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Christian De Lapuente (SPD) zu Fehlern, Kompromissen und Profil

Der Nachrichtenkanal O-T(h)öne führte ein langes und ausführliches Gespräch mit dem Oberbürgermeisterkandidaten des Wahlbündnisses aus SPD, Grünen, Linken, ÖDP und UWG. Lesen Sie heute den zweiten Teil.

O-T(h)öne: Was glauben Sie, hat die SPD momentan für ein Profil in der Ingolstädter Öffentlichkeit?

De Lapuente: Ich weiß, dass die SPD Ingolstadt, wenn man die letzten 20 Jahre betrachtet, auch immer schwierige Zeiten hatte. Es hat immer wieder Streit innerhalb der Partei gegeben. Streit ist jetzt nichts Schlechtes in der Partei. Man darf um Meinungen, um Inhalte diskutieren, aber oft wurde es dann halt persönlich. Ich glaube, dass wir die letzten vier Jahre sehr bewusst aufgetreten sind, um Politik nach vorne zu bringen. Dabei haben wir selbst manchmal die Partei hinten anstehen lassen, um die Themen und die Inhalte gemeinsam mit einem Oberbürgermeister, der aus unseren Reihen kommt, voranzubringen. Das hat uns ganz gutgetan, nicht in dieses alte SPD-Muster einzusteigen, sondern nach vorne zu blicken, oft staatstragend zu sein und manche Dinge abzulegen. Das war ja auch die Kunst in diesem Stadtrat, dass wir allen, auch der CSU, in der Verantwortung gesehen haben und gesagt haben, wir müssen die Inhalte sowie Themen voranbringen. Da muss das Parteiliche ein bisschen zurückstehen.

O-T(h)öne: Was glauben Sie, ist jetzt das Profil der SPD in der Öffentlichkeit?

De Lapuente: Dass wir schon investiert haben in diese Stadt, was uns Kollegen aus anderen Parteien immer wieder vorwerfen. Wir haben investiert in Personal, damit diese Stadtverwaltung eine Beschleunigung bekommt, im Bereich der Bildung. Das heißt im Schulbau und im gesamten Themenfeld Bau. Es gab früher immer die Aussagen, wir würden ja gerne mehr bauen, aber wir haben das Personal nicht. Natürlich hat das einen Zusammenhang. Wir haben in diesen Bereichen, wo es um Schulen, um Neubau, aber auch um Sanierungen geht, Personal aufgebaut, damit da deutlich mehr Zug reinkommt. Wir haben soziale Themen angeschoben, wie bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Klinikum, die jetzt wieder nach dem TVÖD bezahlt werden. Das war eine der ersten Entscheidungen im Stadtrat, bei der nicht klar war, ob wir eine Mehrheit bekommen. Wir haben uns da aber ganz stark gemacht. Wir haben, glaube ich, das Profil, dass wir im Bereich der Bildung, im Bereich des Sozialen, aber auch im Bereich des Wirtschaftlichen, auch im Bauen bei der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft, wenn ich betrachte, was an Projekten aus dem Boden gestampft worden ist, schon gute, inhaltliche Sachpolitik gemacht. Es ist natürlich so, was ein Oberbürgermeister heute beschließt, sieht man erst in zehn Jahren irgendwo entstehen. Ein Nachfolger wird Projekte, die beschlossen wurden, umsetzen. Es gibt fast keine Projekte, die in zwei Jahren aus dem Boden gestampft werden. Allein das Ausschreibungsverfahren läuft dann schon gefühlt zwei Jahre.

O-T(h)öne: Sie sagen, es ist Frieden eingekehrt in der Ingolstädter SPD, wir streiten nicht mehr. Dazu eine These: Wenn ich in der Regierungsverantwortung bin, ist der Zwang zusammenzuhalten wesentlich größer, als wenn ich in der Opposition bin. Macht stellt ruhig.

De Lapuente: Ich glaube, dass wir ganz klar gesehen haben, dass wir Verantwortung übernommen haben. Macht haben wir keine, wir sind mit dem Oberbürgermeister zusammen zehn Stimmen von 51 Stimmen. Wer da an Macht denkt, der ist blauäugig. Wir haben nur Macht, wenn wir mit der CSU, mit den Grünen oder anderen Parteien wie UWG, ÖDP, den Linken eine Mehrheit finden. Wir haben allerdings Verantwortung. Verantwortung macht Ruhe in dem eigenen Laden. Wir haben in den letzten vier Jahren zeigen können, dass uns diese Verantwortung bewusst ist. Manchmal wäre es vielleicht als Fraktionsvorsitzender einfacher, 30 Stimmen in diesem Stadtrat zu haben, dann wären manche Dinge leichter durchzubringen, aber mit zehn Leuten ist an Macht gar nicht zu denken.

O-T(h)öne: Gibt es durch das Suchen nach Kompromissen im Stadtrat manchmal auch bessere Entscheidungen als in der zunächst vorgesehenen Sitzungsvorlage?

De Lapuente: Es gibt oft Stadtratssitzungen, bei denen ich noch gar nicht weiß, wie die Entscheidung ausgeht. Wenn in der Abstimmung eine Mehrheit vorhanden ist, da man drei Tage hat, andere Parteien mitzunehmen, ist das schon etwas Befriedigendes, das muss man ehrlicherweise sagen. Weil man um die Mehrheit gerungen hat und das niemand im Livestream mitbekommt. Wenn bei einer Entscheidung ein Ergebnis von 30 zu 21 herauskommt, ist das etwas, was mich in dieser Arbeit beflügelt: um ein Thema zu ringen, eine Mehrheit zu finden. Das ist das, was ich früher vielleicht als Industriemechaniker gelernt habe: Am Ende des Tages steht da eine tolle Maschine, die man anschauen kann. Bei mir ist es jetzt so, dass man ein Thema hat, das man durch den Stadtrat gebracht hat, weil es der Stadtgesellschaft guttut.

O-T(h)öne: Ich versuche es noch einmal. Eine Sitzungsvorlage geht raus. Es muss ein Kompromiss geschlossen werden. Dabei fließen nochmal andere Gesichtspunkte ein. Kann es dann sein, dass manche Sitzungsvorlage dadurch besser wird, als wenn man sie im Stadtrat nur durchgewunken hätte?

De Lapuente: Ab und zu habe ich den Eindruck, wenn ich einen Kompromiss finde, gehe ich auch von meiner Position ein bisschen weg. Das heißt, es ist ein Kompromiss, ich hätte es anders besser gefunden. Wäre der Kompromiss nicht gefunden worden, wäre vielleicht gar nichts davongekommen. Deswegen glaube ich, dass ein Kompromiss oft noch besser ist als gar nichts. Ich finde, bei den Kompromissen, die wir im Stadtrat gefunden haben, hat sich keine Partei verstecken müssen. Natürlich gibt man ein bisschen davon ab, wenn man von einer anderen Überzeugung abweicht, wenn man sagt, wir brauchen an dieser Stelle eine Million Euro und dann den Kompromiss auf 750.000 Euro reduziert. Es ist ein Kompromiss, bei dem man nachher sagt, mit der Million hätte man mehr anfangen können, das wäre für dieses Projekt ganz gut gewesen. Trotzdem muss man froh sein, dass dieses Projekt nicht gestorben ist, sondern eine Mehrheit gefunden hat.

O-T(h)öne: Wenn Sie jetzt auf Ihre vier Jahre im Stadtrat zurückblicken, blicken Sie ja auch auf vier Jahre Fraktionsvorsitz zurück. Haben Sie in der Zeit politische Fehler gemacht, wenn ja, welche?

De Lapuente: Ich glaube, Fehler habe ich definitiv nicht gemacht. Vielleicht hätten wir bei manchen Themen anders herangehen müssen. Wir haben auch manchmal keine Mehrheit gefunden. Dann darf man nicht drei Jahre lang debattieren. Man muss die andere Mehrheit dann aber auch akzeptieren und sagen, vielleicht probiere ich es in fünf Jahren nochmal bei dem Thema, vielleicht denkt der Stadtrat dann anders. Deswegen wären wir bei manchen Dingen vielleicht anders herangegangen, aber Fehler sehe ich jetzt keine.

O-T(h)öne: Sie haben es gerade angedeutet, dass manche Punkte vielleicht nicht so gelaufen sind, wie Sie sich das gewünscht haben. Was wären denn die Punkte im Stadtrat, wo Sie sagen würden, da würde ich anders abstimmen?

De Lapuente: Wenn ich ehrlich bin, gibt es da keinen. Sie wissen, dass ich bei der Sonntagsöffnung natürlich immer den Sonntagsschutz im Mittelpunkt stelle. Ich stelle aber auch fest, dass die Mehrheit des Stadtrats das wegen der Innenstadtbelebung anders sieht. Ich habe da immer auch Verständnis für die andere Seite und trotzdem habe ich meine eigene Positionierung dazu, wie man mit Sonntagsschutz und Arbeitnehmerschutz umgeht, aber ich hätte nicht anders gestimmt. Es gibt keine Entscheidung, bei der ich sage, da hätte ich anders gestimmt.

O-T(h)öne: Was würden Sie künftig grundsätzlich als gewählter Oberbürgermeister anders machen als Ihre beiden Amtsvorgänger?

De Lapuente: Ich mache gerne meine Politik, das ist mein Leben geworden. Ich will in die Politik viel Energie mit reinbringen, das haben sicherlich beide Oberbürgermeister davor auch gemacht, aber dadurch, dass ich nicht diese familiäre Bindung beziehungsweise Kinder habe, werde ich natürlich in der Stadtgesellschaft schon nochmal sehr präsent sein. Ich bin jetzt schon präsent bei vielen Terminen. Ich weiß, dass für viele Kollegen die Stadtratstätigkeit vielleicht schwieriger mit Beruf und Familie zu vereinbaren ist. Ich will diese Präsenz auch als Oberbürgermeister den Bürgerinnen und Bürgern weitergeben.

O-T(h)öne: Wie wollen Sie als gewählter Oberbürgermeister, vermutlich ohne eigene Mehrheit, nach der Kommunalwahl im März 2026 den Stadtrat hinter sich versammeln?

De Lapuente: Naja, da ist es ja so, dass natürlich dann die zweite und dritte Bürgermeisterstellen wieder zu besetzen sind, somit müssen wir auch wieder Mehrheiten in diesem Stadtrat finden. Das zeichnet sich dann schon in einer der ersten Sitzungen ab, wo sich die Mehrheiten hinverlegen. Eine Bürgermeisterin, ein Bürgermeister wird natürlich nur gewählt, wenn es auch eine Mehrheit dazu gibt. Das ist der erste Schwur, der 2026 kommt und ich versuche schon mit allen politischen Kräften wieder einen Konsens zu finden. Ich glaube, dass die Grünen, die CSU, aber auch andere Parteien, die kleiner in diesem Stadtrat sind, Verantwortung übernehmen. Das hat ja auch in der letzten Stadtratsperiode gezeigt. Vielleicht noch einen Satz. 2020, als OB Scharpf gewählt worden ist, habe ich die Koalitionsverhandlungen damals geführt. Das war alles zu Corona, wir waren dauernd am Bildschirm. Teilweise zwölf Stunden habe ich mit allen Parteien Gespräche geführt. Wie könnten wir denn zusammenarbeiten, welche Themen, wir haben ein Papier zusammengestellt und dann kam die Entscheidung zusammen, zweite Bürgermeisterin an die CSU, dritte an die Grünen. Das war ein Kompromiss aus vielen Parteien. 2020 habe ich auch zeigen können hinter den Kulissen, das ist halt der Fraktionsvorsitzende der Partei des Oberbürgermeisters, der diese Stricke versucht hat zu ziehen, um eine sichere Mehrheit in diesem Stadtrat zu bekommen.

O-T(h)öne: Die ja wohl mit der CSU nicht ganz so geklappt hat, wie man sich das vorgestellt hat.

De Lapuente: Ich finde, dass wir mit der CSU sehr gut zusammenarbeiten und dass die CSU sicherlich bei 60 bis 70 Prozent bei den Dingen auch mitgeht, wo wir einen gemeinsamen Nenner finden. Mit der Bürgermeisterin ist diese Partei an der Stadtspitze mitvertreten, das vergisst die CSU ab und zu. Die CSU-Bürgermeisterin hat ja jetzt auch nochmal deutlich gesagt, dass sie zur Stadtspitze mit dazuzählt und die Angriffe ihrer eigenen Partei als unwürdig findet, wenn man an der Stadtspitze vertreten ist und dann versucht, Dinge kommunalpolitisch auszuschlachten. Ich glaube, dass auch nochmal wichtig, dass man schon nochmal klar sagt, wir haben alle Verantwortung für die Stadt und im Besonderen die Parteien, die an der Stadtspitze vertreten sind.

O-T(h)öne: War das Angebot an die CSU im Jahr 2020, die Bürgermeisterposition zu besetzen, an zwei bestimmte Namen gebunden?

De Lapuente: Ja, es hat natürlich Gespräche gegeben, wie man die Stadtspitze besetzt. Es hat Gespräche gegeben für einen Neuanfang. Es war schon so, dass man gesagt hat, aus der CSU den und den und den akzeptieren wir nicht. Das gab es auch von Seiten der CSU im Hinblick auf die 2. Bürgermeisterin der Grünen. Natürlich hat man Gespräche über die Personen geführt. Klar war, dass 2020 ein politischer Neuanfang kommt. Der politische Neuanfang wäre wahrscheinlich mit Vertretern an der Stadtspitze, die davor Verantwortung hatten, schwierig gewesen. Alfred Grob war damals Fraktionsvorsitzender, der hat die Gespräche mit uns geführt und ich glaube auch, dass das intern für die CSU irgendwie klar war. Ein Neuanfang mit den Kräften, die im Rathaus davor waren, wäre wahrscheinlich schwierig geworden, selbst für die Personen, die damals Verantwortung gehabt haben. Es hätte schon mehrere Personen innerhalb der CSU gegeben, wo die anderen gesagt hätten, das können wir uns gut vorstellen. Ich bin ganz glücklich mit der Frau Bürgermeisterin Denke-Stoll, weil sie für das Rathaus eine Bereicherung ist.

O-T(h)öne: Im Land die politische Tendenz, dass mehr Wählerinnen und Wähler extrem rechts wählen. Dies bei wirtschaftlich sehr schwierigen Rahmenbedingungen. Politik ist sehr unübersichtlich geworden in Bezug auf Entscheidungen und Entscheidungsprozesse. Es fällt oft auch Politikern, die es möchten, sehr schwer Entscheidungsprozesse und Entscheidungen transparent zu machen. Dazu eine These: Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit ist ein ganz wesentlicher Faktor, um unsere Demokratie zu sichern. Was würden Sie als Oberbürgermeister in Bezug auf die Transparenz gegenüber der Bürgerschaft anders machen, als es jetzt schon stattfindet?

De Lapuente: Ich glaube, dass wir sehr transparent arbeiten in diesem Stadtrat. Wir haben Sitzungen, der öffentliche Teil ist der Schwerpunkt der Sitzungen. Wir diskutieren wirklich, wenn es auch Themen sind, die in der Nicht-Öffentlichkeit sind, weil es vielleicht mit Zahlen, mit personellen Dingen verbunden ist, ob man den Tagesordnungspunkt teilt in einen öffentlichen Teil und einen nichtöffentlichen. Was vom Gesetz her geschützt ist, können wir gar nicht öffentlich diskutieren. Diesen transparenten Prozess, den sollte man immer sich ansehen und sagen, was darf, was muss in einer Stadtratssitzung öffentlich diskutiert werden, und ich glaube, da bin ich ganz nah dran. Ich möchte es aber zu Ihrer Fragestellung sagen, weil es mich schon berührt, dass, wenn gerade hier in der Region die Angst um Arbeitsplätze da ist und diese berechtigt ist, Menschen sagen, ich vertraue das diesen Parteien nicht mehr an, sondern ich rutsche nach rechts ab. Die AfD ist dann die erste Partei, die sich anbietet und sagt, Mensch, wir haben eure Sorgen erkannt. Ich glaube, das ist zu kurz gedacht und dass die Menschen gar nicht wissen, dass diejenige Partei, die sie als Alternative sehen, die Probleme sicherlich nicht in den Griff bekommen. Gerade in der Stadt hier, diese CSU, diese SPD, diese grüne Partei, die Probleme erkennen und deutlich besser dran sind an Entscheidungen, an Entscheidungsprozessen, dass es hier vorangeht und nicht, dass das eintrifft, was keiner will, dass es wirtschaftlich nach unten geht.

Quelle: Eigene Berichterstattung

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