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Ingolstadt rutscht tiefer in die Finanzkrise. Schrumpfende Einnahmen, steigende Belastungen – und ein Stadtrat, der in seiner Mehrheit lange schwieg und ungerührt weiter Geld bewilligte, als nachhaltiges Sparen längst geboten war. Während die Stadt an ihrer Haushaltskonsolidierung arbeitet, droht die wichtigste Einnahmequelle wegen der Abhängigkeit von Audis Mutterkonzern Volkswagen zu versiegen.
Auf Anfrage des Nachrichtenportals O-T(h)öne gab die Stadt Einblicke in ihre aktuelle Finanzplanung. Nach Angaben von Finanzreferent Franz Fleckinger rechnet Ingolstadt bis 2028 allein im Bereich der Einkommensteuer mit Mindereinnahmen von rund elf bis zwölf Millionen Euro. Insbesondere zwischen 2026 und 2028 werden negative Salden im mittleren einstelligen Millionenbereich erwartet. Das Jahr 2029 ist in der bisherigen Finanzkalkulation noch nicht berücksichtigt. Vollständig abschätzbar werden die Auswirkungen nach städtischer Einschätzung ohnehin erst sein, wenn die detaillierte Finanzplanung ab 2026 vorliegt.
Auch bei den Schlüsselzuweisungen und Gemeindeanteilen an der Umsatzsteuer sind die Aussichten düster. Fleckinger betont, dass derzeit belastbare Prognosen schwer möglich seien. Die mittelfristige Planung für 2026 bis 2029 werde sich zwar an neuen Eckdaten orientieren, konkrete Ausgangswerte etwa für die Höhe der Schlüsselmasse oder die Bemessungsgrundlagen durch den Freistaat Bayern seien aber noch nicht absehbar. Eventuell könnten Ausgleichszahlungen des Freistaats helfen, um die Einbußen bei Einkommen- und Umsatzsteuer teilweise zu kompensieren.
Selbstverständlich, so Fleckinger weiter, werde die Stadt auf die veränderten Bedingungen reagieren. Sowohl für den Haushalt 2026 als auch für den gesamten mittelfristigen Finanzplanungszeitraum bis 2029 würden die Grunddaten und Prognosewerte jährlich neu ermittelt und angepasst.
Wenn Wolfsburg die Kassenlage diktiert
Besonders brisant ist die Lage bei den Gewerbesteuereinnahmen – ein erheblicher Teil stammt traditionell aus den Zahlungen des Volkswagen-Konzerns für die Marke Audi. Volkswagen kämpft mit Absatzrückgängen, hohen Investitionen und Strategieproblemen, Audi kürzt Produktion und Modelle. Sinkende Gewinne könnten Ingolstadt spürbare Einbußen bei den Gewerbesteuereinnahmen bescheren – mit gravierenden Folgen für den Haushalt.
Auf Nachfrage von O-T(h)öne erklärte die Stadt jedoch, dass sie zu Details über die Gewerbesteuerzahlungen – insbesondere zu einzelnen Unternehmen wie Audi oder Volkswagen – aufgrund des Steuergeheimnisses keine Auskunft geben könne. Weder zu Gewerbesteuerzahlungen noch zu eventuellen Rückzahlungen an den VW-Konzern seien öffentliche Angaben zulässig.
Klar ist jedoch: Sinkt der Gewinn der Marke Audi, sinken auch die Gewerbesteuereinnahmen Ingolstadts – und das könnte die Haushaltslage erheblich verschärfen, auch durch mögliche Steuerrückzahlungen an den VW-Konzern infolge zu hoher Steuervorauszahlungen.
Sparen hinter verschlossenen Türen
Die geplanten Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen summieren sich auf 1,47 Millionen Euro. Gespart werden soll quer durch den sozialen, kulturellen und jugendpolitischen Bereich: Mietzuschüsse für soziale Einrichtungen, Jugendprojekte, Kulturförderung, Vereinszuschüsse, Bürgerhaushalt und das Jugendparlament stehen auf der Streichliste.
Bereits seit Herbst 2023 läuft ein gemächlicher und bislang nicht ausreichender Konsolidierungsprozess, der mit dem Konsolidierungspaket I im Sommer 2024 erste konkrete Einsparungen brachte. Aktuell wird im sogenannten Konsolidierungspaket II an weiteren Maßnahmen gearbeitet. Ziel bleibt es, die dauerhafte finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt sicherzustellen. Der gesamte Prozess soll bis Ende des Finanzplanungszeitraums 2029 andauern.
Was zusätzlich irritierte: Die Kürzungsvorschläge wurden zunächst nicht in den Fachausschüssen diskutiert, sondern in nichtöffentlichen Runden verhandelt. Kritik aus dem Stadtrat blieb lange Zeit aus. Erst später räumten einzelne Fraktionen ein, dass Transparenz gefehlt habe.
In den zurückliegenden Wochen zeigte sich, dass die Streichliste keineswegs in Stein gemeißelt ist. Änderungsanträge wurden für die heutige Stadtratssitzung angekündigt. Dennoch bleibt der Eindruck, dass ein zentraler politischer Grundsatz – frühzeitige und öffentliche Debatte – zunächst geopfert wurde.
Gebühren und Belastungen
Neben den Kürzungen plant die Stadt deutliche Einnahmesteigerungen: Die Nutzung städtischer Sportanlagen wird teurer, Vereinspauschalen sinken, Energiezuschüsse werden gekürzt. Insgesamt sollen über acht Millionen Euro jährlich zusätzlich eingenommen werden – vor allem durch höhere Gebühren und neue Abgaben.
Auch eine Anhebung der Grundsteuer B scheint unvermeidlich. Bereits jetzt wird damit gerechnet, dass der Stadtrat eine Erhöhung noch im laufenden Jahr beschließen wird, rückwirkend zum Januar 2025 oder spätestens zum 1. Januar 2026.
Kommunalwahl wirft Schatten
Die Konsolidierungsmaßnahmen dürften das politische Klima in Ingolstadt nachhaltig beeinflussen. 2026 stehen Kommunalwahlen an, und der Streit um Sparpakete, Gebührenerhöhungen und Haushaltskonsolidierung könnte zum Wahlkampfthema werden. Kritische Stimmen werfen dem Stadtrat in seiner Mehrheit Krisenblindheit und mangelnde frühzeitige Information der Öffentlichkeit vor. Die Kritik zielt auch auf den neuen Oberbürgermeister Michael Kern (CSU), der zuvor dem Stadtrat angehörte und im Wahlkampf Transparenz versprochen hatte.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob Ingolstadt seine Haushaltslöcher stopfen kann – oder ob die Stadt an Sparzwang und Vertrauensverlust zerbricht.
Quelle: Eigene Berichterstattung
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