Das Nachrichtenportal O-T(h)öne hat mit Stadtrat Christian Lösel ein langes, ausführliches Gespräch zu wichtigen Themen der Ingolstädter Kommunalpolitik geführt, das bereits in mehreren Teilen veröffentlicht wurde. Da die CSU Ingolstadt am kommenden Dienstag zwischen den Bewerbern, Michael Kern und Christian Lösel, den OB-Kandidaten wählt und nominiert, werden hier nochmals die Fragen und Antworten von Christian Lösel zu seinen politischen Lösungsansätzen veröffentlicht. Die Beantwortung von Fragen durch Michel Kern erfolgt in einem eigenen Artikel.
Das Interview wurde bereits am 4. September geführt.
O-T(h)öne: Ein enorm wichtiges kommunalpolitisches Thema ist das Klinikum Ingolstadt. Die Stadt Ingolstadt muss seit geraumer Zeit und auch in der Finanzplanung für die kommenden Jahre erhebliche Defizite tragen. Derzeit ist abermals ein Gutachten in Auftrag gegeben worden, diesmal mit der Fragestellung, wie die Krankenhäuser der Region fusionieren können. Bereits vor rund 20 Jahren wurde dies schon politisch diskutiert. Damals war die Idee aus unterschiedlichen Gründen mit den politischen Verantwortlichen in den Landkreisen nicht umsetzbar. Nun wurde die Idee einer Universitätsklinik wieder auf das Tableau gehoben, auch das hat man vor 20 Jahren in den Gremien des Klinikums diskutiert. Obwohl Ingolstadt damals über die Parteigrenzen hinweg eine sehr starke politische Vertretung im Landtag hatte und in der Staatsregierung vertreten war, konnte keine Universitätsklinik in Ingolstadt etabliert werden. Wie kann es aus Ihrer Sicht weitergehen mit dem Klinikum Ingolstadt?
Christian Lösel: Ich möchte, weil ich nicht in den Gremien des Klinikums sitze und damit seit fünf Jahren nicht mehr in den Aufsichtsgremien tätig bin, zu Interna und wo die Defizite entstanden sind, nichts sagen. Für mich ist politisch unabdingbar, dass das Ingolstädter Klinikum zum Maximalversorger ausgebaut werden muss. Wir reden hier auf der einen Seite von den laufenden Sanierungen, aber wir reden auch von der Frage des breiten Angebots im Klinikum Ingolstadt.
Ein Ingolstädter Bürger, der am Wochenende medizinische Versorgung benötigt und dem gesagt wird, da haben wir keine Spezialisten bei uns, fahren Sie bitte nach München, Regensburg oder Nürnberg – das kann nicht unser Anspruch sein. Wir haben irgendwann 150.000 oder 160.000 Einwohner. Bei dieser Bevölkerungszahl müssen alle medizinischen Leistungen vor Ort angeboten werden. Das ist der Anspruch der CSU und das geht nicht gegen andere Kliniken, um das klar zu sagen. Es geht um die medizinische Versorgung der Ingolstädter Bevölkerung.
Im oberbayerischen Norden gibt es keinen Maximalversorger. Wir sind in der Karte des Krankenhausplans ein blinder Fleck. Deswegen ist der Maximalversorger für uns ein wesentlicher Punkt. Der Maximalversorger muss nach und nach aufgebaut werden. Gleichzeitig schafft uns das allerdings auch die Möglichkeit, Ende des nächsten Jahrzehnts ein Universitätsklinikum zu haben. Andere Städte unserer Größe haben bereits ein Universitätsklinikum.
O-T(h)öne: Zunächst also der Maximalversorger mit der Stadt Ingolstadt als Träger? Da der Bezirk Oberbayern dann für die Finanzierung der somatischen Versorgung dieses Maximalversorgers nicht mehr zuständig sein wird, da er die psychiatrische Versorgung dann alleine sicherstellt, wird die Stadt den Maximalversorger selbst finanziell stemmen müssen.
Christian Lösel: Wir werden das in Kooperation mit den Landkreiskliniken stemmen müssen. Ich möchte aber dem weiteren Gutachten nicht vorgreifen und auch dem Ingolstädter Stadtrat nicht. Ich habe im ersten Teil des Interviews unterstrichen, dass wir alle Parteien, alle gesellschaftlichen Gruppierungen mitnehmen müssen. Das gilt auch für den Themenkomplex des Klinikums.
Für die CSU ist das Ziel, dass wir eine hohe Versorgungsqualität wollen, die einem Maximalversorger entspricht. Wir wollen dabei niemanden verlieren, aber wir müssen als stark wachsende Stadt eben auch diese unterschiedlichen Leistungen entsprechend anbieten. Wir werden mit dem Freistaat Bayern dazu auch in Gespräche eintreten und damit das tun, was die Bevölkerung der Stadt Ingolstadt auch von uns erwartet.
O-T(h)öne: Das erste Gutachten, das der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht und auch den Aufsichtsratsmitgliedern des Klinikums nicht ausgehändigt wurde, sieht vor, dass die Endoprothetik vom Ingolstädter Klinikum weg verlagert werden soll, in die Region. Da drängt sich die Frage auf, wie soll das funktionieren mit dem Maximalversorger, wenn bestimmte Leistungen aus dem Klinikum in die Region ausgelagert werden, im Rahmen der Fusionierung?
Christian Lösel: So möchte ich das nicht stehen lassen. Man kann schon auch bestimmte Abteilungen in einer gewissen Weise woanders hin verlagern. Auch in München ist es so, dass nicht alles in einem Gebäude ist; das geht einfach oftmals aufgrund von Platzgründen nicht. Ziel der CSU Ingolstadt ist, dass ein Ingolstädter die medizinische Versorgung vor Ort vorfindet und nicht nach Regensburg, Nürnberg oder München fahren muss. Wenn ein Kind sich am Wochenende einen Ast ins Auge rammt, dann haben die Eltern kein Verständnis, wenn dieses Kind nicht in Ingolstadt behandelt werden kann, weil die Spezialisten beispielsweise 100 Kilometer weit weg sitzen – das geht nicht.
O-T(h)öne: An die Fragen zum Klinikum schließt sich gleich ein ähnliches Thema an. Wenn ich das letzte Pflegegutachten ansehe, das die Stadt Ingolstadt erstellen ließ, sowie weitere Zahlen betrachte, die zur Verfügung stehen, dann wird mir mit meinen 65 Jahren angst und bange, was die stationäre Versorgung von Pflegebedürftigen angeht. Wir haben hier erhebliche Defizite. Diese bestehen nicht nur in der stationären Versorgung. Inwieweit ist das für Sie ein Thema?
Christian Lösel: Ich bekomme in meinem Alter schon alle möglichen Angebote, unter anderem für betreutes Wohnen. Sie können sich da schon mal genossenschaftsmäßig einkaufen. Sie können ein Zimmer für ein Alter von 70, 75, 80 Jahren sozusagen „reservieren“.
O-T(h)öne: Das können die machen, die Geld haben.
Christian Lösel: Genau. Ich habe es bislang nicht gemacht, weil ich mich mit diesem Thema eher politisch auseinandersetze. Unsere Gesellschaft wird immer älter und gleichzeitig nehme ich das genauso wahr wie Sie, dass ein Pflegeplatzmangel besteht und auch ein Pflegekräftemangel. Jetzt kann ich aber nicht sagen, solange ich keine Pflegekräfte habe, öffne ich auch kein Pflegeheim. Ich muss beides in einem parallelen Verfahren lösen. Die CSU Ingolstadt hat das Ziel, ein weiteres Pflegeheim anzustreben.
O-T(h)öne: Die Stadt soll ein Pflegeheim bauen?
Christian Lösel: Ob dies städtisch sein muss, wird man sehen. Mir geht es um die Frage, dass es am Schluss geschieht.
O-T(h)öne: Einen privaten Investor hat die Stadt bisher nicht gefunden, trotz finanzieller Anreize, die gewährt werden. Dies auch wegen des Mangels an Pflegekräften. Müsste nicht die Stadt Ingolstadt im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge tätig werden? Andere Kommunen tun dies. Ingolstadt hatte auch einmal ein städtisches Pflegeheim an der Sebastianstraße.
Christian Lösel: Ich möchte mich nur jetzt nicht auf den ganz genauen Weg festlegen. Am Schluss geht es nicht um die Frage, ob es kommunal, privat oder eine Stiftung ist. Es geht am Schluss darum, dass für die Bürgerschaft zusätzliche Pflegeplätze geschaffen werden. Zum Erreichen dieses Ziels halte ich mir alle Wege offen. Das Ziel der Ingolstädter CSU ist, dieses Ziel zu erreichen. Wir müssen uns als Stadt darum kümmern, dass wir für unsere ältere Bevölkerung, die sich hier jahrzehntelang in Ingolstadt eingebracht haben, in den Unternehmen gearbeitet haben, sich sozial engagiert haben, ausreichend gute Pflege gewährleisten – dies in verschiedenen Formen.
O-T(h)öne: Wir haben in Ingolstadt nicht nur die Situation, dass es Probleme gibt im Bereich der Pflege, sondern wir haben auf dem Wohnungsmarkt erhebliche Probleme und wir haben auch bei den Schulen Probleme. Welche Strategie verfolgen Sie bei diesen Themen?
Christian Lösel: Ich hatte in den Jahren 2014 bis 2020 gemeinsam mit dem Stadtrat und dem Aufsichtsrat der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft zwei große Sonderbauprogramme beschlossen, übrigens in großer Einstimmigkeit. Der Stadtrat hat damals große Projekte gemeinsam beschlossen.
Wir brauchen neue Baugebiete für junge Familien, wir müssen aber darauf achten, dass wir dabei bezahlbare Situationen schaffen. Wenn die Grundstücke immer teurer werden, muss man höher bauen. Wir müssen vielleicht auch kleinere Grundstücke zuschneiden. Es muss ja nicht ein 600-Quadratmeter-Grundstück sein. Es könnte auch ein 400-Quadratmeter-Grundstück reichen. Kommunen wie Stuttgart gehen unter die 400 Quadratmeter Grundstücksfläche. Der Außenbereich muss qualifiziert durch die Stadt entwickelt werden, damit es ein positives Lebensumfeld gibt. Das heißt, wir brauchen ein weiteres Sonderbauprogramm. Wir müssen dabei im Auge behalten, dass die Leute die Mieten zahlen können. Natürlich gibt es immer wieder Situationen, dass Mieten steigen, weil jetzt der Verbraucherpreisindex, die Inflation steigt und sonst was. Da kann die Stadt nichts machen, denn das ist ein Vertragsthema zwischen Mieter und Vermieter.
O-T(h)öne: Beim sozialen Wohnungsbau kann die Stadt über die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft tätig werden.
Christian Lösel: Genau, der soziale Wohnungsbau muss gestärkt werden. Es müssen mehr Gebäude, mehr Wohnungen auf den Markt gebracht werden. Es muss verhindert werden, dass Grundstückspreise – und somit auch Mieten – alleine schon deswegen steigen, weil wir zu wenig auf den Markt gebracht haben.
O-T(h)öne: Beim Thema Schulen, was sind da Ihre Ansätze?
Christian Lösel: Der Stadtrat hat damals in Einstimmigkeit den Schulentwicklungsplan beschlossen, den wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Der muss weiter vorangetrieben werden. Die Schule Nordost genauso wie das Zweckverbandsgymnasium mit Pfaffenhofen und natürlich Friedrichshofen. Ferner müssen alle laufenden Projekte und die in Planung befindlichen schnell umgesetzt werden. Ich bin Oberbürgermeister Scharpf sehr dankbar, dass er die ganzen Großbauprojekte, die der Stadtrat in der letzten Legislaturperiode gemeinsam angeschoben hat, fast vollständig zum Abschluss gebracht hat. Demnächst steht die Eröffnung der FOS/BOS an. Die haben wir nach der Emmi-Beck-Schule, dem Sonderpädagogischen Förderzentrum, realisiert. Wir müssen an dem Thema Schulen dranbleiben. Die Stadt wächst und wir werden dementsprechend auch mehr Schulen brauchen.
O-T(h)öne: Ein großes Projekt ist die Renovierung des Stadttheaters und die Diskussion um ein Staatstheater in Ingolstadt. Was haben Sie dazu für Vorstellungen?
Christian Lösel: Horst Seehofer hat ja zu seinem 75. Geburtstag öffentlich die Vorstellung geäußert, dass das Stadttheater zum Staatstheater werden soll. Die SPD hat dieses Thema aufgegriffen. Und auch ich möchte mich dem anschließen. Auch, um zu zeigen: wir arbeiten im Stadtrat gemeinsam an Themen. Es ist nicht ein Hauen und Stechen, sondern es ist eine gemeinsame Zusammenarbeit. Wir müssen gemeinsam schauen, dass das Stadttheater zum Staatstheater wird. Wir wollen dazu mit der Bayerischen Landesregierung ins Gespräch gehen. Und zwar deswegen, weil es auf der einen Seite das Stadttheater adelt, ihm mehr Möglichkeiten gibt, aber gleichzeitig auch die Kommune finanziell entlastet. Ein Staatstheater wird nämlich stärker vom Freistaat bezuschusst.
O-T(h)öne: Ingolstadt schielt derzeit beim Klinikum und beim Staatstheater Richtung Freistaat, der die Stadt entlasten soll. Das sind schöne politische Luftballons, die man steigen lassen kann. Wie realistisch ist es denn tatsächlich, dass der Freistaat Bayern die Stadt unterstützt?
Christian Lösel: Die Bayerische Landesregierung hat uns als Stadt Ingolstadt zu einem Oberzentrum gemacht. Solche Oberzentren haben und brauchen zentrale Einrichtungen. Große Kliniken, Staatstheater, Universitäten und Regierungssitze. Den Regierungssitz der Regierung von Oberbayern beispielsweise, der 2019 zur Debatte stand, den haben wir ja ebenfalls erhalten. Ich habe mich damals sehr stark dafür gegenüber der Regierungspräsidentin und dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann eingesetzt.
Eine Bayerische Landesregierung hat also gegenüber einer Stadt wie Ingolstadt, die so dynamisch wächst, eine gewisse Pflicht, sie zum Wohle der Bürger weiterzuentwickeln. Dies muss gemeinsam mit dem Stadtrat, gemeinsam mit der Stadtgesellschaft und dem Oberbürgermeister geschehen.
O-T(h)öne: Ist das nicht das Prinzip Hoffnung, was Sie gerade beschreiben?
Christian Lösel: Ja, aber das Prinzip Hoffnung möchte ich mit Beispielen untermauern. 2014, als ich Oberbürgermeister wurde, war unsere Hoffnung, einen dritten Bahnhalt in Ingolstadt zu bekommen. Das hat damals keiner geglaubt. Da musste man sich auch hinstellen. Es war schließlich Horst Seehofer als Ministerpräsident, der damals dann gemeinsam mit Verkehrsminister Joachim Herrmann den gordischen Knoten durchgeschlagen hat. Horst Seehofer hat gesagt, dass das Ansinnen richtig ist. Übrigens: Die Audi-Vertreter im Stadtrat, Klaus Mittermaier und Jörg Schlagbauer, haben sich bei Audi ebenfalls dafür eingesetzt. Genauso wie die Werksleitung und die Konzernführung. Im gemeinsamen Miteinander – Audi, Gewerkschaften, Stadt Ingolstadt, die Bahn, der Freistaat Bayern – haben wir es schließlich hinbekommen. Einen Bahnhalt zu bekommen, ist ein Sechser im Lotto. Üblicherweise werden Bahnhalte und die gesamte Schieneninfrastruktur eher zurückgebaut. Wenn man also als Stadt einen weiteren Bahnhalt bekommt, ist dies etwas, wo wir getrost sagen können, dass wir bei der Bayerischen Staatsregierung durchaus Gehör finden.
Wir hätten das, wie viele andere Themen, so zum Beispiel auch die Öffnung des Feldkirchener Tores, ohne das Zutun von Ministerpräsident Horst Seehofer nicht geschafft. Die Öffnung war damals zwar meine Überlegung, um das Schloss aufzuwerten und den Eingang zum Armeemuseum in den Torbogen zu verlegen. Aber hinbekommen haben wir das damals nur gemeinsam mit der Staatsregierung. Und genauso im gemeinsamen Schulterschluss muss man das beim Theater machen. Es gibt diverse Beispiele für eine solche Zusammenarbeit mit der dem Land und dem Bund. Es ist also natürlich immer Hoffnung, die mitschwingt. Aber eigentlich ist es ein Wunsch, der nicht unangemessen ist.
O-T(h)öne: In der Stadtgesellschaft herrscht teilweise große Unzufriedenheit mit der Art und Weise, wie die Stadtverwaltung agiert und reagiert. Dies nicht als Kritik an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern in Bezug auf die Zeitschiene bei den Dienstleistungen der Verwaltung. Was sind Ihre Lösungsansätze dazu?
Christian Lösel: Die Lösung ist die gleiche, wie auch in der Industrie. Wir müssen die Automatisierung hinbekommen. Das entlastet die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung. Auch diese wollen keine unendlichen Aktenberge haben, die immer noch höher werden. Gleichzeitig tobt der Fachkräftemangel auch in der Verwaltung. Deswegen muss man schauen, dass man die Automatisierung, das heißt, das 24-Stunden-7-Tage-Rathaus, hinbekommt. Das bedeutet, ein Bürger, der ein Standard-Anliegen hat, muss dieses möglichst selbstständig einreichen und bearbeiten können; durch Eingabemasken im Internet. Ich mache ein Beispiel: Sie können heutzutage ein Konto in ganz Deutschland und im Ausland, eröffnen. Ohne dass sie sich vom Fleck bewegen. Dies geht mit einem Videoverifikationsverfahren in kürzester Zeit. Es kommen jetzt Gesetze in Deutschland, die diese Identifikationsmöglichkeiten auch für Verwaltungsdienstleistungen schaffen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass der Bürger auf den Internetportalen der Stadt Ingolstadt seine Dinge selbst und schnell erledigen kann, möglichst hochautomatisiert. Das heißt, Warten auf einen Termin kann nicht die Zukunft sein. Wir müssen schauen, dass der Bürger dies selbst machen kann, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche.
O-T(h)öne: Ein ganz aktuelles Thema ist die innere Sicherheit, da geht es auch viel um gefühlte Sicherheit. Was ist Ihr Lösungsansatz, um die gefühlte Sicherheit zu verbessern?
Christian Lösel: Dieses Thema ansprechen. Und zwar angemessen ansprechen. Ohne jemanden zu verletzen. Aber eben die Themen ansprechen und sie lösen. Ich teile die Auffassung des Bayerischen Landkreistages, der in einer Pressemeldung die Bundesregierung aufgefordert hat, hier stärker tätig zu werden, weil die Kommunen es nicht mehr schaffen. Wir müssen das Thema ansprechen und die Probleme der Leute wahrnehmen. Sie ernst nehmen.
Das haben wir in der Flüchtlingskrise 2015 und 2016 in der Stadt sehr gut hinbekommen. Wir haben damals die Probleme benannt und mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam nach kommunalen Lösungen gesucht. Wir haben große Bürgerversammlungen durchgeführt, wir haben uns vor Ort die Sachen angeschaut und Probleme abgearbeitet. Die Stärkung der Sicherheitswacht, ein Polizeithema, ist ein Lösungsansatz bei der gefühlten Sicherheit.
Die Kommune kann auch selbst tätig werden, durch die Stärkung des kommunalen Ordnungsdienstes. Ich denke da auch an das Thema der Busse, mit flexibleren Halten zwischen den Haltestellen in der Nacht, um Jugendliche näher am Wohnort rauszulassen. Ich bin Vater von zwei Töchtern im Alter von 14 und 16 Jahren. Ich kenne unsere Fahrten als Elterntaxi nachts um 12 oder 2 Uhr, um die Töchter von unterschiedlichen Veranstaltungen bei Freunden abzuholen. Und lässt man die nachts überall gehen? Nein, lässt man nicht, weil man einfach ein ungutes Gefühl hat.
Mehr Licht auf bestimmten Wegen und Kameraüberwachung bei großen Veranstaltungen sind weitere Lösungsansätze. Ich weiß, durch die Videoaufzeichnung wird nichts verhindert. Aber es ist eine passive Sicherheit, denn es dient der Aufklärung und Abschreckung.
Es braucht beim Thema Sicherheit die sorgende Kommune, die umsorgende Kommune. Wahlergebnisse wie in Thüringen und Sachsen machen doch klar, wenn man die Dinge nicht anspricht und sie nicht abarbeitet, dann stärkt das nur die Ränder der Parteien.
O-T(h)öne: Eine abschließende Frage zu den Sachthemen. Ob es das Klinikum ist, die Verbesserung der Pflegesituation, das notwendige Neubauprogramm, die Renovierung des Stadttheaters, die Digitalisierung oder Maßnahmen, die gefühlte Sicherheit zu verbessern, dies alles kostet enorm viel Geld. Gleichzeitig hat die Stadt Ingolstadt über längere Zeit schon eine schwierigere Finanzsituation, wie noch nie. Es ist dramatischer als damals bei Bürgermeister Hans Amler, der von Blut, Schweiß und Tränen bei der Haushaltsaufstellung sprach. Ein Lichtstreif am Horizont ist derzeit nicht erkennbar. Wie kann man die ganzen in unserem Gespräch aufgezeigten Probleme lösen, wenn ich nur die Millionen Euro anschaue, die ins Stadttheater fließen müssen, oder die Millionen Euro, die für den Betrieb des Klinikums und dessen Sanierung aufgebracht werden müssen? Wo sind hier Ihre Lösungsansätze?
Christian Lösel: Ich fange mit den Gewerbesteuereinnahmen an. Die Gewerbesteuereinnahmen in den letzten vier Jahren waren auf hohem Niveau. So hoch, wie im Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2020. Wir haben also zunächst mal bis heute noch kein Gewerbesteuerproblem.
O-T(h)öne: Die Stadt hat aber ein Ausgabenproblem.
Christian Lösel: Ja, wir haben ein Ausgabenproblem! Und das Ausgabenproblem ist insbesondere im Verwaltungshaushalt. Der Verwaltungshaushalt, das sind die laufenden Einnahmen und die laufenden Ausgaben der Stadtverwaltung. Der Verwaltungshaushalt ist derzeit nicht einfach auszugleichen. Deswegen hat der Stadtrat auch ein großes Sparprogramm auf den Weg gebracht. Übrigens, wie Sie es richtig angesprochen haben, das größte Sparprogramm, glaube ich zumindest, in der Geschichtszeit, die ich in Ingolstadt überblicken kann.O-T(h)öne: Von dem Sparprogramm ist aber die Hälfte schon wieder ausgegeben, von dem, was gespart werden soll?
Christian Lösel: Wie man jetzt in den Stadtratsunterlagen im Juli gelesen hat, hat der Planungsausschuss die Hälfte der Einsparungen schon wieder als zusätzliche Projekte mit zusätzlichem Finanzbedarf beschlossen. Und das, wo überhaupt noch nichts von der Einsparung gegriffen hat. Also insofern ist die Situation sicherlich eine Herausforderung. Es herrscht ein Ausgabenproblem und wir müssen schauen, dass der Verwaltungshaushalt wieder ausgeglichen wird. Das heißt, wir dürfen nicht mehr ausgeben als das, was wir einnehmen. Und es gibt schon noch Ansätze, wo man was machen. Bei bestimmten Sachausgaben und Ausstattungsausgaben beispielsweise. Ich sage ausdrücklich, wir müssen alles tun, damit es keine Steuererhöhungen gibt. Man kann dem Bürger nicht erklären, dass er Steuererhöhungen bei der Grund- und Gewerbesteuer hinnehmen muss, solange wir den Verwaltungshaushalt selber noch nicht vollständig ausgeglichen haben. Das ist die erste Aufgabe, die die Kommunalpolitik hat. Sie muss als allererstes ihre eigenen Hausaufgaben machen. Das hat der Stadtrat auch gemacht, und es war auch sehr gut, wie es gelaufen ist. Es sind aber, wie ausgeführt, gleich in der nächsten Sitzung wieder neue Ausgaben beschlossen worden, sodass die Sparmaßnahmen wohl immer noch nicht reichen. Es fehlen offensichtlich noch einmal 30 Millionen Euro.
O-T(h)öne: Ich hätte jetzt die Bitte, dass Sie Sätze, die ich beginne, spontan ergänzen.Von Horst Seehofer habe ich gelernt…:
Christian Lösel: Dinge in aller Ruhe anzusprechen und für die eigenen Positionen in der Gesellschaft zu werben, dabei aber auch andere Meinungen durchaus gelten zu lassen.
O-T(h)öne: An Oberbürgermeister Christian Scharpf schätze ich…:
Christian Lösel: Dass er den Stadtrat so ruhig führt und dass er keine Wolkenkuckucksheime gebaut hat.
Stadtrat Christian Lange ist für mich…
Christian Lösel: Ein Stadtratskollege, der in der Vergangenheit wohl der Meinung war, dass man durch lautes Auftreten besonders viele Stimmen kriegt.
Dass versucht wird, von mehreren Parteien und politischen Gruppierungen einen gemeinsamen OB-Kandidaten aufzustellen, um einen Oberbürgermeister der CSU zu verhindern …
Christian Lösel: Ist ein Thema, womit die linken Parteien, die Linke, die SPD, Grüne und die Splittergruppen meinen, dass sie gemeinsam besonders stark sind. Dabei verwaschen ihre eigenen Grenzen und Profile. Die Linken, dieGrünen, die SPDund auch die FDP, wie man jetzt lesen konnte, haben doch eine deutlich trennende Programmatik, trennende Sachthemen. Wie man das unter einen Hut bringen möchte, in einer einzigen Person, und nach dem OB Wahlkampf wenige Monate später einen Stadtratswahlkampf führen will, dann aber die Chance vergeben hat, eine eigene Person bekannt zu machen, ist ein politisches Experiment.
Dass bisher keine Oberbürgermeisterkandidatin in Sicht ist…
Christian Lösel: Ist sehr bedauerlich. Beispielsweise Gabriele Bauer aus Rosenheim, Ex-Oberbürgermeisterin in Rosenheim, ist eine sehr fähige Frau. Ich habe auf den Städtetagsempfängen, wo ich immer wieder auf sie getroffen bin und mit ihr geredet habe, nur beste Erfahrungen mit ihr gehabt. Da müssen wirklich alle Parteien daran arbeiten. Vielleicht gelingt es den Grünen ja jetzt, eine Oberbürgermeisterkandidatin aufzustellen.
Das Stimmungstief der deutschen Automobilindustrie hat für Ingolstadt …
Christian Lösel: Den Effekt, dass es die größte Herausforderung der nächsten Jahre sein dürfte. Die deutsche Automobilindustrie ist unsere Leitindustrie in Deutschland. Sie stellt jeden sechsten Arbeitsplatz und trägt unmittelbar zur Wertschöpfung und damit zum Wohlstand für die gesamte deutsche Bevölkerung bei. Ich bin dem Ingolstädter Mittelstand ausgesprochen dankbar, dass er sich so stabil und solide um Ausbildungsplätze und um Arbeitsplätze kümmert und dabei auch die volle Unterstützung von uns genießen muss. Der Ingolstädter Mittelstand ist unser Schatzkästchen. Er ist unser Rückgrat. Wir schätzen die Ingolstädter Mittelständler und wir schätzen die Mittelständler in der Region. Sie sind willkommen und wir sind jederzeit auch deren Ansprechpartner. Aber Industriearbeitsplätze ersetzt man nicht so einfach in großer Zahl.
Quelle: Eigene Berichterstattung.
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