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Von Thomas Thöne
Damit haben selbst viele aktive Kommunalpolitiker der Ingolstädter CSU nicht gerechnet. Ihr OB-Kandidat Michael Kern erreichte im ersten Wahlgang satte 46,7 %. Nur knappe 4 % fehlten ihm zur absoluten Mehrheit. Ein Ergebnis, das auf einen Schlag alle Kritiker Kerns in der Ingolstädter CSU – und das waren nicht gerade wenige – verstummen ließ. Er hat jetzt nur noch Parteifreunde, die schon immer hinter ihm standen und wussten, dass er das Zeug zum OB hatte. So ist Politik. Das war der erste erstaunliche Aspekt an der gestrigen Oberbürgermeisterwahl. Kern profitierte von dem guten Lauf der CSU in Bayern, wodurch seine Schwächen in den Hintergrund rückten, ist aus der CSU zu vernehmen. Trotz des bayernweiten Aufwärtstrends der CSU hatten selbst Parteimitglieder nicht erwartet, dass Kern so deutlich abschneiden würde. Es sei nicht absehbar gewesen und auch nicht selbstverständlich, dass der Trend der Partei sich auch so im Ingolstädter Wahlergebnis widerspiegelt.
Ein weiterer erstaunlicher Aspekt war, dass nur 49,1 % der Wahlberechtigten es für wichtig hielten, wer sie als Oberbürgermeister repräsentiert und die Geschicke der Stadt leitet. Die geringe Wahlbeteiligung kann sowohl ein Zeichen für eine schwindende politische Beteiligung als auch für eine bewusste Nichtwahl aus Frustration über die Kandidaten sein – beides sollte Kommunalpolitiker zum Nachdenken bringen.
Das Wahlergebnis zeigt deutlich, dass in Ingolstadt politische Inhalte und Konzepte kaum noch eine Rolle spielen. Zwar gab es programmatische Unterschiede zwischen den Kandidaten, doch sie blieben oft zu vage und spielten für viele Wähler offenbar keine entscheidende Rolle. Stattdessen entscheidet eine strategisch gelenkte Mobilisierung der treuen Parteianhänger oder die Sympathie für einen Kandidaten über den Ausgang der Wahl – eine bedenkliche Entwicklung für die Demokratie.
Sowohl Kern als auch der Kandidat des links-grünen Bündnisses, der Gewerkschafter und SPD-Vorsitzende Christian De Lapuente, gaben keine konkreten Antworten oder präsentierten gar nachvollziehbare Lösungskonzepte für die drängenden Probleme unserer Stadt. Hierzu gab es lediglich ausschweifende Antworten. Fragen zur Finanzkrise wurden mit vielen Worten umschifft. Einen wirklichen programmatischen Unterschied konnte die Wählerschaft nur darin erkennen, dass Kern betonte, es müsse gespart werden, jedoch nicht konkretisierte, wie dies geschehen soll. De Lapuente hingegen wiederholte gebetsmühlenartig, dass die Stadt nicht kaputtgespart werden dürfe und weiter investiert werden müsse – ebenfalls ohne konkrete Angaben zur Umsetzung.
Der Kuschelwahlkampf, den sich die Kandidaten lieferten, zeigt im Ergebnis eine klare konservative Tendenz in Ingolstadt. Kern und Stefan König von den Freien Wählern kommen zusammen auf 58,8 %. Hinzu kommen noch 9,4 % für die AfD-Kandidatin. Bei der letzten Oberbürgermeisterwahl kam das jetzige links-grüne Bündnis mit jeweils eigenen Kandidatinnen und Kandidaten zusammen auf 55,5 % der Stimmen (SPD 33,7 %, GRÜNE 9,2 %, ÖDP 1,9 %, BGI 4,9 %, LINKE 3,4 %, UDI 2,4 %). Mit dem gemeinsamen Brückenkandidaten erreichte es nun im ersten Wahlgang nur noch 31,9 %. Offensichtlich lassen sich nicht alle früheren Wähler eines Partei-Bündnisses automatisch für einen gemeinsamen Kandidaten mobilisieren. Hier ist die Strategie der Verantwortlichen von SPD, GRÜNE, ÖDP, UWG und LINKE nicht aufgegangen – deren Brücke bröckelt.
Mit inhaltlicher Leere und einem unprofessionellen Auftreten hat Rosa Pepke sich bei den öffentlichen Diskussionsveranstaltungen selbst ins politische Abseits katapultiert und jegliche Glaubwürdigkeit als ernst zu nehmende Kandidatin verspielt. Bundesweit hat die AfD gegenüber der letzten Bundestagswahl in Umfragen zugelegt, was sich auch in Ingolstadt niederschlagen dürfte. Da bundespolitische Themen wie die Migration bei Bundestagswahlen oft stärker im Vordergrund stehen, könnte dies auch in Ingolstadt zu einer höheren Zustimmung für die AfD führen. Daher sollten sich die Anhänger der demokratischen Parteien nicht zu früh freuen und sich in Sicherheit wiegen. Auch bei CSU und SPD werden die Wahlergebnisse anhand der Wählerbefragung bei der Bundestagswahl anders ausfallen.
Ein Achtungserfolg gelang Stefan König von den Freien Wählern. Er konnte das Ergebnis seiner Partei gegenüber der Kommunalwahl deutlich steigern. Das ist für einen absoluten politischen Newcomer beachtlich, zumal es in Ingolstadt keine deutliche politische Wechselstimmung gab.
Ob das deutliche Wahlergebnis für Kern auch als Watschen oder gar als „Quittung“ für Oberbürgermeister Christian Schapf (SPD) zu verstehen ist, der sich noch vor Ablauf seiner Amtszeit nach München verabschiedet, um dort das Amt des Wirtschaftsreferenten zu übernehmen, wird kontrovers diskutiert. In konservativen Kreisen spricht man gar von einer „Abwahl“, darüber gehen die Meinungen zwischen CSU, Freien Wählern und den Parteien des links-grünen Wahlbündnisses weit auseinander.
Da bis zur Stichwahl in 14 Tagen noch viel passieren kann und oft bereits ein kleiner politischer Fehler ausreicht, um die Stimmung in der Bevölkerung zu kippen, trifft der Spruch „Die Messe ist noch nicht gelesen“ durchaus zu. Die CSU sollte sich keinesfalls zu sicher wähnen. Ein falscher Schritt, eine unbedachte Aussage oder das Gefühl der Unantastbarkeit könnten schnell dazu führen, dass sich das Blatt noch wendet. Hochmut hat schon so manchen Wahlsieg in eine Niederlage verwandelt.
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