Anzeige

Linksruck der Ingolstädter CSU

Von Thomas Thöne

Die CSU in Ingolstadt hat sich in den letzten Jahren zunehmend einem politischen Wandel unterzogen, und mit der Kandidatur von Michael Kern für das Amt des Oberbürgermeisters scheint dieser Kurswechsel seinen Höhepunkt zu erreichen. In seiner gestrigen Rede präsentierte Kern eine Vision für Ingolstadt, die zwar viele Themen ansprach, aber häufig an konkreten Lösungen und klaren politischen Positionen vermissen ließ. Was bleibt, ist der Eindruck einer Kandidatur, die es allen recht machen möchte – und dabei Gefahr läuft, ihre konservative Wählerschaft zu verlieren.

Das Fehlen klarer Lösungsansätze

Zahlreiche zentrale Themen der Ingolstädter Politik wurden von Michael Kern angesprochen – vom Ausbau der Wirtschaftsförderung über die Verbesserung der Bildungseinrichtungen bis hin zur Stärkung der Sicherheitsinfrastruktur. Doch trotz des breiten Themenspektrums blieben klare politische Lösungsansätze oft auf der Strecke.

Besonders auffällig war die vage Rhetorik in Bezug auf die Wirtschaftsförderung. Kern erklärte, dass er als Oberbürgermeister persönlich dafür sorgen wolle, „dass Wirtschaftsförderung wieder Chefsache wird“, ohne jedoch präzise Maßnahmen oder konkrete Ziele zu benennen. Während die Begriffe „Förderung“, „Erleichterung“ und „Wachstum“ oft fielen, blieben die spezifischen politischen Schritte, wie beispielsweise eine Reform der Bürokratie oder steuerliche Entlastungen, weitgehend im Unklaren. Kern versäumte es, auszuformulieren, wie er als Stadtoberhaupt den Mittelstand tatsächlich unterstützen wolle – und warum seine Lösungen ausgerechnet Ingolstadt aus der aktuellen wirtschaftlichen Flaute führen sollten.

Ähnlich wenig greifbar blieben seine Aussagen zur Schul- und Bildungspolitik. Ja, er versprach, „Schule und Kitas zur Chefsache zu machen“ und kündigte eine „Taskforce“ an, die regelmäßig arbeiten soll, um bestehende Probleme zu lösen. Doch was genau diese Taskforce leisten soll und wie die Stadt mit der anhaltend steigenden Zahl an Schülern und Kitaplätzen umgehen wird, blieb unklar. Statt innovativer Lösungen klang es wie eine längst bekannte Forderung nach mehr Aufmerksamkeit – und das in einer Stadt, in der die Infrastruktur schon lange nicht mehr mit dem wachsenden Bedarf Schritt hält.

Das Umgarnen der Anwesenden und der Kurs des „Wohlfühlpolitikers“

Kern verstand es meisterhaft, seine Rede auf eine Weise zu gestalten, die vor allem die Anwesenden besänftigte und keine politischen Gegner vor den Kopf stieß. Mit Ausnahme einer verbalen Attacke gegen den amtierenden Oberbürgermeister der SPD, Christian Scharpf, die wohl die Stimmung im Saal anheizen sollte, positionierte sich als „Mann der Mitte“, der es allen recht machen wollte. Diese Taktik, Menschen unterschiedlichster gesellschaftlicher Gruppen anzusprechen – vom Mittelstand bis hin zu Arbeitnehmervertretern, von Radfahrern bis zu Autofahrern –, schien weniger ein Ausdruck einer klaren politischen Vision, sondern vielmehr ein Versuch, möglichst viele potenzielle Wählergruppen zu umgarnen.

In seiner Ansprache vermied Kern es, klare politische Kanten zu zeigen oder gar eine kontroverse Position zu beziehen, die ihn in einem polarisierten politischen Klima hätte positionieren können. Die Vermeidung jeglicher Auseinandersetzung mit politischen Gegnern, sei es von der linken oder der rechten Seite, trug zu dem Eindruck bei, dass Kern als ein „Wohlfühlpolitiker“ agiert, der möglichst allen gefallen will – ein Stil, der nicht nur uneindeutig, sondern in Zeiten zunehmender politischer Polarisierung auch risikoreich ist.

Besonders auffällig war dieser sanfte Umgang mit politischen Andersdenkenden, der in seiner Rede mehrfach zur Schau gestellt wurde. Während Kern sich immer wieder für einen respektvollen Dialog und Konsens aussprach, ließ er konkrete Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern und deren Ansichten weitgehend außen vor. Er kritisierte bis auf einmal niemanden direkt und verzichtete auf die Schärfe, die ein politischer Führer in einer Stadt wie Ingolstadt, die mit Herausforderungen wie einer anhaltend schwierigen Wohnraumsituation und dem Strukturwandel in der Automobilindustrie zu kämpfen hat, durchaus nötig hätte.

Der Linksruck in der CSU

Ein weiterer bemerkenswerter Punkt in Kerns Rede war der deutliche Kurswechsel, den er für die CSU in Ingolstadt fordert. Mit seiner Wahl könnte die CSU in der Stadt einen klaren „Linksruck“ erfahren, der nicht nur bei den politischen Mitbewerbern für Aufsehen sorgt, sondern auch bei der eigenen konservativen Basis zu einer kritischen Auseinandersetzung führen könnte. Dies war jedoch, wie das Wahlergebnis zeigt, von den anwesenden Mitgliedern, die Kern wählten, so gewollt.

Kern betonte mehrfach, dass er die CSU zu einer Partei der „Mitte“ machen wolle, die für alle offen sei und auch die Anliegen von sozialdemokratischen und liberalen Wählern berücksichtige. Dabei stellte er sich als jemand dar, der es mit sozialen Themen wie der Bildung und der Sozialpolitik genauso ernst nehme wie mit der Wirtschaftsförderung – ein klarer Versuch, sich von den traditionellen, konservativen Positionen der CSU zu distanzieren.

Gerade in einer Stadt wie Ingolstadt, die historisch gesehen tief in der CSU verwurzelt ist und von einer bürgerlich-konservativen Wählerschaft geprägt wird, könnte dies zu einem problematischen Bruch führen. Die Entscheidung, Kern als Kandidaten aufzustellen, könnte bei vielen der traditionellen CSU-Wähler, die eine klare konservative Linie bevorzugen, Zweifel aufwerfen. Inwieweit diese Wählerschaft von Kerns „Mitte-Politik“ abgeholt wird, bleibt fraglich. Tatsächlich könnte die CSU mit dieser Annäherung an die politische Mitte und dem Versuch, möglichst viele Wählergruppen anzusprechen, in Gefahr laufen, ihre konservativen Stammwähler zu verlieren. Die FREIEN WÄHLER könnten davon profitieren.

Gefahr von Stimmenverlusten

Michael Kern hat gestern zwar eine Vielzahl von Themen angesprochen, jedoch in vielen Bereichen konkrete Lösungen und klare politische Positionen vermissen lassen. Statt entschlossener politischer Handlungsfähigkeit gab es vor allem vage Rhetorik, die weder klare Antworten auf die drängenden Probleme der Stadt lieferte, noch die dringend notwendige politische Schärfe zeigte. Sein Versuch, es allen recht zu machen, könnte auf lange Sicht dazu führen, dass er in der politischen Mitte zwar Zustimmung erhält, aber bei den konservativen Wählern, die auf eine klare Haltung setzen, verloren geht.

Für die CSU könnte die Wahl von Kern in Ingolstadt also ein zweischneidiges Schwert sein. Während er als Kandidat die politische Mitte zu erobern sucht, läuft er Gefahr, in der konservativen Wählerschaft eine breitere Entfremdung zu erzeugen – mit potenziellen Stimmenverlusten als bitterem Ergebnis.

Sie möchten zu dieser Veröffentlichung mit dem Nachrichtenportal O-T(h)öne in Kontakt treten?

Wir freuen uns über Ihre E-Mail.

Diesen Beitrag teilen
Anzeige