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Ein Stadtrat ist kein Hörsaal einer medizinischen Fakultät, und dennoch fühlte man sich am gestrigen Donnerstagnachmittag im Ingolstädter Rathaus phasenweise wie in einem solchen, mit Vortragenden, die unterschiedliche medizinische Vorstellungen haben. Das Ganze wurde mit einer Prise Improvisationstheater gewürzt. Diagnose, Therapie, Reha – nur der Einlauf blieb aus. So jedenfalls lautete das Urteil von Christian De Lapuente, Fraktionsvorsitzender der SPD, zur Haushaltsrede von Hans Stachel, dem Fraktionsvorsitzenden der FREIEN WÄHLER, der den städtischen Haushalt zuvor mit einem schwer kranken Patienten verglichen hatte.
Stachel hatte in seiner Rede den Haushalt der Stadt als einen Patienten dargestellt, dessen Arzt seit Jahren die Warnzeichen des Körpers seines Patienten ignoriert hat. Der Zustand des Patienten? Mehr als bedenklich. Heilung? Kaum noch möglich. Kredite, Rücklagenentnahmen und Einmalerlöse, so Stachel, seien der verzweifelte Versuch, den Patienten mit einer Infusion am Leben zu halten – ohne Aussicht auf Heilung. Eine langjährige medizinische Vernachlässigung, so die Diagnose. Vorsorgemaßnahmen? Fehlanzeige. Und die Vorschläge der Fraktion der FREIEN WÄHLER zur strukturellen Entlastung? Vom Rest des Stadtrates und der Verwaltung ignoriert, wie die Warnzeichen eines überforderten Arztes.
Die Diagnose von Stachel blieb nicht unbeantwortet. SPD-Fraktionschef De Lapuente griff nicht zu Zahlen, sondern zum Skalpell – das er offenbar mit einem Aufkleber „Ironie“ versehen hatte. „Lieber Dr. Stachel“, begann der Sozialdemokrat seine Ausführungen, als wollte er dem Publikum gleich ein Rezept für die besten Polit-Kurmittel ausstellen. „Zehn Minuten über Krankheitsbilder, Behandlungen und Reha haben Sie gesprochen. Ich hatte Angst, dass der Einlauf noch am Schluss kommt, aber der wurde uns erspart“, sagte er und zielte damit weniger auf den Haushalt als auf den Redner selbst. Der Patient Stadt Ingolstadt sei zwar ausführlich beschrieben worden, aber am Ende habe Stachel ihn allein gelassen. Der Nichtmediziner De Lapuente konstatierte: „Man erkennt, dass Sie kein Mediziner sind, weil der Mediziner hat auch einen Eid geschworen, immer zu helfen.“ Stachel habe in seiner Rede viele kritische Diagnosen aufgestellt, aber keine verantwortungsvolle Therapie angeboten. Besonders beim Thema Grundsteuer wurde De Lapuente deutlich: „Sie haben sich letztes Jahr gegen die Erhöhung ausgesprochen und kritisieren nun, dass sie im Haushalt fehlt. Zu solch einem Arzt würde ich nicht gehen.“
Stachel ließ sich nicht lange bitten: „Der ‘Dr.’ Stachel hat dazu was zu sagen“, eröffnete er seine Replik – und griff seine medizinische Rhetorik sofort wieder auf. Auch ein „Dr.“ Stachel gewinne mit der Zeit Erkenntnisse, genau wie seine Fraktionsmitglieder. Die Haushaltssituation erfordere nun, dass man sich von „heiligen Kühen“ verabschiede. Und genauso müsse sich „Dr.“ De Lapuente von Dingen verabschieden, „wo er von einem Tag auf den anderen plötzlich eine andere Meinung beim Bürgerfest hat“. Auch Stachel betonte, dass sich politische Sichtweisen durch längere Diskussionsprozesse ändern könnten. „Die Notwendigkeit einer Grundsteueranpassung ist längst überfällig“, sagte Stachel weiter. „Und ich gehe ganz stark davon aus, und ich traue mir sogar Wetten annehmen, dass wir im kommenden Jahr Grundsteuererhöhungen beschließen werden. Und ich gehe die nächste Wette ein. Ich glaube, Sie stimmen mit, und zwar mit uns.“
Die Haushaltsdebatte vom gestrigen Donnerstagnachmittag brachte keine Heilung für den städtischen Haushalt, aber sie lieferte eine Behandlungseinheit in Sachen politische Auseinandersetzung – mit nicht gelungener Satire.
Quelle: Eigene Berichterstattung.
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