Werden Sie Unterstützer:in von O-T(h)öne
Machen Sie mit bei „Die Berichterstattung von O-T(h)öne ist mir etwas wert“. Ihre Mithilfe trägt dazu bei, dieses Angebot fortzuführen.
Der Nachrichtenkanal O-T(h)öne führte ein langes und ausführliches Gespräch mit dem designierten Oberbürgermeisterkandidaten der FDP, Jakob Schäuble. Dies wird in mehreren Teilen veröffentlicht. Lesen Sie heute den zweiten Teil.
O-T(h)öne: Der Stadtrat ist auch Kontrollorgan, dieser kontrolliert die Verwaltung und auch den Chef der Verwaltung, den Oberbürgermeister. Schafft man es tatsächlich, diese Kontrollfunktion als ehrenamtlicher Stadtrat richtig und gut auszuüben, angesichts der Komplexität der Verwaltung und der vielen Beteiligungsunternehmen?
Schäuble: Das ist eine Herausforderung, auch zeitlich. Ich nehme mir sehr, sehr viel Zeit für die Kommunalpolitik und versuche, die Aufgaben, die ich übertragen bekommen habe, möglichst gut, ordentlich und genau abzuarbeiten und diese Kontrollfunktion auch wahrzunehmen. Es ist wie im Aufsichtsrat in einem Unternehmen. Sie haben immer die Herausforderung, dass die Aktiven mehr wissen als Sie als Kontrollorgan. Das ist im Aufsichtsrat bei der Audi das Gleiche wie in der Aufsicht bei uns im Tochterunternehmen oder eben im Stadtrat. Ich denke aber schon, dass es möglich ist, mit Engagement und dem nötigen Wissen, das man sich aneignen kann und auch muss, dieser Kontrollfunktion gerecht zu werden.
O-T(h)öne: Um im Verwaltungsrat der Sparkasse tätig zu sein, braucht es zwingend eine Finanzexpertise, die man nachweisen muss. Wäre es denn nicht sinnvoll und wichtig, dass Stadtratsmitglieder auch in den Aufsichtsräten der Beteiligungsunternehmen der Stadt Ingolstadt, wo ja auch Millionen von Euro bewegt werden, eine gewisse Expertise nachweisen müssen?
Schäuble: Das gab es. Es gibt das Angebot von Schulungen.
O-T(h)öne: Freiwillige Schulungen?
Schäuble: Ja, es gab auch die entsprechende Literatur und für mich ist es auch selbstverständlich, dass, wenn ich dieses Amt übertragen bekomme, ich mich dann in diese Themen so einarbeite, dass ich dazu befähigt bin. Die Regelung für den Verwaltungsrat der Sparkasse kenne ich nicht im Detail, deswegen kann ich mich dazu nicht äußern. Wenn ich mir aber anschaue, wie viele Tage zur Qualifikation benötigt werden, dann weiß ich nicht, ob das substanziell etwas ändert.
O-T(h)öne: Unabhängig von Ihrer Person, wäre es nicht wichtig, dass Aufsichtsratsmitglieder der Beteiligungsunternehmen der Stadt zwingend eine Grundqualifikation für die Tätigkeit erwerben müssen, bevor sie entsandt werden?
Schäuble: In der Demokratie ist es so, dass sie in Aufsichtsräte kommen, weil sie gewählt wurden und der Wähler ihnen diese Qualifikation per Kreuzchen zuspricht. Deswegen halte ich die Freiwilligkeit für richtig. Ich halte es auch für richtig, dass wir diese Angebote umfassend vorhalten, und persönlich habe ich sie auch wahrgenommen, obwohl ich aus meinem Studium durchaus eine gewisse Expertise mitgebracht habe, ebenso aus meinem Beruf. Ich habe mich trotzdem noch tief eingearbeitet, gerade im Gesundheitswesen, obwohl ich aus dem Bereich der Sozialpolitik am Lehrstuhl komme. Aber in der Praxis sind nochmal andere Themen wichtig, wie zum Beispiel die Codierung.
O-T(h)öne: Sie meinen jetzt die Codierung der Fallabrechnung im Krankenhaus?
Schäuble: Im Krankenhaus, ja.
O-T(h)öne: Wie wichtig ist für Sie eine freie, unabhängige Medienlandschaft in Ingolstadt, die auch investigativ in der Kommunalpolitik recherchiert und Politiker kritisch hinterfragt?
Schäuble: Es ist ganz klar, dass Medien eine große und wichtige Rolle in der Kontrolle spielen. Das ist die oft genannte vierte Gewalt im Staat, und so auch in der Kommune. Ich finde es gut und richtig, dass es unabhängige Medien gibt; das ist selbstverständlich und liberaler Grundsatz.
O-T(h)öne: Im Aufsichtsrat des Klinikums gab es heftige Diskussionen zu den Tarifverträgen der Servicekräfte. Da Sie beruflich an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in der Armutsforschung tätig sind, hat es verwundert, dass Sie gegen die Anwendung des besseren Tarifvertrages des Öffentlichen Dienstes (TVÖD) für die Servicekräfte waren.
Schäuble: Wir haben nicht nur gegen die Überführung gestimmt, sondern auch einen Alternativvorschlag unterbreitet. Damals gab es den Tarifvertrag für Servicekräfte (TVS), bei dem deutliche Zuschläge gewährt wurden. Diesen sogenannten Ingolstadt-Tarif wollten wir nochmals deutlich erhöhen. Das hat den Vorteil, dass ein flacher Tarif, wie der IG Metall-Tarif auch, gut berechenbar ist. Ich glaube, man kann dem IG Metall-Tarif nicht vorwerfen, dass er problematisch ist. Das heißt, wir waren für eine deutliche Anpassung, aber nicht für eine Überführung in den TVÖD. Das hätte den großen Vorteil gehabt, dass wir mit dem Bezirk nicht in den Konflikt geraten wären, in den wir jetzt geraten sind, weil es viel einfacher zurechenbar und prognostizierbar gewesen wäre. Wir hätten gleichzeitig die Löhne erhöht, nicht auf die Höhe der Ausgangsstufe im TVÖD – das muss man dazusagen – aber in einem deutlichen Ausmaß. Wir hätten diesen Weg gerne mit dem Bezirk beschritten.
O-T(h)öne: Wäre der Bezirk diesen Kompromiss mitgegangen?
Schäuble: Es gab Signale, dass in diese Richtung Verhandlungsbereitschaft bestand.
O-T(h)öne: Was jetzt gerade im OB-Wahlkampf wieder aufkommt, ist das Thema Universitätsklinikum. Das hat man erstmals vor 20 Jahren in den Gremien des Klinikums behandelt, danach ist es immer wieder aufgetaucht. Wir haben es in all der Zeit, trotz eines Ministerpräsidenten aus Ingolstadt und einer Sozialministerin, nicht geschafft, ein Universitätsklinikum zu bekommen. Wie realistisch ist es denn tatsächlich, dieses Universitätsklinikum nach Ingolstadt zu bekommen?
Schäuble: Das ist schwer absehbar, wie die Großwetterlage für so etwas ist. Ich denke, das Wichtige ist, dass wir weiter daran arbeiten, die Qualitätsvoraussetzungen, die Größe und das Personal zu behalten, um realistische Chancen zu haben. Es ist kein Selbstzweck Universitätsklinikum zu werden, sondern es garantiert gleichzeitig die bestmögliche medizinische Vorsorge, die wir hier in der Region bieten. Ich stehe dafür das Klinikum zu stärken, um die medizinischen Leistungen hier in exzellenter Qualität vorzuhalten. So können wir den Weg weiter beschreiten und gleichzeitig die Vernetzung mit den beiden Hochschulen vor Ort deutlich verstärken. Die KU hat Expertise im Bereich Pflege, Soziales und Psychologie. Die THI im Bereich KI und Technik, was in der Pflege und in der Medizin sicher bedeutende Fortschritte bringen und wertvolle Impulse liefern kann. Wenn wir diesen Weg gehen, und selbst wenn wir das Ziel Universitätsklinik nicht erreichen, wird das Klinikum und letztendlich die Menschen trotzdem enorm davon profitieren.
O-T(h)öne: Es gibt das Gutachten zur Medizinstrategie der Region, mit dem Ziel der Zusammenarbeit der regionalen Kliniken im sogenannten Speichenmodell. Wie lässt sich ein Universitätsklinikum und das Speichenmodell vereinbaren?
Schäuble: Das ist nicht so ungewöhnlich. Es gibt vielfältige Beispiele dazu, dass es nicht nur ein Haus gibt. Universitätskliniken sind typischerweise auf verschiedene Gebäude aufgeteilt.
O-T(h)öne: Das eine sind Gebäulichkeiten an einem Campus, das andere wäre eine Verlagerung auf verschiedene Ortschaften.
Schäuble: Das kann man auch in verschiedenen Ortschaften machen.
O-T(h)öne: Für die eine medizinische Leistung der Universitätsklinik Ingolstadt müsste ich dann nach Eichstätt fahren und für die andere nach Pfaffenhofen. Machen das die Patienten mit?
Schäuble: Wenn Sie sich die Charité in Berlin anschauen und die Fahrtwege zwischen den unterschiedlichen Abteilungen innerhalb von Berlin, dann kommen Sie sicher auf wesentlich längere Strecken als zwischen Ingolstadt und Pfaffenhofen. Das ist nicht so ungewöhnlich. Auch bei der LMU ist die Strecke zwischen Großhadern und dem Innenstadtcampus nicht kürzer.
O-T(h)öne: Wie lässt sich ein Universitätsklinikum und das Speichenmodell vereinbaren?
Schäuble: Ich bin mir sicher, dass sich das vereinbaren lässt, aber das Universitätsklinikum darf nicht als Ziel so im Vordergrund stehen, dass wir andere sinnvolle Dinge deswegen vernachlässigen. Wenn es – und da bin ich zutiefst überzeugt davon – sinnvoll ist, hier in der Region zusammenzuarbeiten und ein Modell zu finden, bei dem die schwereren und komplexeren Fälle insbesondere im Klinikum behandelt werden, dann liegt das gar nicht daran, dass ich die anderen Kliniken nicht für leistungsfähig halte. Aber das Klinikum Ingolstadt hält schon viele medizinische Geräte vor, diese müssen auch ausgelastet werden, damit das finanziell einigermaßen im Gleichgewicht bleiben kann. Diese Vorhaltung ist enorm wichtig für die Gesundheit der Bürger hier vor Ort. Ich glaube schon, dass man zu einem guten Modell kommen kann, insbesondere wenn wir uns anschauen, wie gut, schnell und professionell wir heutzutage mit dem Hubschrauber verlegen können. Inzwischen ist die Qualität auch während der Verlegung schon sehr hoch, so dass die möglicherweise leicht erhöhte Zeit durch den Transport nicht ins Gewicht fällt. Zum Beispiel bei Schlaganfällen: Wenn Sie da ein top ausgestattetes System mit exzellenten Ärzten haben, was aufgrund der Kosten und benötigten Fallzahlen meist nur größere Häuser wie wir in Ingolstadt haben können, dann gibt es medizinisch enorme Vorteile. Deswegen bin ich überzeugt davon, dass wir hier in der Region zu einer Zusammenarbeit kommen müssen.
O-T(h)öne: Wobei der Faktor Zeit gerade in der Notfallversorgung besonders wichtig ist. Ich erinnere an die „Golden Hour of Shock“ in der Traumatherapie oder an die Regel „Time is Brain“ in der Schlaganfallversorgung.
Schäuble: Ja, diese Regelungen gibt es. Natürlich müssen wir die Transportzeit möglichst minimal halten und das werden wir auch schaffen.
O-T(h)öne: Wenn die Universitätsklinik Ingolstadt nicht kommt, ist dann das Ziel, Maximalversorger zu werden?
Schäuble: Maximalversorger ist ja nicht im Gesetz definiert. Versorger der Stufe 3 ist wahrscheinlich das, was wir als Maximalversorger im Allgemeinen verstehen. Das sind aktuell die städtischen Kliniken München. Ich bin der Meinung, dass wir dahin müssen, dass wir ein großes und leistungsstarkes medizinisches Spektrum anbieten. Wir müssen aber immer im Auge behalten, was möglich ist. Nehmen wir zum Beispiel die Augenheilkunde. Die haben wir aktuell nicht im Klinikum. Da gibt es aber relativ wenige Notfälle, und Regensburg und München machen das sehr gut. Für mich wäre es deshalb nicht prioritär, die Augenheilkunde zu etablieren. Wir müssen bei den Abteilungen, die wir haben, auf absolutem Top-Stand bleiben. Dann müssen wir immer den Spagat wagen und uns sinnvoll erweitern. Für Ingolstadt ist es sehr schade, dass wir bei der Kinderheilkunde nicht mehr vor Ort anbieten können.
O-T(h)öne: Das war damals eine politische Entscheidung.
Schäuble: Ich glaube, dass ein Ausbau der medizinischen Versorgung von Kindern in Ingolstadt sinnvoll wäre, um die Fahrwege der Kinder und Eltern zu reduzieren.
O-T(h)öne: Die Chance ist ja verpasst worden, als die Verhandlungen mit den Neuburger Elisabethinerinnen gescheitert sind. Das war auch politisch gewollt. Nun betreibt ein privater Träger die Kinderklinik in Neuburg.
Schäuble: Zu den Details der Verhandlungen kann ich mich nicht äußern. Ich war eingebunden, aber die Verhandlungen waren vertraulich.
O-T(h)öne: Das wäre damals die Chance gewesen.
Schäuble: Ich hätte das als große Chance gesehen.
O-T(h)öne: Welche Abteilungen fehlen aus Ihrer Sicht noch im Klinikum Ingolstadt, um gut aufgestellt zu sein?
Schäuble: Es geht nicht nur um Abteilungen, es geht auch um die Breite der Versorgung in den Abteilungen, die wir vorhalten können, und um die Spezialisierung. Das Thema Wirbelsäule zum Beispiel, das von Dr. Morrison angestoßen wurde und jetzt weitergeführt wird.
O-T(h)öne: Dr. Robert Morrison hat das Klinikum Ingolstadt jedoch sehr schnell wieder verlassen, er ging nach Bad Abbach.
Schäuble: Wir haben mit Prof. Dr. Thomas Blattert einen wirklich exzellenten Ersatz für ihn finden können.
O-T(h)öne: Sie haben in unserem Gespräch gesagt, dass Sie als Oberbürgermeister darauf dringen, dass Entscheidungen schneller fallen. Der Spatenstich für die psychiatrische Klinik war dieser Tage. Die Planungen dazu begannen schon 2016. Warum dauert so etwas so lange?
Schäuble: Ich will Oberbürgermeister Scharpf da keinen Vorwurf machen. Wir haben einen sinnvollen Anlauf gewagt, zu einem kompletten Klinikneubau zu kommen, anstatt zu einer Teilsanierung. Von der Logistik her wäre ein Neubau besser gewesen. Das Land Bayern hat dies leider abgelehnt. In der Zeit standen die Planungen quasi still. Das ist nicht optimal, aber ich glaube, dieser Anlauf war es wert. Hätte es funktioniert, wären wir zu einer besseren und günstigeren Lösung gekommen. Jetzt kommt ein Teilersatzneubau, mit hohem Neubauanteil. Es konnte nochmal mehr reinverhandelt werden, was neu gebaut werden darf. Damit wurde auch eine gute Lösung gefunden.
O-T(h)öne: Wie sieht denn das Konzept zur weiteren Generalsanierung aus?
Schäuble: Es werden große Bettenhäuser Richtung Golfplatz angebaut. Die Psychiatrie wird neu gebaut, sodass dann im bisherigen Bereich Platz entsteht, um innerhalb des Klinikums Verlegungen vornehmen zu können und um ganze Stationen sanieren zu können.
O-T(h)öne: Bis wann wäre die Generalsanierung nach den jetzigen Plänen abgeschlossen?
Schäuble: Ja, also da jetzt einen genauen Zeitpunkt zu nennen, wäre glaube ich unseriös, aber es wird noch eine ganze Weile dauern.
O-T(h)öne: Sind 20 Jahre realistisch?
Schäuble: Wie gesagt, es wird noch deutlich dauern.
O-T(h)öne: Das heißt, wenn man dann fertig ist, fängt man von vorn wieder mit der Sanierung an?
Schäuble: Das Klinikum wird sich immer weiterentwickeln. Wenn wir uns anschauen, wie schnell die Fortschritte im Bereich CT, im Bereich MRT und in den ganzen Technikbereichen sind. Wir sind überall vorne mit dabei. Wir haben nie an der Ausstattung des Klinikums gespart, und das gilt parteiübergreifend. Da will ich keinen selbstbezogenen Vorteil. Das war immer Konsens im Aufsichtsrat, dass wir sagen: Wenn es notwendig ist, dann tun wir das.
Ein Teil, den man nicht so sieht, ist der Bereich IT, der inzwischen eine wesentliche Rolle im Klinikum einnimmt. Da haben wir auch laufende Sanierungen, das ist ein fortlaufender Prozess. Also, dass das Klinikum jemals stillsteht, das wäre nicht gut. Aber baulich sind wir dann hoffentlich zuerst mal auf einem Niveau, dass wir uns innerhalb der Bauten weiterentwickeln können.
Quelle: Eigene Berichterstattung.
Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch wurde am Freitag, dem 4. Oktober, aufgezeichnet.