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Hans Stachel: Als gewählte Bürgervertreter müssen uns an den Wünschen der Bevölkerung orientieren

Hans Stachel: Als gewählte Bürgervertreter müssen uns an den Wünschen der Bevölkerung orientieren

(fot) Wie alle Jahre, war die Stadtratssitzung in der vergangenen Woche die Gelegenheit für den Ingolstädter Oberbürgermeister Christian Scharpf und die Vertreter der politischen Partei und Gruppierungen sich kommunalpolitisch zu positionieren. O-T(h)öne veröffentlicht die Redebeiträge, die der Redaktion bis zum 11.12.2022 um 20.00 Uhr zur Verfügung gestellt wurden. Dies sind die Reden von Oberbürgermeister Scharpf, Finanzreferent Franz Fleckinger, Alfred Grob (CSU), Hans Stachel (Freie Wähler) und Raimund Köster (ÖDP). Die bereitgestellten Reden werden ungekürzt und nicht redigiert veröffentlicht.

Haushaltsrede 2023 von Stadtrat Hans Stachel, Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER
Stadtratssitzung vom 8. Dezember 2022
Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Scharpf,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Ingolstädterinnen und Ingolstädter,

was haben die Stadt Ingolstadt und Audi gemeinsam? Den Standort natürlich – aber auch sonst gibt es viele Dinge, die beide verbindet. Sowohl Audi als auch Ingolstadt unterliegen einem starken Wandel. Beide mussten die Coronakrise meistern. Das wirtschaftliche Umfeld ist geprägt durch die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, durch den Energie- und Fachkräftemangel. Und trotz all dieser Hindernisse schaffen es sowohl die Stadt als auch Audi bemerkenswerte Finanzkennzahlen zu liefern. Auf der einen Seite weist Ingolstadt einen Rekordhaushalt vor, auf der anderen Seite erwirtschaftet Audi Rekorderträge. Allerdings – und auch das sollte Ingolstadt und Audi verbinden: Wir sollten uns von diesen schönen Zahlen nicht blenden lassen.

Wir tun gut daran, weiter demütig zu sein, die Chancen und die Risiken gut abzuwägen. Warum betone ich das? Der Haushalt 2023 der Stadt Ingolstadt prognostiziert uns mit 206,7 Mio. außergewöhnlich hohe Gewerbesteuereinnahmen. Dadurch durfte unser Finanzreferent uns einen Haushalt präsentieren, der die steigenden Kosten in allen Bereichen harmloser wirken lässt, als sie tatsächlich sind. Gleichzeitig ist es aber auch ein Haushalt, der grundsolide ist und in dem Zuführungen vom Verwaltungshaushalt in den Vermögenshaushalt mit 117,6 Mio. ausgewiesen werden.

Ich hatte eben auch die Chancen und Risiken angesprochen. Audi wagt sich in die Formel 1. Der Autobauer sieht dabei Chancen in der Vermarktung. Und trotzdem muss dieses Vorhaben nicht zwingend erfolgreich in Form von Siegen enden. Genauso verhält es sich mit der Stadt. Auch wir versuchen weiter Vollgas zu geben. Wenn die Gewerbesteuern so fließen, wie prognostiziert, kommen wir ins Ziel. Doch was ist, wenn die Steuern ausbleiben? Geht uns dann der Treibstoff aus?

Was ich damit sagen will: Rahmenbedingungen wie die globale Entwicklung und Inflation sind weiter unberechenbare Risiken, die unsere Finanzplanung erschüttern könnten. Aber wir sollten diese Eventualitäten mit bedenken. Natürlich heißt es gerne, Stillstand sei ein Rückschritt. Wer nicht investiert, der kann nicht gewinnen. Das ist in der Formel 1 genauso wie in der Stadtpolitik.

Doch zu viel Veränderung, Aktionismus und Wachstum sowie unrealistische und populistische Ziele sind ganz sicher schädlich für unsere Entwicklung.

Audi träumt ja auch nicht gleich zum Formel-1-Einstieg von der Weltmeisterschaft. Genauso sollten wir es auch handhaben.
Die Bürgerinnen und Bürger brauchen eine Basis, ein stabiles Fundament in diesen stürmischen Zeiten. Verlässlichkeit, Sicherheit, Geborgenheit, Heimat und ein geordnetes Lebensumfeld sind ein Standortfaktor und sorgen für ein lebenswertes und zukunftsfähiges Ingolstadt. Wir müssen also – wie schon unser Kämmerer sagte – die Ausgaben und Kosten im Blick behalten. Realistische Ziele sind das A und O. Da darf immer etwas Optimismus und Ansporn enthalten sein – aber eben kein leeres Geschwätz.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, lassen Sie uns beim Vergleich mit einem Formel-1-Rennstall bleiben. In der Königsklasse des Motorsports gibt es einen Kostendeckel. Eine Höchstsumme, mit der das Auto gebaut und auf den Rennstrecken betrieben werden darf. Das heißt: Man muss ganz genau darauf achten, welche Stellen besetzt werden und wie man die Personalsituation optimal gestaltet. Sie, Herr Oberbürgermeister, haben sich mutig geäußert und aus Kostengründen von einer Nullrunde beim Personalaufbau gesprochen. Das wäre also ein Kostendeckel der Stadt Ingolstadt. Ich kann Ihnen versichern, mit diesem Ansatz zum vorsichtigeren Umgang mit Personalmehrung sind Sie nicht allein. Wir sehen die Personalentwicklung schon länger kritisch. Aber mit Ihrer Forderung dürfte es jetzt auch in allen Parteien und Verwaltungsbereichen angekommen sein. Wir sind uns also einig: Bevor wir über mehr Personal sprechen, muss die Struktur- und Aufgabenplanung stimmen. Zuallerletzt kommen Personalmehrungen. Aus diesem Grund müssen die Sitzungsvorlagen im Stadtrat mit ständig neuen Stellen zwingend eingedämmt werden. Es dürfen keine weiteren Stellen geschaffen werden, außer in den Bereichen, die zwingend erforderlich sind, wie beispielsweise Kitakräfte. Wir müssen vielmehr dafür sorgen, dass die vakanten Stellen wieder alle besetzt werden. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, aber auch unserer Finanzen, müssen wir umdenken und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestmöglich ausstatten, schulen, fördern und einsetzen. Das ist wesentlicher Teil der Lösung, nicht nur neues Personal!

Unser Kämmerer hat dem Stadtrat einen Haushaltsplan für das kommende Jahr 2023 vorzulegen und auch Angaben über die mittelfristige Entwicklung der darauffolgenden 3 Jahre aufzuzeigen. Das ist alles gut nachlesbar. Für uns FREIE WÄHLER ist aber auch interessant, was nicht in diesem gut aufbereiteten Zahlenwerk steht - weil es dazu ja noch keine Beschlusslagen gibt und daher gar nicht drinstehen darf. Aber im Hinterkopf sollten diese Zahlen schon präsent sein.

Die Hauptkosten für die Theatersanierung fehlen darin ebenso, wie die Kosten und das Risiko für einen möglichen Rückkauf der Stadtwerkeanteile. Auch unsere Investitionsliste, die praktisch als Fass ohne Boden bezeichnet werden kann, fehlt.

Der Rückkauf der Stadtwerke hat aus Sicht der FREIEN WÄHLER hohe Priorität. Wir müssen verhindern, dass die Geschäftsanteile, die derzeit nicht in unserem Besitz sind, auf dem „freien Markt“ gehandelt werden können. Hierzu sind kluge Verhandlungen und womöglich erhebliche Ausgaben erforderlich. Viele träumen ja bereits, dass die Erträge der zusätzlichen Geschäftsanteile die defizitären Aufgabenbereiche des ÖPNV und der Freizeitanlagen stärken könnten. Davor warne ich.

Bevor Erträge abgeschöpft werden können, werden Jahrzehnte vergehen. Zuerst muss der Rückkauf refinanziert werden, was Mittel binden wird, statt zusätzliche Gelder freizugeben. Dazu werden uns die Gesundheitsvorsorge, Pflegeangebote, Krankenhausmodernisierung und -betrieb in Zukunft sicherlich anders fordern als bisher. Dasselbe gilt für Förderprogramme und freiwillige Leistungen, die bei mir teils nur ein Kopfschütteln auslösen. Mögliche hohe Investitionen im Bereich der Feuerwehr stehen uns zudem ins Haus, die zukünftig noch zum Flächenbrand werden, wenn es uns nicht durch erhebliche Anstrengungen gelingt, die bereits vorhandenen, ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte zu stärken und auszubauen.

Dann gibt es aber doch kleine und feine Unterschiede zur Formel 1. Der Rennzirkus ändert ständig sein Regelwerk.
Auch im Rechtsstaat ist manches im Wandel, aber die Eckpfeiler sind nicht verhandelbar. Bürgerrechte, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsvielfalt, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Gleichberechtigung und Demokratie. Für diese hohen Güter riskieren Menschen in anderen Ländern ihr Leben. Auch bei uns kann Demokratie schmerzhaft sein und Pläne über den Haufen werfen. Es kostet Zeit, Nerven und Geld – aber das muss es uns wert sein.

Die lange, anstrengende und schwierige Entscheidung zu den gescheiterten Kammerspielen in diesem Jahr, mit all seinen Umwegen und Irrwegen darf uns allen ein leuchtendes Beispiel für funktionierende und gelebte Demokratie sein. Meinungsvielfalt, Meinungsfreiheit und geregelte demokratische Verfahren sind zentrale Elemente. Mehrere und auch gegensätzliche Meinungen spalten die Gesellschaft nicht, sondern sind Ausdruck gelebter Demokratie. Wir dürfen glücklich sein, unter diesen Rahmenbedingungen leben zu dürfen.

Inzwischen haben sich hoffentlich unsere Emotionen wieder gelegt und sachliche Überlegungen zur Ersatzspielstätte und einem Ersatz für das Kleine Haus überwiegen. Ich warne wieder vor voreiligen Festlegungen auf einen Standort. Wir müssen bei der Standortsuche so offen wie möglich sein. Wir müssen die Möglichkeiten aufzeigen. Dabei ist und bleibt die Bürgerbeteiligung ein zentrales Element. Gerade wir gewählte Bürgervertreter müssen uns doch an den Wünschen der Bevölkerung orientieren.

Auch beim Thema Baggersee haben die Menschen klare Vorstellungen. Dass der Baggersee als Naherholungsgebiet einer stärkeren Aufmerksamkeit bedarf, haben wir im Stadtrat und in der Verwaltung erkannt und haben organisatorische Schritte eingeleitet. Aber die Bürgerinnen und Bürger erwarten jetzt zu Recht Ergebnisse, Verbesserungen, eine Aufwertung der Infrastruktur und neue Angebote. Ein zentrales Element ist die Wasserqualität und die Nutzung des Sees als Badegewässer.
Unsere Aufgabe ist es hier, allen Bevölkerungsschichten und allen Nutzergruppen ein attraktives Angebot zu unterbreiten, das 365 Tage und 24 Stunden am Tag niederschwellig genutzt werden kann. Und auch hier brauchen wir, wie immer in der Politik, Lösungen und keine Begründungen, warum etwas nicht geht. Das erwarten unsere Wählerinnen und Wähler.

Zusammenfassend sehen wir im vorgelegten Haushalt 2023 die realistische Perspektive, den laufenden Betrieb zu meistern und für die zukünftigen Herausforderungen zumindest eine tragbare Zahlenbasis. Deshalb stimmen wir zu. Audi würde in der Formel 1 sagen: Wir sind auf Kurs.  Nun liegt es nur noch am Fahrer, Herr Oberbürgermeister.

Zum Schluss herzlichen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates für die Zusammenarbeit im vergangenen Jahr. Auch an Sie, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Scharpf, geht unser herzlicher Dank für die offene Kommunikation und die Bereitschaft der Zusammenarbeit. Dies erwähne ich ganz ausdrücklich, auch von mir persönlich. Gerade in schwierigen Phasen ist es besonders wichtig, miteinander im Gespräch zu bleiben.

Vielen Dank den beiden Bürgermeisterinnen, sowie der Referentin und den Referenten, wie auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, städtischen Beteiligungen und allen Medienvertretern für die Zusammenarbeit – zum Wohl der Ingolstädterinnen und Ingolstädter und unserer Heimatstadt Ingolstadt und der Demokratie. Ganz besonders danke ich allen Ehrenamtlichen in Ingolstadt und wünsche Ihnen und uns allen frohe Weihnachten in der Hoffnung auf ein besseres, gesundes neues Jahr 2023.

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