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Haushaltsrede der FW-Stadtratsfraktion

Haushaltsrede der FW-Stadtratsfraktion

(ot) Nachfolgend veröffentlicht O-T(h)öne die gestrige Rede des Fraktonsvorsitzenden der FW-Stadtratsfraktion, Peter Springl, bewusst ungekürzt und nicht redigiert:

(Es gilt das gesprochene Wort)

Herr Oberbürgermeister, verehrte Damen und Herren,

meine diesjährige, letzte Haushaltsrede wird durch folgende wirtschaftliche Randbedingungen bestimmt: Audi hat seine Produktion in Ingolstadt heruntergefahren, die damit verbundenen Auswirkungen der Transformation auf Arbeitsplätze  und Zulieferer werden sichtbarer, sind aber was die Stammbelegschaft betrifft, wohl weniger dramatisch als zu befürchten war. Bei MediaSaturn, dem zweitgrößten gewerblichen Arbeitgeber in Ingolstadt, ist zu hoffen dass nicht – wie der Spiegel schrieb –  „sich die Führung im Machtgerangel verliert“.

Wir haben im Bereich Lehre und Forschung Erfolge und Fortschritte im Aufbau von Institutionen Erzielt und werden diese auch noch erzielen. Es wurden die Weichen richtig gestellt. Aber neue Professuren und Assistentenstellen und zusätzliche Studenten wirken erst mittel- und langfristig und werden den zu erwartenden Verlust an Arbeitsplätzen in unteren Lohngruppen nicht ausgleichen können.

Was bedeutet das für die Stadt, für die Kommunalpolitik? Die fiskalisch üppigen Jahre sind erst einmal vorbei, und wir alle müssen uns darauf einstellen, dass das Wunschkonzert der Gruppierungen zumindest nach der Kommunalwahl zu Ende geht oder vielmehr nicht mehr bedient werden kann. In den vergangenen Jahren des Booms schien ja alles möglich und jeder Wunsch erfüllbar zu sein.

In diesem Stadtrat wurde vieles beantragt und wir haben auch vieles beschlossen, was nur denkbar war. Zur Antragsfülle der Gruppierungen wurde in den vergangenen FW-Haushaltsreden kritisch gesagt: „Es ist wie im Schlussverkauf – alles muss raus!“ Und zur Finanzlage: „Und wenn man alle Anträge passieren ließe, würde sich der Ingolstädter Haushalt
bald auf demselben Niveau bewegen wie die Finanzlage von Boris Becker.“ Wir haben so viel beschlossen und wollten noch mehr, so dass die Planer und die Baufirmen mit der Arbeit gar nicht mehr hinterhergekommen sind und die Verwaltung über Arbeitsüberlastung klagt. Das Motto unserer Kommunalpolitik schien zu sein:„Was kostet die Welt!“

Kolleginnen und Kollegen, wenn so ein Boom zu Ende geht, scheint das zunächst einmal bitter, sowohl für die Bürger als auch für die Kommunalpolitiker. Für die Bürger, weil sie nicht mit jedem Anliegen auf offene Ohren stoßen.

Für die Kommunalpolitiker, weil sie nicht länger das Blaue vom Himmel herunter  versprechen können, ohne sich fragen lassen zu müssen:
„Macht das wirklich nachhaltig Sinn?“   
„Wer soll das bezahlen?“
         
Aber so eine Phase des nicht üppigen Geldes – wie wir sie in Ingolstadt ja immer wieder erlebt haben hat auch ihre positive Seite. Wir alle werden uns auf das Wesentliche, auf das Notwendige beschränken müssen, das sind Pflichtaufgaben und kommunale Zukunftsvorsorge: Gesundheitswesen, Kindergärten, Schulen und Infrastruktur. Wir haben in diesen Bereichen in den vergangenen Jahren viel investiert und nach vorne gebracht, aber bei weitem noch nicht genug, wenn ich mir manche Schule so anschaue. Wie man es übrigens nicht machen sollte, zeigen Beispiele aus dem diesjährigen Schwarzbuch der Steuerzahler. Und glauben Sie mir, bei der Lektüre der 3 Beispiele habe ich ein paar Mal Parallelen zu Ingolstädter Themen gesehen.

Die Straßenbahnunterführung am HBF Augsburg:
Problem ist der Untergrund – mittlerweile redet der BdSt
von Kostensteigerungen von 70 auf 250 Mio €.

Sie wissen genau, auf welche in Bau oder in Planung befindlichen Beispiele
in der Ingolstädter Stadtmitte ich anspiele.

Die Stuttgarter Flusswelle:
Sie wurde nach einer teuren Machbarkeitsstudie verworfen –
weil sie wegen zu belastetem Neckarwasser nicht weiter verfolgt werden konnte.

Die Vilshofener Haselmausbrücke:
Sie wurde für die Vernetzung der Lebensräume vorgesehen,
gerichtlich mit dem BUND festgestellt und gebaut. Sie sah nur nie eine Haselmaus.

In dieser Hinsicht haben wir uns in dieser Stadtratsperiode aber nichts vorzuwerfen - auch wenn die politischen Mitbewerber bei deren verlorenen Abstimmungen immer geschimpft haben oder uns beschimpft haben.

Bereits seit 2016 hat die FW dazu in den Haushaltsreden gesagt und ich werde es wieder sagen: „Eine solide Finanzpolitik ist die beste Wahlkampfstrategie für 2020. Wer nur fordert und immer mehr fordert, lebt in einer imaginären Parallelwelt.“

Meine Damen und Herren, damit komme ich zu Fragen, die mich in meiner nun fast sechsjährigen Zugehörigkeit in diesem Stadtrat immer wieder grundsätzlich bewegt haben. Geben wir in unserem stetigen Bemühen, es möglichst allen recht zu machen, nicht immer wieder zu sehr ausgeprägten Partikularinteressen nach? Welche Gruppierungen können sich mit Einzel- oder Partikularinteressen durchsetzen,und welche nicht? Kann es denn sein, dass wir ein Baugebiet ausweisen wollen mit einer hohen Geschossflächenzahl, dann aber „einknicken“, wenn Nachbarn, die gar nicht wirklich betroffen sind, dagegen protestieren – und das, obwohl wir jeden Quadratmeter Wohnraum brauchen?

Eine weitere grundsätzliche Frage: Erkennen wir das Problem der Selbstselektion Einzelner genug? Nur am Thema interessierte nehmen an der Meinungsbildung teil hinterfragen aber ihre Forderungen im Gesamtkontext der Stadt zu wenig. Man kann ein ähnliches Phänomen - das der selbstreflektierenden Gruppen - in vergleichbarer Form in sozialen Medien wie facebook feststellen. Lassen Sie mich ein Beispiel mit Tieren nennen: Frösche haben Frösche als facebook-Freunde. Frösche liken daher nur Frösche. Und Frösche teilen daher nur Beiträge von Fröschen. Die Trockenlegung des Froschteichs, obwohl mit der Schaffung eines neuen Froschteichs verbunden, darf in facebook unter den Fröschen aber nicht sinnvoll diskutiert werden.

Wir als Politiker aber haben die Aufgabe, übermäßige Partikularinteressen und Selbstselektionen zu erkennen, diese ausreichend abzuwägen, sie ggf. zu überwürdigen und uns ihnen ggf. entgegen zu stellen. In einem Interview im DK vom 26. 11. 2019 meint Landtagspräsidentin Ilse Aigner: „Nicht wer am lautesten schreit, hat Recht. Wir müssen immer auch die berechtigten Anliegen der schweigenden Mehrheit im Blick behalten. Wir brauchen wieder das ganze Bild, Maß und Mitte, die andere Seite der Wirklichkeit.“

Meine Damen und Herren, der nicht mehr zu leugnende Klimawandel wird sich auf die Städte und damit auch auf unsere Stadt auswirken. Auch wir werden von sich häufenden extremen Wetterereignissen nicht verschont bleiben und werden uns darauf vorbereiten müssen. Überschwemmungen, Stürme, Hitzeperioden, Dürre.

Das betrifft kommunal beispielhaft: unsere Abwassersysteme und Retentionsräume, unsere Trinkwasserversorgung,
das Gesundheitssystem mit unserem Klinikum, unsere Hilfs- und Rettungsdienste, die Stadtplanung, die kommunalen Gebäude und die Frage, wie sie auf Hitzeperioden vorbereitet sind.

Bei den Maßnahmen zum Klimawandel können wir lokal agieren und reagieren und Erfolge erzielen.Beim Thema der CO2-Reduzierung neudeutsch Dekarbonisierung – werden die nachfolgenden Generationen urteilen, in wie weit wir heute richtig gehandelt haben. „Ihr habt euch angemessen in der Welt beteiligt und die globale Temperaturerhöhung angemessen begrenzt.“ könnte ein Urteil lauten. „Ihr hättet doch leicht erkennen können, dass die Dekarbonisierung ein globales Problem ist, die Mitwirkung aber bedeutenden Nationen egal ist, Eure kommunalen Maßnahmen kosteten aber zu viel Geld und waren global praktisch wirkungslos. Warum habt ihr Eure Mittel nicht für die Reaktion auf den Klimawandel priorisiert oder euren technischen Vorsprung aufgegeben?“ könnte ein anderes Urteil lauten. Weiter mit Landtagspräsidentin Ilse Aigner (sinngemäß) zu den Diskussionen um den Klimawandel: „Die Erweiterung des Marktprinzips bedeutet nicht die Absage an Wirtschaftswachstum und Wohlstand.“

Meine Damen und Herren, im bereits begonnen Wahlkampf haben einige ihre Wünsche schon formuliert: „#nurnoch5Monate“ heißt es da, wohl in der Hoffnung, dass es danach „anders“ wird. Es könnte aber auch „ad multo sannos“ für die Stadtregierung lauten. Einige in der Opposition bereiten sich gar auf ein Bürgermeisteramt vor, und einige Gruppierungen bestimmen schon die Referenten, oder vielmehr die Nicht-Mehr-Referenten. Lassen sie mich dazu sagen: Ich sehe im Kern weiterhin eine deutliche bürgerliche Mehrheit. Andere Mehrheiten sind Träumereien. Nach der Wahl wird sich der eine oder andere Träumer die Telefonnummer der psychosozialen Beratungsstellen brauchen, wenn er im März, April oder Mai enttäuscht werden sollten. Und wenn ich „Träumer“ oder „Er“ gesagt habe, meine ich natürlich „männlich/weiblich/divers“.

Die Stadt und unsere Verwaltung wären mit Zufallsmehrheiten schlecht bedient. Die „Koalition“ der bürgerlichen Mitte hat 6 Jahre gut zusammengearbeitet. Die daraus resultierende Stabilität anstatt bunter Zufallsmehrheiten war gut für Ingolstadt. Die „Koalition“ hat während der Legislatur ihre Mehrheit durch 3 Austritte verloren. Sie hat dennoch ihre Gestaltungsmöglichkeiten genutzt und Ihre Positionen im Kern durchgesetzt – Aber nicht um des Durchsetzens willen, sondern weil sie vernünftig und richtig waren – Wie sagte doch Ilse Aigner: „Maß und Mitte“.

Wie gesagt: Das Wunschkonzert ist bald zu Ende,und damit auch meine letzte Haushaltsrede in diesem Stadtrat.

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