Der Nachrichtenportal O-T(h)öne führte ein langes und ausführliches Gespräch mit dem Oberbürgermeisterkandidaten des Wahlbündnisses aus SPD, Grünen, Linken, ÖDP und UWG. Lesen Sie heute den ersten Teil.
O-T(h)öne: Herr De Lapuente, Sie sind der OB-Kandidat eines Wahlbündnisses, Vorsitzender der Ingolstädter SPD, DGB-Organisationssekretär und Geschäftsführer eines Gastronomiebetriebes. Habe ich etwas vergessen?
De Lapuente: Ich bin Vorsitzender eines Sportvereins und das ist natürlich eine ganz tolle Aufgabe.
O-T(h)öne: Sie sind gelernter Industriemechaniker.
De Lapuente: Ich stehe dazu, ich habe einen qualifizierten Hauptschulabschluss. Das ist meine Berufsausbildung.
O-T(h)öne: Sie haben fünf Jahre im erlernten Beruf gearbeitet, in dem Unternehmen, in dem Sie die Ausbildung gemacht haben, und anschließend waren Sie dort freigestellter Betriebsrat. Danach sind Sie zum DGB gewechselt. Wie vereinbaren Sie die vielen zuvor genannten Aufgaben bei einer Vollzeitbeschäftigung beim Deutschen Gewerkschaftsbund als Organisationssekretär? Sie haben ja auch nur einen 24-Stunden-Tag.
De Lapuente: Ja, das stimmt, es ist mein Alltag. Ich habe einen 14- bis 16-Stunden-Tag. Ich verlasse um sieben Uhr morgens das Haus und komme um zehn Uhr spät wieder heim. Der DGB ist mein Arbeitgeber und das ist natürlich meine Haupttätigkeit. Dafür bin ich auch unterwegs hier in der Stadtgesellschaft und nebenbei ist natürlich die Politik ein großes Feld geworden. Aber auch die Aufgabe im Sportverein mit dem Restaurant, das ist natürlich eine wichtige Aufgabe. Ich habe einmal etwas Anständiges gelernt. Industriemechaniker, das ist mir immer ganz wichtig. Ich habe ein Berufsbild, das einfach zeigt, dass man mit Menschenhänden etwas machen kann, und ich setze das auch in meinen täglichen Dingen um, die vielleicht nicht mehr an der Maschine sind. Dinge umzusetzen, am Ende des Tages etwas geschaffen zu haben, das ist, was ich aus meinem Berufsbild mitgenommen habe und mir auch in der heutigen Arbeit immer noch ganz wichtig ist.
O-T(h)öne: Stellt der DGB Sie für politische Tätigkeiten frei, bekommt dieser dann einen Lohnersatz für Ihre Abwesenheit vom Arbeitsplatz?
De Lapuente: Wie jedes andere Stadtratsmitglied auch bekommt der Arbeitgeber für die Zeit der Freistellung eine Lohnersatzleistung. Wenn ich jetzt im Wahlkampf unterwegs bin, muss ich Urlaub nehmen oder Überstunden einbringen, beispielsweise wenn ich frühzeitig meinen Arbeitsplatz beim DGB verlasse. Der Wahlkampf ist eine besondere Herausforderung, dazu bringe ich mehr Urlaub ein. Der Wahlkampf wird kurz sein, drei Monate bald nur noch, und somit ist das alles machbar.
O-T(h)öne: Sie sind erst seit dem Jahr 2020 im Stadtrat, es ist Ihre erste Amtsperiode. Sie haben jetzt viereinhalb Jahre hinter sich, mit einer steilen Karriere für einen Newcomer. Sie sind gleich zum Fraktionsvorsitzenden gewählt worden, ohne dass Sie die Verwaltungsstrukturen im Stadtrat kannten oder in der Stadtratstätigkeit Erfahrung gesammelt haben. Jetzt wollen Sie gleich den nächsten großen Karrieresprung nehmen und Oberbürgermeister einer Stadt werden, die sich in einigen Jahren in Richtung 160.000 Einwohner bewegt. Warum trauen Sie sich das zu?
De Lapuente: Naja, kommunalpolitisch bin ich nicht ganz unerfahren. Ich erhalte nächste Woche eine Auszeichnung vom Freistaat für 20 Jahre kommunalpolitische Tätigkeit. Ich war 18 Jahre lang in einem Bezirksausschuss mit dabei, davon auch sechs Jahre als Stellvertreter. Die letzten vier Jahre war ich intensiver in der Kommunalpolitik tätig, mit der Stadtratsarbeit. Wenn man als Fraktionsvorsitzender sehr eng mit den Oberbürgermeistern zusammenarbeiten darf, dann glaube ich, kann man in den vier Jahren einen guten Einblick bekommen, was auf einen zukommt. Mir wird oft die Frage gestellt: Trauen Sie sich denn zu, Oberbürgermeister dieser wachsenden Stadt zu sein? Meine Antwort: Ja, weil es ganz wichtig ist, dass in dieser herausfordernden Zeit, mit allem, was auf die Stadt zukommt, diese nicht gespalten, sondern in diesem Rathaus ein Miteinander gefunden wird. Für dieses Miteinander habe ich mich die letzten vier Jahre eingesetzt. Wir haben zehn Parteien in diesem Stadtrat. Wir haben oft Mehrheiten gebraucht, überparteilich, vom linken Mitte-Lager bis zum CSU-Lager natürlich hinweg. Ich glaube, ich bin dafür bekannt, dass ich eine Zusammenarbeit aller Parteien, außer mit der AfD, als SPD-Fraktionsvorsitzender gesucht habe. Ich bin dafür bekannt, dass ich eine große Mehrheit in diesem Stadtrat immer wieder verbinden kann.
O-T(h)öne: Für Sie war es ein Vorteil, als Fraktionsvorsitzender einen SPD-Oberbürgermeister zu haben. Der kurze Draht ins Rathaus hat Ihnen die Arbeit leicht gemacht.
De Lapuente: Natürlich, aber das Schöne bei unserem Oberbürgermeister ist, dass er es für alle leichter macht. Wenn ein Franz Wöhrl, CSU-Fraktionsvorsitzender, an den Oberbürgermeister anruft, dann ist er genauso erreichbar wie für den SPD-Fraktionsvorsitzenden. Das war das Schöne bei Christian Scharpf, dass er nicht ans Telefon gegangen ist nach dem Parteibuch, sondern er ist ans Telefon gegangen, weil er die Leute und die Menschen und alle Parteien übergreifend schätzt, mit denen er zusammenarbeiten will.
O-T(h)öne: Warum wollen Sie Ingolstädter Oberbürgermeister werden?
De Lapuente: Ich bin in die Politik gegangen, alle meine ganzen Berufsbilder, mein TSV, alles, was ich so über die letzten Jahre immer wieder übernommen habe, waren große Herausforderungen. Mich schrecken Herausforderungen, große Herausforderungen, nicht ab. Ich glaube, wir kommen in eine schwierige Zeit, auch als Stadt Ingolstadt. Wir haben goldene Zeiten hinter uns mit dem größten Gewerbesteuerzahler. Es kommen schwierige Zeiten auf uns zu und ich drücke mich nicht vor Verantwortung. Ich habe einen tollen Job, ich habe tolle Aufgaben, mir macht alles Spaß. Ich mache jeden Tag gerne meine Arbeit. Es gibt keinen Tag, wo ich sage, um Gottes willen, heute ist es wieder viel. Nein, ich mache es gerne, weil ich gerne Verantwortung übernehme, weil ich verändern will und etwas vorwärtsbringen möchte. Ich glaube, wieder zurück in die Vergangenheit in diesem Rathaus, das würde dieser Stadt nicht guttun, und deswegen kandidiere ich als Oberbürgermeister.
O-T(h)öne: Als Oberbürgermeister hätten Sie Personalverantwortung gegenüber einer Vielzahl von Mitarbeitenden. Sie wären oberster Dienstherr. Wie viele Mitarbeiter hatten Sie bisher maximal in Ihrer Verantwortung?
De Lapuente: Einen Verein zu führen mit über 1000 Mitgliedern heißt natürlich, Verantwortung zu tragen, mit vielen ehrenamtlichen Kräften. Ehrenamtliche zu motivieren ist auch nicht immer ganz einfach. In der Gastronomie habe ich 27 sozialversicherungspflichtige Kräfte. Mit dabei sind Minijobber, Teilzeitkräfte und Vollzeitkräfte. Ich habe zwei Herzen in meiner Rolle als Geschäftsführer der Gastronomie. Ich bin einmal natürlich verantwortlich, dass die Geschäfte laufen, dass alles so gezahlt werden kann, wie es notwendig ist, und natürlich weiß ich ganz genau, dass Beschäftigte Anspruch auf einen Tarifvertrag haben. Ich glaube, diese zwei Herzen tun auch ganz gut, und als Oberbürgermeister der Stadt Ingolstadt, als oberster Dienstherr, aber trotzdem ganz nah bei den Beschäftigten zu sein, weil diejenigen Beschäftigten tagtäglich die Arbeit machen, dass das Rathaus und die Stadt hier funktionieren kann.
O-T(h)öne: Wann ist Ihre persönliche Entscheidung gefallen, Oberbürgermeisterkandidat werden zu wollen?
De Lapuente: Ein paar Wochen bevor es an die Öffentlichkeit ging, hatte ich natürlich ein vertrauensvolles Gespräch mit Oberbürgermeister Scharpf, der über seine möglichen Schritte informiert hat. Dann überlegt man schon, wie man in dieser schwierigen Situation weitergeht. Es ist ja kein Geheimnis, dass keiner aus der SPD einen Jubelschrei gemacht hat. Ganz im Gegenteil, die Wunden waren schon tief. In unserer Partei war das schwierig, gerade die Wochen, bevor es an die Öffentlichkeit ging und bevor es auch parteiintern diskutiert wurde. Das war schon eine schwierige Zeit, die mich auch stark belastet hat, in der Frage, wie man jetzt weiter in dieser schwierigen Situation vorgeht. Trotzdem haben weder ich noch die Kolleginnen und Kollegen den Kopf in den Sand gesteckt und versucht, sich wegzuducken. Wir haben versucht, einen Weg zu finden, wie wir das, was OB Scharpf begonnen hat, die Veränderung der Stadtpolitik, ein Miteinander in diesem Rathaus zu schaffen, nicht an den Haken zu hängen, sondern einen Weg des Miteinanders zu finden. Dieser zeigt sich nun in fünf Parteien, die sich zusammengefunden haben, selbst vielleicht ein bisschen zurückgesteckt haben, weil ihnen eins wichtiger ist: dass diese Kultur in diesem Rathaus, der gemeinsame Weg, weitergeht und nicht in eine Sackgasse läuft.
O-T(h)öne: Was qualifiziert Sie konkret, Ingolstädter Oberbürgermeister zu werden?
De Lapuente: Ich glaube, dass es in der heutigen Zeit wichtig ist, nicht zu spalten, sondern alle Menschen mitzunehmen, im Stadtrat mitzunehmen, aber auch die Beschäftigten mitzunehmen und die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen. Das Wichtigste ist natürlich die Zusammenarbeit im Stadtrat. Wenn gute Sachpolitik egal von welcher Partei kommt, dann muss ein Oberbürgermeister das verbinden können und ich glaube, dass ich dieses Bindeglied sein kann. Ein Oberbürgermeister muss nicht in jedem Thema bei 130 Prozent drin sein. Es gibt Referenten der Stadt, die in vielen Themen gut drin sind. Wir haben eine gute Referentenbank. Der Oberbürgermeister muss den Überblick haben, er muss die Führung haben, er muss den Weitblick haben für diese Stadt und den kann ich mitbringen.
O-T(h)öne: Es gibt neben Ihnen noch mehrere Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl, trotz des Wahlbündnisses. Warum soll der Wähler, die Wählerin Christian De Lapuente wählen?
De Lapuente: Ich habe es ja schon angedeutet, wenn man möchte, dass in diesen herausfordernden Zeiten ein Miteinander in diesem Stadtrat abgebildet wird, stehe ich dafür. Ich habe keinen bis jetzt gehört, der sagt, wir möchten wieder so einen Stadtrat wie vor 2020. Höre ich keinen. Selbst bei den Beschäftigten, bei den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch in den Parteienlagen. Keiner sagt, wir wollen da zurück. Das sagt ja nicht mal die CSU. Die CSU sagt auch, wir möchten so einen Stil wie ihn OB Scharpf eingeführt hat, auch übernehmen. Dann muss man das Original wählen und das Original ist dann quasi in Reihen der SPD, die auch den OB Scharpf gestellt hat. Dann muss man die wählen, die diesen Umgang über die letzten vier Jahre in diesem Stadtrat gepflegt haben. Die bewiesen haben, dass sie eben nicht spalten wollen, sondern dass sie parteiübergreifend zusammenarbeiten wollen.
O-T(h)öne: Wenn man Verlautbarungen von Stadtratsmitgliedern zum vorherigen Oberbürgermeister Christian Lösel anschaut, wie „sein Comeback wäre eine Katastrophe für den Stadtrat“, liest sich das, als sei Lösel das personifizierte Böse für viele Stadtratsmitglieder. Warum ist das so?
De Lapuente: Ich persönlich kann ja mit Christian Lösel ganz gut. Ich glaube, dass man immer unterscheiden muss, in welcher Funktion wer drin sitzt, als Oberbürgermeister oder als Stadtrat. Ich glaube, dass jeder immer in die Stadtpolitik auch etwas Positives mit einbringt. Aber natürlich gibt es die Stimmen aus den Zeiten vor 2020. Sie haben es angesprochen, da war ich noch nicht dabei, im Stadtrat. 2020 war ein Kulturwandel im Stadtrat. Ich stehe für diesen neuen Stil, ich möchte auch nicht in dieses alte Strickmuster wie vor 2020 rein. Die damalige Stadtspitze hat 2020 Verantwortung für die Situation getragen und muss die Verantwortung übernehmen, dass die Stimmung auch so war. Die Stimmung hat sich jetzt deutlich verbessert. Da sollte man dranbleiben und nicht versuchen, wieder in die Vergangenheit zurückzukehren.
O-T(h)öne: Es fällt stark auf, dass die ganzen Wahlaussagen sich auf die zurückliegende Wahlperiode konzentrieren, auch Ihre. Das Wahlbündnis sagt nur, wir wollen nicht zurück vor 2020. Ich erlebe Wählerinnen und Wähler, die sagen, mir ist völlig egal, was im Stadtrat vor 2020 los war. Ich möchte inhaltliche Schwerpunkte hören, wo will die Politik in Ingolstadt hin? Kann man tatsächlich mit dem ewigen, tibetanischen, gebetsmühlenartigen Wiederholen, wie schlimm es mit dem vorherigen Oberbürgermeister war, eine Wahl gewinnen?
De Lapuente: Das eine schließt ja das andere nicht aus. Wenn die Zusammenarbeit im Stadtrat nicht läuft und sie nicht funktioniert, dann werden die Themen auch nicht angeschoben. Ich glaube, dass in den letzten vier Jahren inhaltlich in diesem Stadtrat viel passiert ist. Wir sind vom Krisenmodus gestartet, 2020 mit Corona, dann kam die Energiekrise, wir haben eine Wirtschaftskrise mit drin. Trotzdem steht die Stadt immer noch finanziell ohne Schulden da. Jetzt sieht es dann anders aus. Die Schuldenaufnahme wird kommen, das ist jedem bewusst. Die Gewerbesteuer bricht ein. Trotzdem ist viel in den Jahren passiert im Bereich der Bildung, im Bereich der Schulen und eine Theaterlösung wurde gefunden. Das große Haus kann in ein Holztheater umziehen. Alles Dinge, die einfach nur wegen der Gemeinsamkeit im Stadtrat passiert sind. Deswegen hat die Stimmung im Stadtrat schon eine Auswirkung, wie die Themen dort bearbeitet werden. Deswegen glaube ich, dass es diesem Stadtrat sehr gutgetan hat, sich auf die sach- und inhaltliche Diskussion zu konzentrieren und nicht über den Umgang.
O-T(h)öne: Ich stelle eine These in den Raum: Oberbürgermeister Scharpf hätte im Stadtrat gar nicht anders auftreten können, als er dies getan hat, da er nur neun Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten als eigene Mehrheit hinter sich gehabt hat. Wäre er mit dem Führungsstil „top-down“ aufgetreten, wäre er gescheitert.
De Lapuente: Ja, er hat so führen müssen, wie er geführt hat, definitiv. Das hat ja bewiesen, dass das der richtige Weg ist. Ich glaube, diesen Führungsstil, den braucht man immer in der Politik, auch wenn man eine absolute Mehrheit hat oder zwei Parteien diese Mehrheit haben. Es ist sinnvoll, nicht durchzuregieren und zu sagen, die Mehrheit ist ja gesichert. Vor Stadtratssitzungen war es oft so, dass wir einen Tag davor noch nicht gewusst haben, ob wir für die vorliegende Sitzungsvorlage eine Mehrheit finden. Es wurden 24 Stunden vor einer Stadtratssitzung noch unzählige Gespräche geführt, mit Franz Wöhrl, dem CSU-Fraktionsvorsitzenden. Es gab fast eine Standleitung, um zu klären, wie kommen wir ans Ziel, können wir da noch irgendwas machen? Wir haben bestimmt in 80 Prozent der Fälle so eine Stadtratsmehrheit zusammengebracht, damit manche Parteien mitgehen konnten, weil sie sagten, ja, da finden sich unsere Positionen jetzt auch in der Sitzungsvorlage wieder. Das hat diesem Stadtrat so gutgetan. Selbst kleine Parteien wie JU oder FDP waren in manchen Fragen noch mitzunehmen, wenn sie sich wiedergefunden haben.
Quelle: Eigene Berichterstattung.
Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch wurde am 31. Oktober aufgezeichnet.
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