Die Inflationsrate in Deutschland ist im Mai gegenüber April leicht von 2,2 auf 2,4 Prozent gestiegen. Hauptgründe dafür waren ein statistischer Basiseffekt durch die Einführung des 49-Euro-Tickets vor einem Jahr und deutlich gestiegene Flugpreise, nicht zuletzt infolge der erhöhten Luftverkehrsabgabe. Zudem dämpfte die Entwicklung der Preise für Nahrungsmittel und vor allem Haushaltsenergie zwar weiterhin den Preisauftrieb, aber weniger stark als im April. Dementsprechend stiegen auch die Inflationsraten verschiedener Haushaltstypen, die sich nach Einkommen und Personenzahl unterscheiden, leicht. Der Unterschied zwischen der höchsten und der niedrigsten haushaltsspezifischen Inflationsrate betrug im Mai wie im April 0,9 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Im Mai 2023 waren es 1,5 Prozentpunkte und auf dem Höhepunkt der letzten Inflationswelle sogar 3,1 Prozentpunkte. Während einkommensschwache Haushalte im Mittel des Jahres 2022 und auch 2023 eine deutlich höhere Teuerung schultern mussten als Haushalte mit mehr Einkommen, war ihre Inflationsrate trotz des leichten Anstiegs um ebenfalls je 0,2 Prozentpunkte im Mai 2024 wie in den Vormonaten unterdurchschnittlich: Der Warenkorb von Alleinlebenden mit niedrigen Einkommen verteuerte sich im Mai um 1,6 Prozent, der von Familien mit niedrigen Einkommen um 1,8 Prozent. Das ergibt der neue IMK Inflationsmonitor, den das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung vorlegt.
Insgesamt lag die Inflationsrate von vier der untersuchten neun Haushaltstypen im Mai bei oder leicht unter zwei Prozent, die der übrigen bei 2,1 bis maximal 2,5 Prozent. Trotz des leichten Wiederanstiegs der Teuerungsrate sei im weiteren Jahresverlauf eine weitere Abschwächung bei der Preisdynamik absehbar, analysieren die Forschenden. Da gleichzeitig die Konjunkturentwicklung auch aufgrund der hohen Zinsen schwach ist, halten die Fachleute des IMK weitere Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) für dringend nötig.
Silke Tober, IMK-Inflationsexpertin, und der wissenschaftliche Direktor Sebastian Dullien berechnen seit Anfang 2022 monatlich spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Zahl und Alter der Mitglieder sowie nach dem Einkommen unterscheiden. Seit Kurzem liefert der Monitor ein erweitertes Datenangebot: Online lassen sich längerfristige Trends der Inflation für alle sowie für ausgewählte einzelne Haushalte im Zeitverlauf in interaktiven Grafiken abrufen.
Die längerfristige Betrachtung illustriert, dass ärmere Haushalte während der letzten Teuerungswelle bis in den Sommer 2023 hinein besonders stark durch die Inflation belastet waren, weil sie einen großen Teil ihres schmalen Budgets für Güter des Grundbedarfs wie Nahrungsmittel und Haushaltsenergie ausgeben müssen. Diese waren lange die stärksten Preistreiber. Im Laufe der letzten Monate hat die Preisdynamik dort aber nachgelassen, sodass sich die einkommensspezifischen Differenzen seit dem Höhepunkt im Oktober 2022 deutlich verändert haben. Damals hatten Familien mit niedrigen Einkommen die höchste Inflationsbelastung im Haushaltsvergleich mit 11,0 Prozent. Dagegen waren es beim Haushaltstyp der Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen 7,9 Prozent. Vor einem Jahr, im Mai 2023, waren es Alleinlebende mit niedrigen Einkommen, die mit der höchsten Teuerungsrate konfrontiert waren – 6,9 Prozent. Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen lagen auch in jenem Monat mit 5,4 Prozent deutlich niedriger und unter der hohen allgemeinen Inflationsrate von damals 6,1 Prozent.
Aktuell verteuern sich die spezifischen Warenkörbe von ärmeren Haushalten weniger stark als der Durchschnitt, weil die im Jahresvergleich geringeren Preise für Haushaltsenergie bei ihnen ein relativ großes Gewicht haben. Dass wiederum Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen mit 2,5 Prozent aktuell eine höhere Inflationsrate haben als die übrigen Haushalte im Vergleich, liegt daran, dass diese Haushalte stärker als andere, etwa Kfz-Versicherungen, Restaurantdienstleistungen, Gesundheitsdienstleistungen oder Dienstleistungen zur Wohnungsinstandhaltung nachfragen, deren Preise aktuell deutlich anziehen. Das gilt tendenziell auch für Paare mit Kindern und hohen Einkommen, deren Warenkorb sich im Mai um 2,4 Prozent verteuerte. Die Inflationsraten von Paaren ohne Kinder und von Paaren mit Kindern und jeweils mittleren Einkommen betrug je 2,2 Prozent. Alleinlebende mit höheren Einkommen verzeichneten eine Teuerungsrate von 2,1 Prozent. Bei Alleinlebenden und bei Alleinerziehenden mit jeweils mittleren Einkommen legten die Preise im Jahresvergleich um je 2,0 Prozent zu.
„Die Inflationsrate für die meisten Haushaltstypen liegt relativ nahe an der EZB-Zielinflation, das ist ein wichtiges Signal für die Geldpolitik. Allerdings darf dabei nicht ausgeblendet werden, dass das Preisniveau deutlich höher ist als vor der Inflationswelle. Die Kaufkraft vieler Haushalte hat sich von dem Teuerungsschub noch nicht vollständig erholt“, sagt IMK-Sebastian Dullien.
Dullien und Tober rechnen im weiteren Jahresverlauf mit nachlassendem Teuerungsdruck, auch bei den Dienstleistungspreisen, die zuletzt stärker angezogen haben. Die EZB habe richtig entschieden, trotz des leichten Anstiegs der Inflation im Mai die Leitzinsen erstmals zu senken. Die „Zinswende“ sei sogar „überfällig“ gewesen, angesichts der insgesamt deutlich gesunkenen Inflation bei gleichzeitig trüber Wirtschaftslage.
Das gelte auch mit Blick auf die Entwicklung des für die EZB besonders wichtigen Harmonisierten Verbraucherpreisindexes (HVPI). In Deutschland fiel der Ausschlag im Mai bei der HVPI-Rate noch etwas höher aus als in der nationalen Statistik und trug maßgeblich zum Anstieg der Euroraum-Inflation im Mai bei. Der Unterschied erkläre sich vor allem dadurch, dass Mobilitätsausgaben im HVPI stärker gewichtet werden, weshalb sich schlicht auch der Basiseffekt durch das 49-Euro-Ticket sowie die Luftverkehrssteuer stärker auswirkten. Dieser Zusammenhang mache aber auch deutlich, dass Fiskalmaßnahmen wie Anhebungen von Steuern oder Abgaben, die preistreibend wirken, in der aktuellen Situation besonders gut überlegt werden müssten, schreiben die Forschenden: „Die Bundesregierung wäre gut beraten, wenn sie in dieser kritischen Phase der Annäherung der Inflation ans Inflationsziel auf preistreibende Maßnahmen verzichten oder diese im Falle von Lenkungssteuern“ – wie etwa dem CO₂-Preis -„durch preissenkende Maßnahmen an anderer Stelle kompensieren würde.“
Dullien und Tober rechnen damit, dass die EZB den maßgeblichen Leitzins bis zum Jahresende auf drei Prozent senken wird. Das sollte nicht das Ende des Zinssenkungspfades sein, mahnen die Forschenden, denn: „Damit wären die Zinsen weiterhin im restriktiven Bereich und würden die Wirtschaft Deutschlands und des Euroraums weiterhin bremsen.“
Quelle: Hans-Böckler-Stiftung.
Sie möchten zu dieser Veröffentlichung mit dem Nachrichtenportal O-T(h)öne in Kontakt treten?
Wir freuen uns über Ihre E-Mail.