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Seit Juni läuft die europaweite Ausschreibung. Gesucht wird eine Beratungsfirma – für ein Projekt, das am Ende zweistellige Millionenbeträge verschlingen könnte. Bis zum 4. Juli 2025 können sich spezialisierte Beratungsfirmen bewerben – ein Auftrag, der Teil eines gesamten Beratungsprozesses ist, der zig Millionen kosten wird. Millionen, die am Ende überwiegend aus kommunalen Kassen kommen – also von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Schon das erste Gutachten, 2023 in Auftrag gegeben und im März 2024 im Stadttheater Ingolstadt vorgestellt, verschlang rund 700.000 Euro. Zählt man Umsetzungsberatung, IT, einheitliche Kliniksoftware, Steuer- und Rechtsberatung sowie spätere Controlling-Mandate dazu, summieren sich die Ausgaben rasch auf einen beachtlichen Millionenbetrag – lange bevor an den Kliniken auch nur eine Wand versetzt wurde.
Hinter verschlossenen Türen, ohne Presse, ohne Debatte: Im März 2024 wurde das erste, rund 700.000 Euro teure Medizinstrategie-Gutachten für die Region 10 präsentiert. Vier kommunale Kliniken suchen nun erneut eine Beratungsfirma. Diese soll das erste Papier in konkrete Maßnahmen überführen. Wieder bleibt unklar, ob die Ergebnisse diesmal öffentlich gemacht werden – oder erneut im kleinen Kreis verschwinden wie schon beim ersten Mal.
Es ist die Fortsetzung eines Prozesses, der mit einem 2023 in Auftrag gegebenen Gutachten begann. Die gesamten Ergebnisse wurden nicht öffentlich vorgestellt – Medien waren ausgeschlossen. Die intransparente Präsentation weckte Misstrauen, vor allem deshalb, weil es sich um eine medizinstrategische Jahrhundertentscheidung handelt: Es geht um die stationäre Versorgung von Hunderttausenden – und um den geplanten Zusammenschluss von vier kommunalen Kliniken: dem Klinikum Ingolstadt, den Kliniken im Naturpark Altmühltal, den Ilmtalkliniken und dem Kreiskrankenhaus Schrobenhausen.
Die aktuelle Ausschreibung ist klar formuliert: Gesucht wird eine Beratung, die die Umsetzung des sogenannten „Nabe-und-Speichen-Modells“ vorantreibt – inklusive der organisatorischen, betriebswirtschaftlichen und infrastrukturellen Umstrukturierung. Doch das Fundament wankt: Das Speichenmodell steht unter Beschuss. Zwei zentrale Gesundheitsstandorte ließ das Gutachten außen vor: das AMEOS Klinikum St. Elisabeth in Neuburg sowie die Privatklinik Dr. Maul. Beide spielen für die Versorgung eine gewichtige Rolle – blieben im Gutachten unerwähnt, offenbar auf Betreiben der Kommunalpolitik – ohne nachvollziehbare Begründung.
Auch die medizinische Realität hat sich seit der ersten Gutachtenerstellung verändert. So operiert mittlerweile ein Wirbelsäulenspezialist sowohl am AMEOS Klinikum in Neuburg als auch an der kommunalen Klinik in Eichstätt. Solche und andere Entwicklungen werfen die Frage auf, ob das Strategiepapier nicht bereits veraltet ist, bevor es überhaupt in die Umsetzung geht.
Bemerkenswert: Die Gewerkschaft ver.di – beim ersten Gutachten außen vor. Arina Wolf, zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretärin, sprach in einem früheren Interview mit dem Nachrichtenportal O-T(h)öne von einem politischen Affront. „Wir haben nicht einmal eine Antwort auf unsere Anfrage bekommen. Das ist kein Umgang auf Augenhöhe.“ Das sei umso gravierender, weil ver.di mit über 7.000 Beschäftigten in der Region eine zentrale Akteurin ist. Die Sorge: Einsparungen im tertiären Bereich könnten zu einem massiven Tarifdumping führen. Auslagerungen und Neugründungen von Service-GmbHs mit schlechteren Arbeitsbedingungen seien absehbar.
Auch aus der Kommunalpolitik kam Widerspruch – von der Linken ebenso wie aus Reihen der SPD. Beide forderten mehr Beteiligung, mehr Transparenz und Zeit für Beratungen – gerade nach dem ersten Gutachten.
Gleichzeitig wird in Ingolstadt über eine Universitätsklinik diskutiert – ein Konzept, das dem Speichenmodell diametral widerspricht. Universitätskliniken leisten alles – das aber passt nicht zur geplanten Spezialisierung im Verbund.
Ein Vorhaben, gut gemeint – aber politisch nicht zu Ende gedacht. Medizinisch sinnvoll, wirtschaftlich vielleicht geboten – politisch aber schlecht orchestriert. Was fehlt, ist ein offener, breiter, demokratischer Diskurs. Was fehlt, ist Transparenz. Und was gefährdet ist, ist das Vertrauen der Menschen in ihre kommunalen Einrichtungen. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, welche Rolle eigentlich die beiden Geschäftsführer des Klinikums Ingolstadt in diesem Prozess spielen.
Die Frage, wie es mit der Gesundheitsversorgung in der Region 10 weitergeht, gehört in die Mitte der Gesellschaft. Nicht hinter verschlossene Türen, nicht in die Aktenberge von Kanzleien und Beraterfirmen. Wer Millionen in Reformen steckt, muss auch den Mut aufbringen, sie öffentlich zu erklären – und gegebenenfalls zu korrigieren.
Am 4. Juli endet die Frist für Bewerbungen. Was dann folgt, wird die Gesundheitslandschaft einer ganzen Region formen – für Jahre, vielleicht für Generationen. Für Kliniken, Personal – und alle, die auf sie angewiesen sind.
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