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Klinikum Ingolstadt: Zertifiziert, aber nicht verfügbar?

Von Thomas Thöne

Am vergangenen Dienstagabend kam es im Ingolstädter Stadtteil Haunwöhr zu einem Ereignis, das nicht nur bei den Einsatzkräften der Region Fragen aufwirft, sondern auch die Debatte um die Leistungsfähigkeit des Klinikums Ingolstadt neu entfacht hat. Bereits in der Vergangenheit war aus Kreisen des Rettungsdienstes immer wieder zu hören, dass das Ingolstädter „Klinikum abgemeldet habe“.

Eine Frau geriet bei einem Betriebsunfall in eine Geflügelzerlegungsmaschine, wobei ihr Oberarm durchbohrt wurde und sie eingeklemmt war. Trotz der Nähe zum Klinikum Ingolstadt, einem Hauptversorger mit zertifiziertem Traumazentrum, wurde die Schwerverletzte dort nicht behandelt. Stattdessen musste sie mit einem Rettungshubschrauber, der aus München anfliegen musste, in eine Klinik der Landeshauptstadt geflogen werden. Von Einsatzkräften wird berichtet, dass durch An- und Abflug nach München wertvolle Zeit bis zur dringend erforderlichen operativen Versorgung verloren gingen.

Hintergründe zum Vorgang

Am frühen Abend wurde die Berufsfeuerwehr Ingolstadt gemeinsam mit den Freiwilligen Feuerwehren Haunwöhr und Hundszell, dem Rettungsdienst und dem Notarzt Süd, der im Rahmen der Dienstaufgabe durch Ärzte des Ingolstädter Klinikums besetzt wird, mit dem Alarmstichwort „Person eingeklemmt“ alarmiert. Nach der Befreiung der eingeklemmten Frau wurde sie in einer Münchener Klinik weiter versorgt. Dazu musste allerdings erst ein Rettungshubschrauber aus München zur Einsatzstelle nach Ingolstadt fliegen. Aus Kreisen der Rettungskräfte wurde diskutiert, dass das Klinikum Ingolstadt zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht in der Lage war, die Schwerverletzte aufzunehmen – ein Widerspruch zu seinem Status als überregionales Traumazentrum.

In einer Pressemitteilung hatte das Klinikum jüngst betont, dass es „Tag und Nacht aufnahmebereit sein“ müsse, auch bei der gleichzeitigen Behandlung von zwei Schwerstverletzten. Mit stolz erhobenem Haupt verwies die Klinikleitung darauf, dass das Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie erneut als Traumazentrum für drei Jahre zertifiziert wurde. „Die Versorgung von schwerstverletzten Unfallopfern ist eine unserer anspruchsvollsten Aufgaben“, hatte Andreas Tiete, Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer, in der Pressemitteilung erklärt.

Klinikum gibt auf Nachfrage keine konkrete Auskunft zum Vorgang

Das Online-Nachrichtenportal O-T(h)öne richtete im Sinne einer ausgewogenen Berichterstattung eine Anfrage an das Klinikum Ingolstadt, um die Hintergründe zu klären: Warum wurde die Patientin nicht im zertifizierten Traumazentrum vor Ort aufgenommen? Die Antwort des Klinikums war wenig aufschlussreich: „Das Klinikum war am 10.12.2024 zur genannten Uhrzeit nicht abgemeldet. Es hat sich hierbei vielmehr um eine Einzelfallabwägung zur individuellen Patientenversorgung nach kollegialer Rücksprache zwischen dem Notarzt vor Ort und unserem Klinikum gehandelt“ Konkrete Gründe wurden nicht genannt.

Aus Kreisen der Blaulichtfamilie hieß es, dass die Umleitung der Patientin nach München einen erheblichen Zeitverlust bedeutete. Wäre die Frau im Klinikum Ingolstadt behandelt worden, hätte sie schneller operativ versorgt werden können.

Was bedeutet „Einzelfallabwägung“?

Der Begriff „Einzelfallabwägung“ wirft Fragen auf: Was war der tatsächliche Grund, dass die Schwerverletzte nicht im Hauptversorgungskrankenhaus vor Ort versorgt wurde? Gab es im Ingolstädter Klinikum personelle oder strukturelle Engpässe? Wurden die Kapazitäten des Traumazentrums wegen der Versorgung anderer Schwerverletzter überschritten? Gibt es einen Zusammenhang mit dem Cyberangriff auf das Klinikum vom vergangenen Sonntag? Die Antwort kann nur das Klinikum Ingolstadt selbst geben.

In einer Zeit, in der der Zustand von Krankenhäusern regelmäßig politisch diskutiert wird, drängt sich die Frage auf, ob diese „Abwägung“ nicht eine symptomatische Schwäche im System offenbart.

Folgen und Ausblick

Der Vorfall lenkt den Blick auf die Gesundheitsversorgung in der Region. Während sich das Klinikum Ingolstadt nach außen als hochmodernes Traumazentrum präsentiert, zeigt der Vorfall, dass Anspruch und Wirklichkeit möglicherweise nicht übereinstimmen. Mehr Transparenz des Ärztlichen Direktors des Ingolstädter Klinikums wäre angesagt und eine Nachfrage der Aufsichtsratsmitglieder. Ferner wäre eine Untersuchung der Abläufe dringend erforderlich. Für ein Hauptversorgungskrankenhaus mit zertifiziertem Traumazentrum, das aktuell nur noch Defizite verursacht und durch Steuergelder der Bürger am Leben gehalten wird, sollte ein Vorfall wie dieser die Ausnahme bleiben – und nicht zur Regel werden.

Quelle: Eigene Recherche.

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