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Christan Lösel, Karlsson auf dem Dach und das Fliewatüüt

Christan Lösel, Karlsson auf dem Dach und das Fliewatüüt

Von Thomas Thöne

Die Präsentation des Cityairbus in Ingolstadt wurde als pompöses Spektakel, in Anwesenheit der Bundesminister Bär und Scheuer (beide CSU) und viel weiterer Lokalprominenz inszeniert und war ein gigantisches politisches Marketing. Angekündigt als Weltpremiere in großen Anzeigen der Stadt, im Rahmen einer Bürgerbeteiligung.

Was war denn die eigentliche Weltpremiere auf dem Ingolstädter Rathausplatz? Einzig und allein, dass genau dieser Demonstrator, also die Vorstufe eines Prototyps, ausgestellt wurde. Der am Ingolstädter Rathausplatz ausgestellte Cityairbus sollte, nach den eigentlichen Planungen, bereits 2018 fliegen, wie das Onlineportal aeroTELEGRAPH berichtet.

Der amerikanische Hersteller Boing hatte bereits im Januar einen Prototyp eines autonomen Flugtaxis getestet. Das Airbus Lufttaximodell "Vahana" fliegt seit etwa einem Jahr bereits in den USA. Der deutsche Hersteller Volocopter startete 2016 zum ersten bemannten Flug. 2017 folgte ein unbemannter Flug in Dubai.

Angesichts dieser Tatsachen erscheint die "Weltpremiere" auf dem Rathausplatz zu Ingolstadt schon in einem anderen Licht. Der Cityairbus muss zu den Mitbewerbern an Rückstand aufholen, um am Markt bestehen zu können. Derzeit gibt es weltweit bereits über 140 Projekte, die Fluggeräte entwickeln, die elektrisch fliegen und vertikal starten und landen sollen. Experten sprechen von einem ein Billionen-Doller-Markt. Dabei wird davon ausgegangen, dass Flugtaxis hauptsächlich in Millionenmetropolen eingesetzt werden. Airbus selbst verweist darauf, dass ihr Cityairbus voraussichtlich nur auf festen, definierten, Routen unterwegs sein wird.

Das autonome Fliegen von Lufttaxis dürfte noch in weiter Ferne liegen. Selbst der US-Brachenverband rechnet frühestens in 15 Jahren damit. Somit brauchen Flugtaxis in naher Zukunft noch Piloten.
Jedes Lufttaxi muss zunächst einmal nachweisen, dass es auch sicher ist. Alle eine Million Flugstunden hat heute der sicherste Hubschrauber, rein rechnerisch, einen Flugunfall. Nimmt man die Expertenschätzungen als Grundlage, könnten in der Zukunft über 100 Million Flugstunden im Jahr weltweit bei Lufttaxis zusammenkommen. Dies bedeutet, dass ein Flugtaxi deutlich sicherer werden muss als Hubschrauber, um nicht wöchentlich weltweite Abstürze zu verzeichnen. Derzeit fehlen in Deutschland für einen kommerziellen Betrieb der neuen Luftfahrzeuggeneration noch gesetzliche Regelungen.

Vielfach wird in der Diskussion um die Lufttaxis damit argumentiert, dass diese, durch den Akkubetrieb, umweltschonender werden als andere Verkehrsmittel. Diese Argumentation ist nun, durch eine dieser Tage, in einer Fachzeitschrift, veröffentlichten Studie der Universität Michigan ins Wanken geraten, zumindest was die Kurzstrecken betrifft. Ein Forscherteam fand heraus, dass Flugobjekte, bis einer Entfernung von 35 Kilometer, sogar mehr Energie verbrauchen als Autos mit Verbrennungsmotoren. Dadurch würden mehr Treibhausgase erzeugt.

Bei der Weltpremiere zur Präsentation eines Lufttaxis Cityairbus auf dem Ingolstädter Rathausplatz strahlte der Oberbürgermeister, als habe man ihm gerade mitgeteilt, er habe die Oberbürgermeisterwahl 2020 schon im ersten Wahlgang, mit über 90 Prozent, gewonnen. Nicht weniger euphorisch war die Fraktionsvorsitzende der CSU. Sie freute sich, als sei sie gerade auf Lebenszeit zur 2. Bürgermeisterin von Ingolstadt ernannt worden. In Ihrer grenzenlosen Begeisterung stellte sie ein Video online, in dem sie ihrem Oberbürgermeister überschwänglich dankte: "Heute schaut die ganze Welt auf Ingolstadt. Hinter mir ist der neue Cityairbus, der heute Weltpremiere gefeiert hat. Nun wird eines greifbar, Urban Air Mobility ist eine Zukunftstechnologie, die unsere Region und insbesondere unsere Stadt voranbringen wird. Urban Air Mobility bedeutet für uns Arbeitsplätze der Zukunft, bedeutet für uns Wohlstandssicherung und ich bin sehr glücklich darüber, dass unser Oberbürgermeister hier eine Initiative aufgegriffen hat und sich in herausragender Weise für unsere Stadt engagiert".

Spott und Hohn war, wegen der politischen Inszenierung, nicht nur in sozialen Netzwerken, mit Hinweisen auf den schwedischen Kinderfilm Karlsson auf dem Dach aus dem Jahr 1974, vernehmbar. Die heute SHOW mit Oliver Welke und Lutz van der Horst ließ sich diese Satirevorlage natürlich nicht entgehen und spielte auf den deutsch-belgischen Kinderfilm Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt, aus dem Jahr 2016, an.

Die Kosten der Veranstaltung betrugen, laut Aussagen des Stadtdirektors der Stadt Ingolstadt, nach derzeitigem Stand, um die 48.000 Euro. Mit an den Kosten beteiligt ist die Stadt Ingolstadt, die städtische Tochtergesellschaft IFG, die Sparkasse und Airbus.

Ein politischer Kommentar

von Thomas Thöne

Nur wenn die Technik des Lufttaxis bei den Menschen überhaupt akzeptiert wird, wird sie eine Chance haben. Darauf wies auch zurecht Stadträtin Veronika Peters in der jüngsten Stadtratssitzung hin, in dem sie sich für eine größere Beteiligung der Bürgerschaft stark machte.

Es ist für das Projekt Lufttaxi auch nicht förderlich kritische Stimmen als Verhinderer und ewig Gestrige abzutun. Völlig absurd wird es, wenn die Mahner mit den Verhinderern bei der Einführung der Dampfeisenbahn verglichen werden, wie dies in einer Stadtratssitzung in Ingolstadt geschehen ist.

Eine politische Showveranstaltung, wie in Ingolstadt, die als Weltpremiere angekündigt wurde und enorme Erwartungshaltungen weckte, dann aber nur Nebel versprühte, wie auf einem Deep Purple Konzert, wenn Smoke on the Water gespielt wird, wird notwenige Akzeptanz für die Flugtaxis nicht gerade fördern.

Wenn der Ingolstädter Oberbürgermeister, wie in der jüngsten Stadtratssitzung dann darüber lamentiert, dass sich über die Flugtaxis lustig gemacht wird, wie in der ZDF heute SHOW geschehen, hat das eher etwas mit der auf dem Rathausplatz abgelieferten politischen Inszenierung zu tun, als über das Lustigmachen über das Projekt selbst. Selbst die konservative Zeitung "Welt" titelte in der Onlineausgabe, nach der Ingolstädter Showeinlage: "Der „Demonstrator" lieferte in Ingolstadt ein absurdes Debüt".

Es ist richtig und wichtig, dass der Ingolstädter OB versucht neue Arbeitsplätze in Ingolstadt zu schaffen, mit den Schwerpunkt neue Technologien. Dies ist dringend notwendig, angesichts der Situation in der Automobilindustrie und der Ingolstädter Monostruktur. Dabei sollte er aber weniger auf Inszenierung und Selbstinszenierung setzen, auch wenn die OB-Wahl 2020 vor der Türe steht. Diese Art der Selbstinszenierung schadet ihm, was seine persönliche Akzeptanz angeht. Sie schadet aber auch der Akzeptanz seiner Ideen und Projekte.

Vorbild für das ruhige und sachliche Abarbeiten der Themen rund um Urban Air Mobility ist der Ingolstädter Stadtdirektor Hans Meier, der ohne großes Tamm Tamm und ohne jegliche Inszenierung das Thema Stück für Stück, auch auf der EU-Ebene, voran bringt, wie in der gestrigen Stadtratssitzung wieder deutlich wurde.

Manchmal fragt man sich wirklich, welche politischen Berater hat Christian Lösel? Wenn man dann in die CSU und die Stadtverwaltung hineinhört, gibt es offensichtlich nur eine Person, der er wirklich vertraut, dem Bürgermeister Albert Wittmann (CSU). Vielleicht sollte Lösel sich, in Bezug auf seine politischen Berater, breiter aufstellen, so dass er nicht ausschließlich als Oberbürgermeister mit dem Oberbürgermeister-Eröffnungsknopf wahrgenommen wird, der regelmäßig über die Tageszeitung, manchmal gleich wenige Tage hintereinander, neue Mitglieder im Projekt Urban Air Mobility begrüßt.

Weniger ist manchmal mehr, wenn es um politische Show und Marketing für einen Hersteller geht. Wenig ist manchmal zu wenig, wenn es um die Akzeptanz in der Bevölkerung geht. Eine Neujustierung der Prioritäten wäre angesagt.

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