Anzeige

Leserbrief: Teile und Herrsche - Getrennte Abstimmung der beiden Bürgerentscheide

Leserbrief: Teile und Herrsche - Getrennte Abstimmung der beiden Bürgerentscheide

Die Kunst in der Politik ist es, für eine Entscheidung eine für den Bürger positiv klingende Begründung zu liefern, obwohl damit eigentlich andere Ziele verfolgt werden. Ein aktuelles Beispiel: OB Christian Scharpf will die Abstimmungen über die Ratsbegehren zum Bau der Kammerspiele (3.7.2022) und zum Bau der geplanten Mittelschule im sogenannten 2. Grünring jetzt auf den 25.9.2022 trennen und nicht in einem Wahlgang abstimmen lassen. Seine Begründung: Anders als bei den Kammerspielen wären zum Thema Schulbau noch Informationsdefizite in der Bevölkerung vorhanden, deren Ausräumung mehr Zeit beanspruchen würden. Dies muss verwundern: wurde auch hierfür ein Bürgerbegehren mit mehrwöchiger Unterschriftensammlung durchgeführt, in etlichen Stadtratssitzungen wurde das Thema besprochen, in den Medien darüber ausführlich berichtet. Bis zum 3. Juli sollte eine nochmalige mediale Aufbereitung der Für und Wider und den Folgen eines Scheiterns der Planung oder auch eine Podiumsdiskussion mit Planern und Gegnern möglich sein. Der interessierte Bürger kann sich über den geplanten Standort durch einen Blick in die Stadtkarte oder gar vor Ort ein Bild machen.

Es ist also der Verdacht begründet, dass es für diese Entscheidung andere, „inoffizielle“ Gründe gibt. Bei einer gleichzeitigen Abstimmung beider Themen ist zu erwarten, dass mehr Bürger zur Wahl gehen. Wer gegen eine Bebauung des 2. Grünrings mit einer Mittelschule ist, sollte logischerweise auch gegen die Vernichtung des wertvollen Grünzuges am Standort der geplanten Kammerspiele sein. Beide Male geht es um das Stadtklima. Wissenschaftlich anerkannt ist, dass eine Begrünung die Temperaturen der Umgebung bis zu 3 Grad Celsius absenken kann. Auf den im DONAUKURIER veröffentlichten Luftbildern ist eindeutig erkennbar, dass der geplante Standort der Kammerspiele den noch einzigen Grünzug, der in die Pflasterwüste des Rathausplatzes, Viktualienmarktes und rund ums Theater reicht, unwiederbringlich vernichtet.

Oder sollte die getrennte Abstimmung dem kulturbeflissenen ökologisch orientierten Wähler die Bewusstseinsspaltung ersparen, einerseits wertvolles Stadtgrün für einen weiteren Kulturtempel zu opfern, andererseits genau dieses Grün aber gegen einen Schulbau zu verteidigen. Und dies auf ein und demselben Stimmzettel!

Wer wie die Fraktion der Grünen im Werfen von Frisbeescheiben in der Glacis den Bestand der Bäume dort gefährdet sieht, andererseits  ber ohne Weiteres die Motorsägen an den wertvollen Baumbestand gegenüber dem Stadttheater legt, macht sich ohnehin unglaubwürdig. Dort wird das Stadtgrün zur beliebig politisch einsetzbaren Biomasse. Es wäre wünschenswert, wenn sich der Bund Naturschutz mit derselben Vehemenz gegen den Standort der Kammerspiele wie gegen den Standort der geplanten Mittelschule einsetzen würde, leider muss man dies bisher vermissen.

Unverantwortlich sind jedenfalls die durch die getrennte Abstimmung entstehenden doppelten Kosten, wie z. B. für den Druck der Wahlunterlagen, Herrichten der Wahllokale, Bezahlung der Wahlhelfer (soweit diese im öffentlichen Dienst beschäftigt, bekommen sie einen Tag frei), Organisation der Wahl usw. Da werden ohne weiters sechsstellige Zahlen erreicht, nach Ansicht des OB „gut angelegte Demokratiekosten“.

Irgendwie kommt mir da die lateinische Redewendung in den Sinn: „ divide et impera“ übersetzt: „teile und herrsche“

Wolfgang Scheuer

Lesen Sie hierzu auch: Wir fahren im Fahrstuhl erster Klasse abwärts

Anmerkung der Redaktion O-T(h)öne: Leserbriefe geben die Meinung des Verfassers wieder, nicht die der Redaktion. Die Verantwortung für den Inhalt eines Leserbriefes trägt allein der Verfasser. Anonyme Briefe werden nicht veröffentlicht. Leserbriefe müssen den Vor- und Nachnamen sowie eine Adresse beinhalten. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.

Anzeige

Datenschutz

Diese Webseite verwendet Cookies. Einige Funktionen (z.B. eingebundene Videos) können ohne den Einsatz dieser Cookies nicht angeboten werden.

Weitere Infos zum Datenschutz