wenn das nicht erlaubt ist“, meint ein 30-Jähriger im Gespräch mit O-T(h)öne. „Aber die Durchfahrt sollten sie einfach unterlassen.“ Der Mann berichtet weiter, dass in den Sommermonaten bis zu 10 Fahrzeuge gleichzeitig auf dem Privatgrundstück gestanden hätten. „An Weihnachten oder Neujahr sollten Sie mal vorbeischauen – da ist was los. Dann heizen die den Kamin im Gebäude ein, der die ganze Umgebung einnebelt. Ich frage mich, wie das mit der Immissionsschutzverordnung vereinbar ist.“ „Schauen Sie mal auf das Grundstück, wenn die Blätter alle abgefallen sind, was da alles rumliegt. Sogar Fahrzeuge werden dort, obwohl das Wasserschutzgebiet gleich da vorn beginnt, über längere Zeit abgestellt“, teilt der Mann seine intensiven Beobachtungen mit. Ein Einblick in das Grundstück ist kaum möglich, obwohl auf einer längeren Strecke der Blickschutz aus Holz marode zusammengebrochen ist, verhindert eine grüne gespannte Plastikfolie in weiten Teilen den Blick auf die Grünfläche.
Mehrere Anwohner berichten über einen roten japanischen Kleinwagen, der regelmäßig von der Bonhoefferstraße zur ersten Grundstückseinfahrt und zurück unterwegs sei – gesteuert von einem Fahrer, der über 70 Jahre alt sein soll. „Rücksichtnahme ist für den oft ein Fremdwort“, kritisiert eine Hundebesitzerin.
Eine Ansprache der Besitzer der Grünflächen, dass diese Durchfahrten auf dem Weg unterlassen und entsprechend auf ihre Gäste einwirken sollen, hat es vonseiten der Stadt nicht gegeben, teilt diese auf Nachfrage mit.
„Wir wollen keine Anzeige erstatten“, sagt ein 50-jähriger Anwohner. „Das verschärft die Situation nur. Dann müsste ich womöglich noch vor Gericht als Zeuge erscheinen. So wie einige Leute in der Bürgerversammlung aufgetreten sind, die die Durchfahrt auf dem Weg wollen, tue ich mir das nicht an.“ Ähnliche Meinungen äußern auch andere Gesprächspartner, die ebenfalls persönliche Konsequenzen befürchten. Diese Haltung erklärt, warum die Polizei auf Nachfrage angibt, dass ihr keine Probleme bekannt seien. Auch vom städtischen Verkehrsmanagement kommt die gleiche Rückmeldung.
Dass Fahrzeuglenker durchaus rabiat auftreten, zeigte sich bei der Recherche: Der Verfasser dieses Artikels wurde, während er Notizen in ein Diktiergerät sprach, von einem Ingolstädter Autofahrer, der von der besagten privaten Grünfläche zur Bonhoefferstraße fuhr, mit dem ausgestreckten Mittelfinger „begrüßt“. Den Mittelfinger in die Höhe zu strecken, ist ein unmissverständliches Signal, das als Beleidigung interpretiert wird – insbesondere im Straßenverkehr. Sollte es zu einer Anzeige kommen, drohen erhebliche Konsequenzen: Das Gericht kann eine Geldstrafe von bis zu 4.000 Euro oder im Extremfall eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr verhängen. Damit gehört diese Geste zu den kostspieligsten Formen von Beleidigungen auf der Straße.
In einem dokumentierten Fall nötigte ein Autofahrer einen vorausfahrenden Radfahrer, indem er mehrfach dicht auffuhr und wiederholt den Motor aufheulen ließ. Dies dürfte bei einer Anzeige durch ein Gericht wohl als Nötigung gewertet werden. Wird jemand wegen Nötigung verurteilt, erfolgt die Strafe meist in Form einer Geldzahlung, deren Höhe orientiert sich am monatlichen Nettoeinkommen, wodurch oft Summen im vierstelligen Bereich entstehen. Überdies kann das Gericht ein Fahrverbot für einen oder mehrere Monate verhängen. Eine Anzeige wurde im konkreten Fall nicht erstattet, trotz vorhandener Zeugen, aus geschilderten Gründen.
Das Verkehrsmanagement der Stadt teilt mit, dass bei Kontrollfahrten – die etwa zweimal wöchentlich durchgeführt wurden – keine Verstöße festgestellt werden konnten. Angesichts der kurzen Durchfahrtszeiten von 5 bis 10 Minuten liegt die Wahrscheinlichkeit, einen Verkehrssünder anzutreffen, im Sommer bei etwa 12,96 % und in den Wintermonaten bei lediglich 1,69 %. Das Risiko, bei einer Ordnungswidrigkeit, der verbotenen Durchfahrt auf dem Weg, durch einen Mitarbeiter der Stadt erwischt zu werden, ist folglich sehr gering.
Für einen 56-jährigen Hundebesitzer wäre die Lösung „ganz einfach“: „Einfach einen Pfosten nach der zweiten Einfahrt zu den Grünflächen setzen, wenn man von der Roßlettenstraße herkommt. Dann können die Grundstücksbesitzer reinfahren, aber nicht durchfahren, und der Bauer kommt von der Bonhoefferstraße auf sein Feld.“
Das städtische Verkehrsmanagement geht davon aus, dass die Verkehrsregel des Durchfahrverbots klar und für jeden Verkehrsteilnehmer gut wahrnehmbar sei. Verstöße zu ahnden, sei die Aufgabe der Polizei.
Das Thema wurde vom Verkehrsmanagement inzwischen an den örtlichen Bezirksausschuss weitergeleitet. Nun liegt der „Schwarze Peter“ dort. Allerdings ist es fraglich, ob einer der Betroffenen die Sitzung besuchen wird – aus den gleichen Gründen, aus denen keine Anzeigen erstattet werden.
Die Gesprächspartner hatten den Eindruck, dass die Stadt die Situation nicht ernst nimmt. „Mir san dene doch wurscht“, fasst eine 40-jährige Spaziergängerin das vorherrschende Gefühl zusammen. Eine andere Frau berichtet, dass sie eine Ausnahmegenehmigung zur Abfuhr von Gartenabfällen beantragen wollte. Hierfür hätte sie Wochen im Voraus einen Antrag mit genauen Zeitangaben einreichen müssen. „Die, die sich ordentlich verhalten, haben einen riesigen Aufwand und müssen für die kurze Ausnahme zum Befahren der Straße bezahlen. Und die, die sich nicht an Regeln halten, denen passiert nichts“, äußert sie ihren Frust.
Eine Hundebesitzerin verweist darauf, dass sie bereits im Juni des vergangenen Jahres im Gespräch mit O-T(h)öne darauf hingewiesen hatte, dass ein bloßes Schild an diesem Weg nichts bewirken werde. „Was nützen Regeln und Gesetze, wenn diese nicht umgesetzt oder kontrolliert werden?“ Dieser Punkt bleibt aktuell.
Am heutigen Abend wird sich der zuständige Bezirksausschuss (BZA) mit der Thematik befassen. Als die Problematik dort vor geraumer Zeit schon einmal behandelt wurde, konnte man aus der Berichterstattung der örtlichen Tageszeitung den Eindruck gewinnen, dass die Mehrheit der Mitglieder für eine Durchfahrt in dem Bereich war. Es bleibt abzuwarten, ob der BZA sich heute Abend für den Schutz der Naherholungssuchenden einsetzt.
Quelle: Eigene Berichterstattung.
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