Anzeige

Sparen bei den Bürgern – klotzen bei der Verwaltungsspitze

Während unten in der Verwaltung Stellen nicht nachbesetzt werden, will Oberbürgermeister Michael Kern (CSU) oben die teuersten Posten absichern: Gleich drei Referenten sollen jetzt vom Stadtrat wiedergewählt werden – mitten in der schwersten Haushaltskrise der Stadtgeschichte, während bis zu 80 Millionen Euro pro Jahr im Etat fehlen und die Rechtsaufsicht längst mit am Tisch sitzt. Unten Kahlschlag, oben Versorgungssicherheit – als wäre nichts gewesen. Das ist kein Verwaltungsakt. Das ist ein politischer Offenbarungseid.

Sparen unten – absichern oben

Denn diese Wiederwahl ist nicht notwendig. Personal- und Wirtschaftsreferent müssten in dieser Periode gar nicht mehr gewählt werden. Trotzdem wollen der Oberbürgermeister und eine Stadtratsmehrheit dies jetzt durchdrücken – mit Verweis auf „Planungssicherheit“. Ein durchsichtiges Scheinargument. Tatsächliche Folge: langfristige Kosten, langfristige Bindungen, langfristige Strukturen – während gleichzeitig befristete Verträge unten einfach auslaufen. So zementiert man ein Rathaus – man reformiert es nicht.

Opposition ausgeschaltet – Kritik kommt von außen

Besonders brisant ist: Anders als zu Zeiten von Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU) gibt es heute im Ingolstädter Stadtrat faktisch keine „Opposition“ mehr. Kritische Kontrolle findet im Plenum kaum noch statt – bis auf die FREIEN WÄHLER. Und ausgerechnet von außerhalb des Stadtrats, vom stellvertretenden CSU-Kreisvorsitzenden Christopher Hofmann, kommt die schärfste innerparteiliche Kritik. Hofmann wirft der Stadtspitze offen einen „Doppelstandard“ vor: unten sparen, oben absichern.

Dass diese Kritik nicht aus der CSU-Stadtratsfraktion kommt, hat Gründe, die hinter den Kulissen längst jeder kennt: In CSU-Kreisen heißt es, man wolle den Oberbürgermeister „nicht im Regen stehen lassen“. Im Ältestenrat würden die wesentlichen Entscheidungen ohnehin vorbesprochen, die Fraktion solle anschließend nur noch abnicken. Das Ergebnis: kein Widerspruch, kein Korrektiv, kein Rückgrat.

Die FREIEN WÄHLER sprechen deshalb von einer „verpassten Reformchance“: Statt die Verwaltung zu verschlanken, Doppelstrukturen abzubauen und an der Spitze zu sparen, würden Posten vorzeitig verfestigt und alte Strukturen zementiert. Und nun sollen Tatsachen geschaffen werden – noch vor der Kommunalwahl im März 2026, bevor die Bürger überhaupt wieder entscheiden dürfen.

Wenn erst die Regierung bremsen muss

Kein Stadtrat der Mitte bremst diese Linie – bei der Referentenwahl schon gar nicht. Dort versagt die politische Selbstkontrolle völlig. Und während im Rathaus Posten abgesichert werden, muss an anderer Stelle erst die Regierung von Oberbayern eingreifen, um die schlimmsten Folgen des finanzpolitischen Kurses zu stoppen. Dass nun die Rechtsaufsicht mit am Tisch sitzt, ist peinliches Alarmsignal und letzte Rettung zugleich. Eine demokratische Notbremse, zumindest dort, wo es um Haushalt und Zukunft der Stadt geht.

„Gut, dass jetzt wenigstens die Regierung hinschaut – denn sonst würde die Mehrheit im Stadtrat weitermachen, als gehöre ihr die Stadt“, sagte jüngst ein Stadtratsmitglied im Vertrauen. Treffender lässt sich der Zustand dieser Koalition aus Bequemlichkeit und Konfliktvermeidung kaum beschreiben.

Sparen bei den Bürgern, Schonraum im Rathaus

Während also oben Wahlbeamte abgesichert werden sollen, wird unten gestrichen. Symbolträchtigstes Beispiel: das Wildgehege am Baggersee. Ein Naherholungsort für Familien, Kinder, Spaziergänger – soll geschlossen werden, um 75.000 Euro zu sparen. Für Rotwild ist kein Geld da. Für Referenten schon. Es ist genau dieser moralische Kurzschluss, der Vertrauen zerstört: Sparen unten – absichern oben.

Wenn Ingolstadt sparen muss, dann auch bei den Stadtratsmitgliedern – und nicht nur bei Kindern, Vereinen, Kultur oder der Stadtgesellschaft. Oben muss der Verzicht beginnen. Das bedeutet, Sitzungsgelder ersatzlos zu streichen, Aufwandsentschädigungen spürbar zu reduzieren und jede Bewirtung in Sitzungen zu beenden. Kaffee, Kuchen, Getränke und Snacks können Stadträte, Referenten und die Verwaltungsspitze künftig selbst bezahlen. Und nach der Kommunalwahl im März gehört auch ein Bürgermeisterposten zurück ins Ehrenamt. Wer unten kürzt, muss oben verzichten. Wer Sparpakete beschließt, darf nicht gleichzeitig an seinen eigenen Annehmlichkeiten festhalten.

Wie grotesk diese Politik ist, zeigt ein weiteres Beispiel: Da werden im Umfeld des Museums für Konkrete Kunst und Design fast 500.000 Euro für eine Platzgestaltung mit 10.000 Euro jährlichen Folgekosten beschlossen – während man gleichzeitig Kultur- und Sozialbudgets zusammenstreicht. Erst nachdem die Regierung von Oberbayern mit am Tisch sitzt und der öffentliche Druck wächst, wird der Beschluss wieder kassiert. Nicht aus Einsicht. Sondern, weil er politisch nicht mehr zu halten war.

Dazu zwei erfolgreiche Bürgerbegehren gegen Projekte des Stadtrats – beide mit klaren Mehrheiten. Doch keinerlei Innehalten. Keine Kurskorrektur. Kein Respekt vor dem klar artikulierten Bürgerwillen. Stattdessen Selbstbeschäftigung – bis hin zur inflationären Verleihung von Ehrentiteln für Lokalpolitiker.

Die Theatersanierung ist ein weiterer Tiefpunkt. 11 Millionen Euro Planungsmittel im finanziellen Notstand – und nun drohen sogar Schadenersatzforderungen, weil der Beschluss aufgehoben werden soll. Auf Druck der Regierung von Oberbayern? Das ist nicht Führung. Das ist politische Fahrlässigkeit.

Hinterzimmer, Fehlentscheidungen – und ein Vertrauensbruch

Und während all das passiert, werden Sitzungen, Vorberatungen und Entscheidungen immer öfter in interfraktionelle Arbeitskreise und Hinterzimmer verlagert. Das Plenum nickt ab, was anderswo längst ausgekartet ist. Hinterzimmer statt Demokratie. Schweigen statt Streit, nach dem Motto „Suchet der Stadt Bestes!“ Verwaltung statt Politik. So bröckelt Vertrauen – Sitzung für Sitzung.

Es passt ins Bild, dass dann auch noch Brotzeit- und Wiesn-Fotos die Runde machen, während Sparpakete verkündet werden. Es war nie die Maß. Es war das Signal: Die da oben feiern – die da unten zahlen.

Der verstorbene Ingolstädter Ehrenbürger Fritz Böhm würde heute sagen: „Jetzt mal Butter bei die Fische.“ Wer den Bürgern Sparpakete zumutet, muss oben anfangen – bei Referenten, Sitzungsgeld, Aufwand, Bewirtung und Strukturen. Nicht bei Familien. Nicht bei Kindern. Nicht bei der Stadtgesellschaft.

Die Fraktionen und politischen Gruppierungen des Stadtrats tagen in diesen Tagen vor der entscheidenden Sitzung am Donnerstag. Hoffentlich denken sie nach – und nicht nur an sich. Hoffentlich hat die CSU-Stadtratsfraktion endlich den Mut, sich von der Linie des Oberbürgermeisters zu emanzipieren. Und hoffentlich nehmen Menschen wie Christopher Hofmann ihre Rolle als außerparlamentarisches Korrektiv weiterhin wahr – wenn es der Stadtrat selbst schon nicht tut.

Denn eines ist sicher: Abgerechnet wird am Wahltag. Und mir schwant Schlimmstes – für die Wahlbeteiligung, für das Vertrauen in die demokratische Mitte und für jene Parteien, die einst „Volksparteien“ genannt wurden, aber verlernt haben, der Bürgerschaft zuzuhören.

Sie möchten zu dieser Veröffentlichung mit dem Nachrichtenportal O-T(h)öne in Kontakt treten?

Wir freuen uns über Ihre E-Mail.

Diesen Beitrag teilen
Anzeige