Werden Sie Unterstützer:in von O-T(h)öne
Machen Sie mit bei „Die Berichterstattung von O-T(h)öne ist mir etwas wert“. Ihre Mithilfe trägt dazu bei, dieses Angebot fortzuführen.
100 Tage sind gemeinhin jene Frist, die einem politischen Neuling eingeräumt wird, bevor erste Bilanzen gezogen werden. Michael Kern (CSU), seit März Oberbürgermeister von Ingolstadt, ließ es erst gar nicht so weit kommen. Der promovierte Jurist startete, wie er es selbst formuliert, „mit Volldampf“ – ein Amtsantritt ohne Schonfrist.
Im historischen Sitzungssaal des Ingolstädter Rathauses zieht Kern vor den lokalen Medien eine erste Bilanz. Sein Stil: freundlich, offen, konziliant – und zugleich geprägt von dem erklärten Ziel, Ingolstadt zu einer „nachhaltigen, bürgerfreundlichen und zukunftsfähigen Stadt“ zu machen.
Voller Start, klare Schwerpunkte
Schon in seiner Eingangsrede setzt Kern selbstbewusst Schwerpunkte: Haushalt, Wirtschaft, Bildung – diese Trias will er voranbringen. Der Haushalt 2025 wurde unter seiner Ägide verabschiedetund ist mittlerweile durch die Rechtsaufsicht genehmigt. Dass Konsolidierung nötig sei, daraus macht der neue Oberbürgermeister keinen Hehl. Ein weiteres Sparpaket sei bereits in Arbeit.
Auch beim Amtsverständnis setzt Kern Akzente. Er spricht von einer „Kultur des Ermöglichens“ in der Verwaltung, von Serviceorientierung und Bürgernähe. Insbesondere offene Bürgersprechstunden wie das Format „Kern vor Ort“ sollen helfen, direkte Rückmeldungen einzuholen. Parallel will der OB den Dialog im Stadtrat stärken und auf regionale Kooperationen setzen, über die Grenzen der Stadt hinaus.
Großen Raum in Kerns Vortrag nimmt die Wirtschaft ein: Ingolstadt müsse sich von seiner Abhängigkeit von der Automobilindustrie lösen, einen diversifizierteren Branchenmix anstreben. Ein Aktionsplan für Gewerbeflächen ist angekündigt, ebenso wie ein „Spitzengespräch Tourismus“ im Juli. Kern will die Stadt touristisch besser positionieren.
In der Bildung geht es ihm um einen „Masterplan Schule“, mit dem Containerlösungen vermieden werden sollen. Eine neue „Taskforce Schule“ soll ressortübergreifend schneller Abstimmungen ermöglichen.
Stark betont Kern auch die Identität der Stadt: 80 Jahre Kriegsende, die Umbenennung der Hugo-Höllenreiner–Sraße, Ereignisse, die für ihn den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Traditionen wie das Jubiläum 100 Jahre Donau-Trachtengau sieht er als wichtiges Gegengewicht in einer Zeit wachsender Digitalisierung.
Beim Thema Klimaschutz verweist er auf die städtische Wärmeplanung. Eine Flusswärmepumpe in der Donau sei in Prüfung – noch früh, aber vielversprechend. Auch die Dauerbaustelle Technisches Rathaus will Kern endlich lösen.
Kulturpolitisch zeigt er sich stolz auf die Interimsspielstätte für das Stadttheater, während parallel die aufwendige Sanierung des historischen Hauses vorbereitet wird.
Zwischen Finanzrealismus und Investitionsdruck
Auf Nachfrage des Nachrichtenportals O-T(h)öne, zeigt sich: Viele der von Kern selbst skizzierten Projekte stehen unter Finanzvorbehalt. Sanierungskosten für Theater und Klinikum sprengen schon jetzt frühere Kalkulationen. Kern bleibt ruhig: Verbindlichkeiten seien unumgänglich, aber die solide Ausgangslage der Stadt ermögliche Kreditaufnahmen im Rahmen. Die Regierung von Oberbayern habe den Haushalt genehmigt, wenngleich mit klaren Auflagen. Sparsamkeit sei notwendig, ohne jedoch den Blick auf die Zukunft zu verlieren.
Kritik: Freundlich, aber visionslos?
Eine weitere Nachfrage von O-T(h)öne greift Meinungsäußerungen aus dem Stadtrat auf: Manche Mitglieder hätten den Eindruck, Kern sei freundlich und moderierend – aber es fehle an Führungskraft und Visionen. Kern kontert gelassen: Er setze bewusst auf Kooperation statt auf autoritäre Ansagen. Visionen habe er sehr wohl – eine nachhaltige und lebenswerte Stadt – nur seien große Feuerwerke nach 100 Tagen weder realistisch noch verantwortungsvoll. Seine Priorität liege auf sorgfältiger Arbeit und belastbaren Konzepten.
Taskforce Schule: Neues Gremium, alte Köpfe?
Kritisch hinterfragt wird vom Nachrichtenportal O-T(h)öne auch die neue Taskforce Schule: Dort sitzen – so der Hinweis an den Oberbürgermeister – dieselben Akteure, die bislang schon zuständig waren. Kern verteidigt die Entscheidung: Es gehe nicht um neue Gesichter, sondern um bessere Kommunikation. Die Taskforce soll ressortübergreifend Hindernisse abbauen und schnellere Lösungen ermöglichen.
Alte Kontakte, neue Aufgaben
In einem eher persönlichen Moment erzählt Kern auf Nachfrage aus der Runde der Medienvertreter zu seinem Vorgänger Christian Scharpf. Man telefoniere gelegentlich, spreche über Ingolstadt und die politischen Aufgaben. Der Kontakt sei „sehr vertrauensvoll, fast freundschaftlich“, so Kern – ein Zeichen von Kontinuität trotz politischer Unterschiede.
Verteidigungscampus: Zukunftsprojekt in Arbeit
Ein weiteres Thema aus der Fragerunde betrifft den geplanten Verteidigungscampus. Kern bestätigt, dass intensive Gespräche mit Wirtschaft und Politik laufen, unterstützt von Bundestagsabgeordneten Reinhard Brandl (CSU) und Landtagsabgeordneten Alfred Grob (CSU). Noch gebe es keine konkreten Ergebnisse, aber das Projekt sei in Arbeit – ein möglicher Impuls für den wirtschaftlichen Wandel der Stadt.
Zwischen Pragmatismus und Stillstand?
Nach 100 Tagen präsentiert sich Michael Kern als freundlicher Moderator, der auf Kooperation setzt und Konflikte vermeidet. Große Visionen oder ein erkennbarer politischer Gestaltungswille sind bislang jedoch kaum sichtbar geworden. Wichtige Zukunftsfragen – etwa die finanzielle Absicherung des Klinikums oder die Sanierung des Stadttheaters – sollen vor allem durch neue Kredite gelöst werden. Eigene Ideen, wie die Stadt strukturell unabhängiger oder finanziell stabiler werden könnte, bleiben aus.
Kerns Politikstil, freundlich und konziliant, mag kurzfristig für einen ruhigen Kurs sorgen. Doch in einer Stadt, die vor massiven Herausforderungen steht, könnte sich diese vorsichtige Haltung langfristig als unzureichend erweisen.
Quelle: Eigene Berichterstattung.
Sie möchten zu dieser Veröffentlichung mit dem Nachrichtenportal O-T(h)öne in Kontakt treten?
Wir freuen uns über Ihre E-Mail.