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Eine eigene JU-Liste zur Stadtratswahl überrascht das politische Ingolstadt

Eine eigene JU-Liste zur Stadtratswahl überrascht das politische Ingolstadt

Von Thomas Thöne

Überraschung und Erstaunen, so lassen sich die ersten politischen Reaktionen auf die Berichterstattung der Ingolstädter Regionalzeitung zusammenfassen, die in ihrer Wochenendausgabe darüber berichtete, dass die Junge Union (JU) in Ingolstadt, die Nachwuchsorganisation der CSU, bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr mit einer eigenen Stadtratsliste antritt.

Dies war auch das beherrschende Thema beim regelmäßig stattfindenden samstäglichen Elf-Uhr-Treffen in Vronis-Ratschhaus. Hier gingen allerdings die Meinungen auseinander, ob dies ein geplanter Coup der Ingolstädter CSU sei, oder ob die Mutterpartei von der Nachwuchsorganisation durch diesen Schritt überrascht wurde.

Deutlich positionierter sind die Reaktionen aus der Ingolstädter Kommunalpolitik.

 "Wann kommt eigentlich die Seniorenliste der Senioren-Union -

Wann kommt die Frauenliste der Frauen-Union?"

Der designierte Ingolstädter SPD-OB-Kandidat, Christian Scharpf, postet auf seiner Facebookseite: "Die CSU gibt also das Ziel auf, junge Menschen für sich zu gewinnen und betreibt listenmäßig ein Outsourcing der Jugend. Interessantes Signal! Ein Schlag ins Gesicht der CSU dürfte es aber wohl kaum sein, denn die Tatsache, dass CSU-Partei- und Stadtspitze sich dazu im DK überhaupt nicht äußern deutet darauf hin, dass das Vorgehen intern abgestimmt ist. Dass kein - eigentlich zu erwartender - Aufschrei aus der Mutterpartei erfolgt, bestätigt die Vermutung, dass CSU und JU aus wahltaktischen Erwägungen mit eigenen Listen ins Rennen gehen, um nach der Wahl in einer Fraktionsgemeinschaft wieder gemeinsame Sache zu machen. Das als Vorwurf gemeinte Wort "Tarnliste" ist da ja geradezu unzutreffend, denn hier wird gar nichts getarnt, sondern es ist ganz offensichtlich, dass die Konkurrenz nur der Form halber besteht. Letztlich und im Ergebnis bleibt alles eine schwarze Soße." In einem weiteren Posting schreibt Scharpf: "CSU, noch eine Frage: Die Gesellschaft wird ja auch immer älter: Wann kommt eigentlich die Seniorenliste der Senioren-Union? Und die Wichtigkeit des Themas Gleichberechtigung und Frauenförderung brauche ich nicht zu betonen: Wann kommt die Frauenliste der Frauen-Union?"

 "Die Ingolstädter CSU kann es nun nicht mehr verheimlichen vor einem Scherbenhaufen zu stehen"

tadtrat Christian Lange, OB-Kandidat der BGI, erklärt zur geplanten JU-Liste: "In meinen Augen ist die Gründung der neuen JU-Liste eine schallende Ohrfeige für Oberbürgermeister und 2. Bürgermeister und bestätigt meine Einschätzung, dass die beiden schon lange den Kontakt zu den Menschen in Ingolstadt verloren haben: Markus Meyer ist in dieser Wahlperiode das fünfte Fraktionsmitglied, dass die CSU-Stadtratsfraktion damit verliert. Die Ingolstädter CSU kann es nun nicht mehr verheimlichen, dass es innerhalb der Stadtratsfraktion zu einem nicht mehr wieder gut zu machenden Zerwürfnis gekommen ist und diese Partei nach fast 50 Jahren "Regierungszeit" vor einem Scherbenhaufen steht. Mehr und mehr distanzieren sich Mitglieder der Fraktion und auch der Partei - auch im persönlichen Gespräch mit mir - von der politischen Spitze unserer Stadt. Die Themen, die von den jungen CSU-Mitgliedern genannt werden, sind für die Menschen in unserer Stadt wichtig und werden jetzt hoffentlich vermehrt in den Fokus unserer Stadtratsarbeit gerückt."

 

Die JU-Liste war heute auch Thema in Vronis-Ratschhaus. Foto: Thomas Thöne

 "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die jungen Pferde ohne Erlaubnis der Eltern los galoppieren dürfen"

Auch Grünenstadtrat Christian Höbusch positioniert sich klar: "Die Ankündigung einer eigenen JU-Liste für die kommende Kommunalwahl unter Führung von Stadtratskollegen Markus Meyer ist kein wirklich emanzipatorischer Akt. Vielmehr ist sie aus meiner Sicht ein Versuch der C-Partei durch zielgerichtetere Ansprache der jungen Wähler*innen-Generationen die Sicherung der Macht und Mehrheit zu betreiben. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die jungen Pferde ohne Erlaubnis der Eltern los galoppieren dürfen. Frau/Mann stelle sich - rein theoretisch - mal vor, dass die JU-Liste, wenn es wirklich inhaltlich bedeutende Unterschiede zur C-Partei gibt, in Opposition zur C gehen würde. Für eine ernsthafte inhaltliche Beurteilung ist der DK-Artikel allerdings noch zu wenig aussagekräftig."

 "Ich bin jedoch sicher, dass das Schanzer Wahlvolk sich nicht für dumm verkaufen lässt"

Der am vergangenen Mittwoch neu gewählte stellvertretende Ingolstädter ÖDP-Kreisvorsitzende, Fred Over, äußert sich ebenfalls auf Facebook: "Schon interessant. Die Ziele der Tarnliste sind Verjüngung und Klimawechsel im Stadtrat. Warum geht das nicht innerhalb der Mutterpartei? Sollte es wirklich drauf ankommen, wird die Tarnliste mit der CSU stimmen. Ich bin jedoch sicher, dass das Schanzer Wahlvolk sich nicht für dumm verkaufen lässt."

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, Jörg Schlagbauer, äußert sich auf Nachfrage: "Demokratie lebt von Vielfalt. Vielfältige Positionen ermöglichen gute Ergebnisse für die Menschen in einer Stadt. Wichtig ist mir vor allem auch junge Menschen für Politik zu begeistern und zur Wahlurne zu bringen. Dazu muss man auch mal neue und unkonventionelle Wege gehen. Diese sollten aber ehrlich gemeint sein. Politische oder wahlkampftaktische Spielchen  tragen definitiv nicht zum Kampf gegen Politikverdrossenheit bei".

 "Das Ziel dieser JU-Liste ist klar: Stimmen von jüngeren Wählern zu bekommen, die sonst wohl eher Grüne oder AfD wählen würden"

SPD-Stadtrat Robert Bechstädt sieht in der eigenständigen JU-Liste keine Strategie der Mutterpartei. Er erklärt auf Nachfrage: "Obwohl die CSU Ingolstadt von einer Verjüngung und Verweiblichung ihrer Stadtratsliste für 2020 spricht, halte ich den heute im DK vorgestellten Listenvorstoß der JU für keine „von oben“ initiierte Strategie. Die Strategen bei der CSU heißen Hermann Regensburger (nur noch graue Eminenz), Joachim Genosko (plant seinen Abschied) und Bürgermeister Albert Wittmann. Sonst kommt niemand in Frage. Das Ziel dieser JU-Liste ist klar: Stimmen von jüngeren Wählern zu bekommen, die sonst wohl eher Grüne oder AfD wählen würden. Ein Blick auf die CSU-Listenarithmetik genügt, um die Intention zu durchschauen. Der attraktive JU-Platz unter den ersten 12 gesetzten auf der CSU Stadtratsliste kann ein Bewerber in seinem Leben nur einmal bekommen. Er muss, wenn er wiedergewählt werden will, die Spitzenposition seines Ortsverbandes und damit eine der Plätze 13 bis 24 bekommen. Gelingt ihm das nicht, so bleibt ihm als „weiterer Stadtrat“ nur eine Position ab Platz 25, welche dann weniger aussichtsreich ist. Ob dies die Intention des JU-Vorsitzenden Dr. Markus Meyer war, möchte ich nicht unterstellen, kann ich aber nicht vollkommen ausschließen."

 " ... oder es ist ein Zeichen, dass sich die CSU gerade zerlegt"

BGI-Stadtrat Georg Niedermeier ist von der Nachricht der geplanten JU-Stadtratsliste überrascht. Für ihn ist noch nicht ganz klar, was dahintersteckt. "Entweder ist es der letzte Versuch der CSU sich richtig aufzustellen, oder es ist ein Zeichen, dass sich die CSU gerade zerlegt", meint der BGI-Stadtrat.

 "Taktischer Zug, in dem sich die CSU den eigenen Koalitionspartner für die anstehende Kommunalwahl bastelt"

Jürgen Siebicke, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der BGI, verweist im Gespräch auf "das tiefe innere Zerwürfnis der CSU, was durch die geplante JU-Liste deutlich wird". Gleichzeitig sieht er "einen taktischen Zug, in dem sich die CSU den eigenen Koalitionspartner für die anstehende Kommunalwahl bastelt". Deshalb bezeichnet er die JU-Liste auch "als Tarnliste der CSU". Er verweist darauf, dass die genannten Namen der JU-Liste CSU-Mitglieder sind und mutmaßt, dass "denen wohl auf der CSU-Liste kein aussichtsreicher Listenplatz angeboten worden sei".

 

 

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