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Aus einer simplen Zahlendebatte über neue Stellen bei der Stadt Ingolstadt wurde ein Drama über Demokratie, Moral und gekränkte Eitelkeiten.
Was als Diskussion über neu geschaffene Planstellen begann, endete in einer juristischen Drohung, Empörung und vielen Zeilen über die These, die Ingolstädter CSU schade dem Ansehen der Demokratie. Nach dem Motto: Wenn die AfD bei der Kommunalwahl im März stärker wird, ist nur einer schuld – die CSU. Aus nüchternen Zahlen wurde ein politisches Schauspiel, das längst über die sozialen Netzwerke hinausreicht.
Auslöser war ein Facebook-Post des CSU-Stadtrats Thomas Deiser. Dieser kommentierte einen Beitrag. Aus dem „Faktencheck“ der SPD wurde der „Fakecheck“. Deiser schrieb zudem eine Anspielung auf große Vorbilder der „alternativen Wahrheit“ – Putin und Trump.
Das genügte, um die nächste politische Welle auszulösen. SPD-Fraktionschef Christian De Lapuente erklärte gegenüber der Mediengruppe Bayern, der Vergleich habe ihn mit einem „Kriegsverbrecher“ gleichgesetzt, und erwägt rechtliche Schritte. Deiser selbst nannte die Reaktion von De Lapuente gegenüber der Lokalredaktion „dünnhäutig“ und betonte, er habe niemanden persönlich beleidigt.
Anlass für Deisers Reaktion: Die SPD hatte auf Facebook einen sogenannten „Faktencheck“ veröffentlicht, um die seit Monaten laufende CSU-Kritik am Stellenaufbau unter dem früheren SPD-Oberbürgermeister Christian Scharpf zu entkräften. Die SPD rechnete vor, dass viele der geschaffenen Stellen Pflichtaufgaben betrafen – in Kitas, Schulen, IT oder Verwaltung. Die CSU widersprach, sprach von Schönrechnerei und nannte den „Faktencheck“ eine Halbwahrheit.
Einige Zeit zuvor hatte De Lapuente in einer Pressemitteilung der CSU vorgeworfen, sich „mit der AfD ins Boot zu setzen“. „Dammbruch“ nannte der SPD-Fraktionschef das. Etwas kleiner ging’s bei De Lapuente offenbar nicht. In Wirklichkeit ging es um den Verfahrensablauf in einer Stadtratssitzung. Die AfD beantragte Informationen und Diskussion vor den Referentenwahlen, die CSU beantragte deren Absetzung von der Tagesordnung. De Lapuente konstruierte daraus eine „Zusammenarbeit mit Rechts“. Selbst neutrale Beobachter im Stadtrat sprachen von „purer Polemik“.
De Lapuente hatte schon zuvor attackiert – im OB-Wahlkampf mit dem Satz: „Wer Kern wählt, bekommt Lösel und Wittmann.“ Ein Seitenhieb auf die CSU und deren frühere Rathausspitze. Die CSU reagierte auf alle Äußerungen von De Lapuente gar nicht – oder nur sehr zurückhaltend. Nun aber wird aus Deisers Facebook-Posting ein politisches Tribunal.
Und während sich nicht nur auf Facebook viele Bürger fragen, was diese Daueraufregung eigentlich soll, entstand eine mediale Erregung. Dass der Streit um Stellen und Statistiken dort zum Gegenstand über den Zustand der Demokratie in Ingolstadt werden konnte, zeigt vor allem eines: wie dünn die Luft im politischen Diskurs geworden ist. Empörung ersetzt Argument, Tonlage ersetzt Inhalt.
Und während sich im Netz die nächste Welle der Selbstgerechtigkeit auftürmt, bleiben die wirklichen Probleme der Stadt unangetastet. Denn Ingolstadt steckt mitten in einer Finanzkrise, die längst im Alltag spürbar ist. Der Wildpark am Baggersee sollte geschlossen werden, weil das Geld fehlt. Für die Weihnachtsbeleuchtung ist kein Budget da. Und vor dem noch nicht eröffneten Kunstmuseum soll eine Plastik aufgestellt werden – gespendet zwar, aber die Platzgestaltung kostet rund 550.000 Euro. Man hofft auf Zuschüsse. Vielleicht. Folgekosten pro Jahr: 10.000 Euro, laut Sitzungsvorlage für den Stadtrat.
Bedrohlich ist also nicht der Zustand der Demokratie, sondern der Grad der Empfindlichkeit mancher Politiker, die selbst gern austeilen.
Piep, piep, piep – wir haben uns alle lieb. Nur bis zur nächsten Sitzung.
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