Werden Sie Unterstützer:in von O-T(h)öne
Machen Sie mit bei „Die Berichterstattung von O-T(h)öne ist mir etwas wert“. Ihre Mithilfe trägt dazu bei, dieses Angebot fortzuführen.
Willkommen in Kleinprovincia, der Stadt, in der Finanzplanung als kreativer Schreibwettbewerb verstanden wird und Haushaltslöcher offenbar Überraschungseier sind, die man erst nach der Wahl öffnet.
Kleinprovincia hat gewählt, doch die große Überraschung kam erst nach Verkündigung des Ergebnisses des ersten OB-Wahlganges: Die Stadt ist pleite, doch einige Kandidaten tun so, als hätten sie erst gestern in der Lokalzeitung davon gelesen, und der Noch-Amtsinhaber verlässt das sinkende Schiff, bevor die letzte Bilanz den Boden berührt. Die OB-Kandidaten C und S wussten um das Finanzdesaster, wie sie nach der ersten Stimmabgabe im Gespräch mit der Lokalzeitung zugaben. Aber wer kann schon Wahlkampf mit Zahlen gewinnen? Ist daran Kandidat F gescheitert, der offen und klar vom nötigen Sparen sprach und sogar Lösungsansätze präsentierte? Da verspricht man doch lieber Wohlfühlpolitik und malt finanzielle Luftschlösser, statt die nackte Wahrheit auf den Marktplatz zu schleudern.
Die Show muss weitergehen. Also wird auf der politischen Bühne weiter das große Drama gespielt: ein Dialog aus Phrasen, gewürzt mit der nötigen Portion Betroffenheitsmimik. Fragen nach dem Haushalt werden so geschickt umdribbelt, dass selbst Fußballtrainer neidisch werden. Währenddessen werden die Bürger mit warmen Worten sediert: Man wolle gemeinsam gestalten, gemeinsam aufbrechen, gemeinsam blühende Zukunftsvisionen in den Himmel zeichnen. Und wenn jemand fragt, mit welchem Geld? Na, mit Zuversicht, Optimismus und vielleicht einer Prise Magie.
Der bisherige Amtsinhaber sitzt schon auf gepackten Koffern und widmet sich vorzeitig neuen Karriereschritten. Das sinkende Schiff verlässt er noch rechtzeitig, bevor die letzte Bilanz den Boden berührt und das Geld endgültig in den Untiefen der Haushaltslöcher verschwindet.
Nun also Stichwahl. C und S liefern sich ein Schaulaufen der letzten Durchhalteparolen. Der eine will Brücken bauen, die Stadt nicht kaputt sparen und weiter kräftig investieren – mit welchem Geld? Vielleicht hat sich noch irgendwo ein Sparstrumpf im Rathauskeller versteckt. Der andere will eine Firma mit Weltruf ansiedeln, um die Gewerbesteuer zu sichern – woher die kommen soll? Vielleicht hat er ja irgendwo ein Bestellformular für Weltkonzerne gefunden. Und als krönendes Symbol des Aufbruchs soll ein Maibaum am Rathausplatz errichtet werden.
Die Bürger dürfen sich derweil fragen, warum Kandidat S im Endspurt des Wahlkampfes angekündigt hat, zu polarisieren. Offenbar setzt er darauf, dass lautstarke Debatten und gezielte Provokationen von den finanziellen Realitäten ablenken. Wenn das Geld schon nicht für großartige Projekte reicht, dann bleibt nur noch eine bewährte Strategie: den politischen Gegner so lautstark attackieren, dass keiner mehr nach dem Kassenstand fragt. Das lenkt nicht nur geschickt von den unbequemen Finanzfragen ab, sondern sorgt auch dafür, dass Emotionen die Debatte überlagern. Wobei: Vielleicht ist genau das die Strategie. Wenn die Zahlen nicht überzeugen, sollen wenigstens Leidenschaft und Pathos den Wahlausgang bestimmen. Wer braucht schon solide Haushaltspläne, wenn man stattdessen ein Gemeinschaftsgefühl beschwören kann, das alle Kassenleeren für einen Moment vergessen lässt?
Die nächste Stadtspitze hat nach der anstehenden Stichwahl keine Handlungsspielräume mehr: Das Sparmesser muss angesetzt werden, und das ist auch C und S längst klar. Jetzt geht es nur noch darum, ob sie den Bürgern das als mutige Reform oder als unvermeidliche finanzielle Naturkatastrophe verkaufen. Vielleicht garniert mit einer Prise Betroffenheitslyrik und einer wohlplatzierten Träne im Augenwinkel?
Während die Aufsichtsbehörde die gelb-rote Karte bereits gezückt hat, werden wohl bald nicht mehr Wahlkampfslogans, sondern Haushaltspläne das Stadtbild prägen. Spätestens jetzt sollte auch dem letzten Stadtratsmitglied und dem geneigten Wähler klar sein, dass der Geldhahn nicht mehr tropft.
Natürlich ist niemand verantwortlich, dass die Kassen leer sind – wer könnte das auch ahnen? Das Finanzloch hat sich bestimmt über Nacht selbstständig gemacht, ein wenig expandiert und dann ganz frech sämtliche Rücklagen aufgefressen. Komisch nur, dass man schon vor zwei Jahren wusste, dass es eng wird, und trotzdem weiterhin so tat, als würde das Geld wie Milch und Honig fließen.
Jetzt wird also der Rotstift angesetzt und , städtische Gebühren steigen massiv. Hoffentlich geschieht das in öffentlicher Sitzung – damit die Bürger live miterleben dürfen, welche Partei bei welchem Sparvorschlag beherzt zuschlägt oder welche lieber an der Gebührenschraube dreht, um die Löcher zu stopfen. Denn eines ist sicher: Bezahlen müssen am Ende immer die anderen.
Aber keine Sorge, liebe Leserinnen und Leser, Kleinprovincia ist selbstverständlich nur ein Fantasieprodukt. Die Realität ist viel geordneter, rationaler und frei von grotesken Ego-Schlachten. Oder etwa nicht?
Fortsetzung folgt …
Lesen Sie hierzu auch: Kleinprovincia sucht den Kuschel-Oberbürgermeister
Sie möchten zu dieser Veröffentlichung mit dem Nachrichtenportal O-T(h)öne in Kontakt treten?
Wir freuen uns über Ihre E-Mail.