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Kleinprovincia sucht den Kuschel-Oberbürgermeister

Willkommen in Kleinprovincia, der Stadt, die schon beim Anblick eines Sparschweins vor Scham errötet. Während die Kassen hier einem tiefen, schwarzen Loch gleichen, liefern die Kandidaten eine Performance ab, die entfernt an Pantomime erinnert – viel Bewegung, kaum Inhalt. Die gesamte Szenerie könnte direkt aus einer Reality-Show stammen: „Kleinprovincia sucht den sympathischsten Oberbürgermeister“.

Die Kandidaten haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Wahlkampf so harmonisch wie ein Kirchenchor zu gestalten. Wäre da nicht die Kandidatin, die sich erfolgreich in die Unsichtbarkeit taktiert hat: „Wer nichts sagt, macht auch nichts falsch“ – ein Motto, das in der Kommunalpolitik von Kleinprovincia offenbar als tiefgründige Strategie gilt.

Kandidat S präsentiert farbenfrohe Konzeptpapiere, gespickt mit Worten wie „Innovation“ und „Zukunft“. Wie diese Glitzerbegriffe finanziert werden sollen, bleibt ein Rätsel. Am Ende reicht wohl die Behauptung, Kleinprovincia sei kurz davor, das neue „Donau Valley“ zu werden – inklusive Luftschloss-Flatrate.

Kandidat C setzt stattdessen auf sein Spezialgebiet: das pausenlose Händeschütteln. Vielleicht hat er irgendwo gelesen, dass sich auf diesem Weg sowohl Viren als auch Stimmen gleichermaßen verbreiten lassen. Er punktet derzeit mit seinem Wahlkampfknüller: Ein Maibaum vor dem Rathaus – bunt geschmückt und Jahr für Jahr frisch dekoriert, um der Bevölkerung Mut zu machen. „Der Baum steht für Wachstum und Stabilität“, predigt C, ohne die Ironie zu bemerken, dass gerade dies dem Stadtsäckel fehlt. Trotzdem erfreut sich die Bevölkerung an der Idee; offenbar wirkt ein Maibaum beruhigender als jede haushaltspolitische Erklärung.

Gleichgültig, ob es um Gewerbeflächen, Wasserstoffprojekte oder Kulturförderung geht: Manche Kandidaten feuern eine Idee nach der anderen ab, ohne zu bedenken, dass dafür kein Geld im Stadtsäckel mehr vorhanden ist. Mit jeder weiteren Ankündigung rückt das Schreckgespenst einer zukünftigen „Geisterstadt Kleinprovincia“ ein Stück näher, sollten die Gewerbesteuern nicht wieder kräftig sprudeln.

Und Kandidat F? Der entdeckt, dass Wahlkampf bedeutet, sich jenseits seines Plakats in der Öffentlichkeit zu zeigen. Er vermeidet Symbolpolitik und gibt sich betont freundlich-pragmatisch. „Warum nicht mit kleinen, umsetzbaren Ideen anfangen, wie vermehrter Videoüberwachung oder Gesichtserkennung? China hat doch gute Erfahrungen gemacht.“ Der eine oder andere wundert sich zwar, ob das wirklich die beste Herangehensweise ist, doch in Zeiten allgemeiner Planlosigkeit kann schon das kleinste Konzept wie ein rettender Strohhalm wirken.

Die Bürger von Kleinprovincia starren inzwischen hilflos in die Gegend. „Wen soll ich wählen?“, hallt es von den Stammtischen bis in die Fußgängerzone. Man könnte fast annehmen, die Stadt habe eine Lotterie eröffnet, bei der der Hauptpreis ein siebenjähriges Abo für den Rathaussessel ist – leider ohne Trostpreise für die Wählenden.

Eines steht allerdings fest: In Kleinprovincia wird man weiterhin die „großen Potenziale“ beschwören, nur um im nächsten Moment zu erkennen, dass es vor allem an der Umsetzung hapert. Spätestens nach dem Wahltag werden sich die Bürger verwundert die Augen reiben, wenn der Bescheid ins Haus flattert, der steigende Steuern und Gebühren offenbart. Dann wird klar, dass diverse städtische Leistungen eingeschränkt oder ganz gestrichen werden. Das örtliche soziale Projekt? Geschlossen. Der Sportverein? Versiebenfacht die Beiträge, weil städtische Zuschüsse ausbleiben.

Wie in einer alten Folge von „Herzblatt“ stehen die Bürger also vor dem Wahlkabinen-Vorhang und müssen sich entscheiden: „Wen nehmen Sie mit in die Zukunft?“ Statt Sonnenschein und Rosen versprechen die Anwärter nur eine Sitzgelegenheit im Rathaus plus eine Extraladung „kreativer“ Lösungen. „Und hier ist Ihr Herzblatt!“, könnte eine Stimme aus dem Off rufen, während die Mehrzahl der Wahlberechtigten zwischen worthülsenreichen erfahrenen politischen Mandatsträgern, einem Maibaum-Verehrer, einem Luftschloss-Architekten und einem politischen Newcomer schwanken.

Kurz gesagt: Dies ist Kleinprovincia, wo die Wahl wenig Hoffnung auf eine bessere Zukunft weckt, dafür aber ein Bühnenspektakel bietet, das an eine reichlich missratene Kabarettsendung erinnert. Ob die Entscheidung per Stimmzettel oder Lostrommel fällt, scheint kaum einen Unterschied zu machen – die echten Unterschiede liegen wohl tief vergraben unter den vielen bunten Konzeptpapieren.

Aber keine Sorge, liebe Leserinnen und Leser, Kleinprovincia ist selbstverständlich nur ein Fantasieprodukt. Die Realität ist viel geordneter, rationaler und frei von grotesken Ego-Schlachten. Oder etwa nicht?

Fortsetzung folgt …

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