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Einsparungen bei den freiwilligen Leistungen der Stadt Ingolstadt?

Einsparungen bei den freiwilligen Leistungen der Stadt Ingolstadt?

(tt) Die "Frage der Woche" bei O-T(h)öne lautet:

Im Konsolidierungsausschuss zu den städtischen Finanzen wurde von einem Stadtratsmitglied vorgeschlagen, die freiwilligen Leistungen der Stadt zu streichen. Wollen Sie auch bei den freiwilligen Leistungen Einsparungen vornehmen? Wenn ja bei welchen und in welcher Höhe?

Aus dem Ingolstädter Stadtrat wurden die Fraktionen und Gruppierungen von CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Freie Wähler, UWG, LINKE und ÖDP, am 15. Februar um eine Antwort gebeten. Nachfolgend die ungekürzten und nicht redigierten Antworten, die O-T(h)öne erreicht haben:

Christian Höbusch, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN:

Bisher hat der Konsolidierungsrat mit den Stadtratsmitgliedern nur einmal nichtöffentlich getagt. In diesem Kreis wurde auch die in Bezug genommene Aussage tatsächlich getätigt. Sacharbeit, Sachdiskussionen, Ringen um Lösungen werden aber erst noch kommen. Die Stadratsfraktion der Grünen steht grundsätzlich sehr hinter den vielfältigen freiwilligen Leistungen unserer Stadt. In den freiwilligen Leistungen kommt der Gestaltungswille, die Gestaltungskraft der Stadt, des Stadtrates am deutlichsten zum Ausdruck. Wir wollen und werden jedoch den gemeinsamen Diskussionen, dem Ergebnis der Diskussionen, unseren gemeinsamen Anstrengungen nicht vorgreifen. Die Plattform hierfür ist der Konsolidierungsrat.

Alfred Grob, Fraktionsvorsitzender der CSU:

Wurde tatsächlich gefordert, die freiwilligen Leistungen der Stadt zu streichen? Nein, sicher nicht! Vielmehr ist die Meinung der CSU-Stadtratsfraktion, dass die freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand gestellt werden müssen, um sie dann im Konsolidierungsausschuss abzuwägen - und das macht Sinn!
 
Freiwillige Leistungen oder Aufgaben sind Angelegenheiten, bei der die Kommune selbst entscheidet, ob sie tätig werden möchte oder nicht. Dies betrifft vor allem kulturelle und soziale Aufgaben, z. B. Beratungsstellen, Museen und Bibliotheken, Jugendeinrichtungen, Sportplätze und Freibäder und andere Freizeitangebote.
 
Solange die konsumtiven Ausgaben einer Stadt durch auskömmliche Einnahmen (Steuern, Gebühren) gedeckt werden und eine ausreichende Zuführung in den Vermögenshaushalt erwirtschaftet werden kann, besteht keine Veranlassung darüber nachzudenken, ob erforderliche Leistungen im freiwilligen Bereich einzusparen sind oder nicht.  Wenn sich die Haushaltssituation verschlechtert, dann sollte es allerdings die Pflicht des Stadtrates sein, darüber zu diskutieren, ob die eine oder andere freiwillige Leistung noch angebracht ist.  Aus diesem Grund wurde auch vom Stadtrat bei der Abstimmung zum Haushalt 2021 einstimmig beschlossen, einen Konsolidierungsrat einzurichten, der darüber berät, wie die städtischen Finanzen aufgefangen werden können und eine notwendige Verschuldung mittelfristig eingebremst werden kann.
 
Der Stadtrat hat im letzten Jahr viele Projekte im Bereich der freiwilligen Leistungen beschlossen, nicht zuletzt, um Wahlversprechen des amtierenden Oberbürgermeisters einzulösen. Daraus wurde ja auch seitens der SPD kein Geheimnis gemacht. Vielmehr wurde jeder mehrheitlich gefasste Beschluss von der SPD in den sozialen Medien als „versprochen – gehalten“ gefeiert.
 
Wo also, wenn nicht im freiwilligen Leistungsbereich, könnte gespart werden? Wollen wir wichtige Investitionen streichen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Fraktion oder Gruppierung Sparpläne in diese Richtung hegt. Ebenso wenig glaube ich, dass eine Steuererhöhung, wie sie Oberbürgermeister Dr. Christian Scharpf angedeutet hat, eine Mehrheit findet. Die CSU spricht sich eindeutig gegen Steuererhöhungen aus.
 
Also bleibt nur eine Möglichkeit: Wir müssen einen bedeutenden Teil der freiwilligen Leistungen bündeln und darüber im Stadtrat diskutieren, was wir uns noch leisten können, wollen oder müssen. Das kritische Hinterfragen muss jedem verantwortungsbewussten Stadtrat erlaubt sein und darf nicht von vorne herein blockiert werden. Wenn wir von den Bürgerinnen und Bürgern ernst genommen werden wollen, dann müssen wir auch unliebsame Diskussionen über mögliche Sparmaßnahmen zulassen und konstruktiv über Parteigrenzen hinweg zusammenarbeiten. Geschenke verteilen geht leicht von der Hand, gemeinsam lieb Gewonnenes zu kürzen oder zu  streichen, ist eine Herkulesaufgabe.

Christian Lange, Vorsitzender der UWG-Stadtratsfraktion

Ob und in welcher Form freiwillige Leistungen auf den Prüfstand gestellt werden müssen, kann derzeit noch nicht beantwortet werden. Sollten die städtischen Finanzen auch im Jahr 2021 durch den Bund einen Ausfallersatz für fehlende Gewerbesteuerzahlungen erhalten, glaube ich nicht, dass der Konsolidierungsrat jetzt zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt wurde. Wir hatten diese Situation bereits im Jahr 2016, als auf Wunsch des damaligen Finanzbürgermeisters Wittmann unbedingt ein Konsolidierungsrat aufgestellt werden musste, dessen Beschlüsse auf den städtischen Haushalt nur marginale Auswirkungen hatten.

Immerhin wurde damals für die Stadtratssitzungen der sogenannte „Butter-Brez’n-Erlass“ umgesetzt und wir verzichteten ab sofort auf eine warme Mahlzeit während der sieben- oder achtstündigen Sitzungen!

Der städtische Haushalt 2021 hat insgesamt ein Volumen von 722,4 Mio. €. Laut Haushaltssatzung sind 2021 als freiwillige Leistungen (Zuschüsse) in der Summe 7,296 Mio. € angesetzt: das entspricht einem Anteil von 1,01 % des Gesamthaushalts. An diesen Zahlen wird deutlich, dass jede Diskussion über die freiwilligen Leistungen lediglich Augenwischerei ist und davon ablenken soll, dass wir bei den Ausgaben im Verwaltungshaushalt in Zukunft genauer hinsehen müssen.

Bevor also mit unseren Stimmen freiwillige Leistungen gekürzt werden, müssen alle anderen Einsparmöglichkeiten geprüft und umgesetzt sein. Wir werden Kürzungen der freiwilligen Ausgaben momentan keinesfalls mittragen.

Raimund Köstler, Sprecher der Stadtratsgruppe der ÖDP:

Daimler hat erst diese Tage einen gestiegenen Gewinn für 2020 bekannt gegeben und auch Audi hat Ende 2020 ein Rekord-Quartal erzielt. Die Automobilindustrie ist scheinbar besser durch die Corona-Krise gekommen, als bisher erwartet. Entsprechend sind die Prognosen für die Gewerbesteuereinnahmen zu überarbeiten und im Konsolidierungsrat diese Ereignisse richtig zu werten. Vorschnelle Entscheidungen sind dabei nicht hilfreich, besonders wenn es um freiwillige Leistungen geht.

Freiwillige Leistungen einer Stadt sind das, worin sich Städte unterscheiden können und was am Ende einen wichtigen Anteil an der Lebensqualität einer Stadt ausmacht. Es sollte deshalb sehr genau geprüft werden, ob und wenn ja, welche freiwilligen Leistungen gekürzt werden. Hierfür sehen wir aber aktuell noch keinen Bedarf.

Aus unserer Sicht macht es mehr Sinn, große Investitionen zu verschieben oder auch ganz zu streichen. Wir zweifeln an der Notwendigkeit mancher Straßenbaumaßnahme, wie z.B. dem vierspurigen Ausbau der Ostumgehung Etting bis an den nördlichen Stadtrand. Hier kann deutlich mehr Geld mit einer einzigen umweltfreundlichen Maßnahme zur Mobilitätswende eingespart werden als bei den freiwilligen Leistungen.

Eva Bulling-Schröter, Sprecherin der Stadtratsgruppe DIE LINKE:

Die Corona Pandemie fordert alle Kommunen mit ungeplanten Ausgaben und wegfallenden Einnahmen, so auch Ingolstadt. Dementsprechend wird auch hier versucht, Betroffenen aus Gastronomie-  und Kulturbranche mit Maßnahmen unter die Arme zu greifen. An dieser Stelle sollte man aber erwähnen: Viele der dadurch entstehenden Ausgaben werden von Bund und Land wieder erstattet und kompensiert.

Wir wissen aktuell nicht, wie die Steuereinnahmen durch das größte Unternehmen hier in Ingolstadt aussehen werden und wieweit die Stadt in den nächsten Jahren ins Defizit rauscht. Klar kann eine Stadt nicht über viele Jahre immer mehr Schulden anhäufen, aber gerade in Corona-Zeiten muss alles Mögliche getan werden, um Menschen sowohl vor den gesundheitlichen als auch vor den finanziellen Auswirkungen des Virus zu schützen. Eine wirkliche Schlussabrechnung und Bilanzierung, in der wir feststellen, wie gut uns das gelungen ist, steht noch aus und diese muss auch allen Mitbürger*innen transparent zur Verfügung gestellt werden.

Auch uns als LINKEN ist bewusst, dass freiwillige Leistungen nicht für ein Butterbrot zu haben sind. Aber gerade der städtische Umgang mit diesen entscheidet darüber, ob sich Bürger_innen hier in Ingolstadt wohl und gut aufgehoben fühlen, aber auch um beispielsweise Bauanträge und Gutachten rechtzeitig zur Verfügung stehen. Gerade in dieser Zeit des Wandels und der Krisen braucht es mehr denn je eine handlungsfähige Verwaltung. Das haben wir auch jetzt in der Corona Krise am eigenen Leibe erfahren. Es kann uns darüber hinaus nicht egal sein, wie lange z.B. Museen geöffnet sind oder ob Vereine (dann ohne oder mit weniger Zuschüssen) aus dem letzten Loch pfeifen, gesellschaftliche Teilhabe muss auch langfristig gewährleistet bleiben.

DIE LINKE. im Stadtrat lehnt deswegen konsequent Streichungen und Einsparungen von freiwilligen Leistungen der Stadt ab. Sinnvolle Haushaltspolitik heißt nämlich nicht, pauschal überall zu sparen, sondern alle Projekte daraufhin zu überprüfen, ob sie im Sinne der Nachhaltigkeit und ökologischer und sozialer Verträglichkeit wirklich notwendig sind und ob sie in diesem Sinne eventuell verschoben oder gestrichen werden können.

Im Übrigen: Schulden sind nicht per se schlecht, gerade in Zeiten einer Niedrigzinspolitik machen gut eingesetzte Investitionen im Sinne einer zukunftsfähigen Stadt wirklich viel Sinn und das ist natürlich auch eine Frage des Personals.

Christian De Lapuente, Fraktionsvorsitzender der SPD:

Alle Stadträtinnen und Stadträte wissen, dass wir bei der aktuellen Finanzlage sparen müssen. Deswegen begrüßen wir es, dass der Oberbürgermeister einen Konsolidierungsrat einberufen hat. Die SPD-Stadtratsfraktion hat zudem in ihrem Antrag „Haushalt konsolidieren – Zukunft sichern“ die Stadtverwaltung aufgefordert zu prüfen, wo es Möglichkeiten zur Einsparung gibt.

Vor diesem Hintergrund sollte jeder Vorschlag geprüft werden. Allerdings sind wir gegen Einsparungen bei den freiwilligen Leistungen. Es hört sich im ersten Moment so an, als ob sich die Stadt hier einen Luxus leisten würde, auf den einfach verzichten werden kann. Doch wenn man sich diese Leistungen ansieht, dann sprechen wir bei den freiwilligen Angeboten z.B. vom Musikunterricht. Das sind wichtige Angebote vor allem für Kinder und Jugendliche. Und es geht um Menschen und um Fachkräfte, die wir damit verlieren würden. Sicherlich sollte man diesen Vorschlag prüfen und sich die freiwilligen Leistungen ansehen, aber wir sind dagegen diese pauschal zu streichen.

Hans Stachel, Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER

Der Konsolidierungsausschuss muss zunächst ergebnisoffen Vorschläge entgegennehmen, selbst erarbeiten und prüfen. Jetzt schon zu sagen was geht und was nicht, ist verlockend, wird aber der Arbeit und Aufgabe nicht gerecht.

Bei Pflichtaufgaben wird es nur sehr schwer bis unmöglich Kürzungen vorzunehmen. Hier kann man nur an der Ausgestaltung, dem Zeitpunkt und ggf. dem Umfang konsolidierend eingreifen. Hier werden große Summen bewegt.

Alles außer Pflichtausgaben sind freiwillige Leistungen. Das ist deutlich mehr als nur Zuschüsse und Förderungen für Vereine. Da wird es Potential geben – auf der Ausgaben wie auf der Einnahmenseite. Eines gleich vorweg: Wir leisten uns als Kommune und Gesellschaft Maximalförderungen, bieten günstigste Gebührenentgelte bei maximaler Leistung und gehobenen Ansprüchen. Da sehe ich Potential ohne deshalb die Leistung als solche in Frage zu stellen. Einher geht auch wieder eine Korrektur der Wahrnehmung und Wertigkeit von Angeboten unserer Stadt an uns Bürger. Was nichts kostet ist nichts wert. Da ist schon in vielen Bereichen eine Schieflage erreicht.

Um Einzelbeträge zu nennen ist es zu früh. Aufgabenkritik, Leistungserbringung und  Nachhaltigkeit der Ziele von Pflicht- und freiwilligen Leistungen ist eine Herausforderung und Chance für die Stadt und nicht zwingend ein Verlust. Ohne Mut wird sich nichts verändern und ohne Klagen und Bedauern auch nicht. Packen wir es an.


 

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