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Ingolstadt liegt auf der Intensivstation – so jedenfalls beschreibt es Hans Stachel, Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER, in seiner heutigen Haushaltsrede. Mit einem eindringlichen medizinischen Bild zeichnete er den Zustand der städtischen Finanzen nach: Die Stadt sei schwer erkrankt, die Symptome gravierend, die bisherigen Behandlungsversuche unzureichend. Die Diagnose sei eindeutig: chronische strukturelle Unterdeckung, gefährlich hohe Ausgaben, fehlende Vorsorge. Die Therapie, so Stachel, müsse jetzt entschieden und konsequent eingeleitet werden, bevor sich der Zustand weiter verschlechtert.
Nach Jahren großzügiger Investitionen, politischen Zugeständnissen und wachsender städtischer Aufgabenlast sei der Körper Ingolstadts nun geschwächt, erschöpft und auf externe Unterstützung angewiesen. Die im Vorjahr verhängte Haushaltssperre habe als Notaufnahme fungiert, eine erste Stabilisierung eingeleitet. Doch Pflaster und Schmerzmittel reichten nicht mehr aus. Jetzt seien tiefgreifende Maßnahmen notwendig: ein strenger Sparkurs, strukturelle Eingriffe, eine klare Abgrenzung zwischen notwendigen und verzichtbaren Leistungen. Nur so könne der Patient Ingolstadt wieder gesunden.
Stachel mahnte, die Wahrheit über den Zustand der Stadt offen auszusprechen – gegenüber der Öffentlichkeit ebenso wie innerhalb des Stadtrats. Die Bürgerinnen und Bürger hätten Anspruch auf eine ehrliche Aufklärung. Die politisch Verantwortlichen müssten die tatsächlichen Ursachen der Finanzkrise benennen, sich ihrer Verantwortung stellen und auch schmerzhafte Behandlungen nicht scheuen. Nicht kosmetische Eingriffe, sondern operative Maßnahmen seien erforderlich.
In seiner Rede blickte Stachel auch zurück auf frühere Warnungen seiner Fraktion. Schon 2021 und 2022 hätten die FREIEN WÄHLER auf die finanzielle Schieflage hingewiesen, auf Risiken bei sinkender Gewerbesteuer, auf fehlende Priorisierung und auf ausufernde Personalkosten. Doch die damaligen Hinweise seien weitgehend unbeachtet geblieben. Heute seien die befürchteten Komplikationen eingetreten. Vorsorgemaßnahmen seien versäumt worden, wertvolle Zeit sei verloren gegangen.
Das Volumen des aktuellen Haushalts von rund einer Milliarde Euro bezeichnete Stachel als akute Überlastung des Organismus. Die Deckungslücke im Verwaltungshaushalt werde nun durch eine einmalige Rücklagenentnahme in Höhe von 110 Millionen Euro sowie eine Kreditaufnahme von 135,4 Millionen Euro überbrückt. Diese Maßnahmen seien mit Infusionen oder künstlicher Ernährung vergleichbar – sie hielten den Körper am Leben, ersetzten aber keine Heilung. Eine dauerhafte Kreditabhängigkeit sei gefährlich und führe in die Abwärtsspirale.
Die nötige Therapie beginne im Kopf. Die Stadt brauche ein neues Bewusstsein dafür, was wirklich ihre Aufgaben seien. In den letzten Jahren habe sich die Stadtverwaltung immer weiter aufgebläht, viele freiwillige Leistungen übernommen, die zuvor in der Gesellschaft – etwa durch Vereine oder Ehrenamt – getragen worden seien. Hier müsse eine Umkehr erfolgen. Die Organe des Patienten, sprich Ämter und Referate, seien überlastet und bedürften struktureller Entlastung.
Neben klarer Aufgabenkritik forderte Stachel auch operative Eingriffe: Personalabbau, Umstrukturierung und eine konsequente Konsolidierung. Das Konsolidierungsprogramm II müsse, auch wenn es schmerzhaft sei, konsequent umgesetzt werden. Steigende Zins- und Personalkosten von bereits über 200 Millionen Euro jährlich bezeichnete er als ernsthafte Belastung, die den Heilungsverlauf gefährde.
Auch gutartige Auswüchse müssten nun entfernt werden: zu niedrige Gebühren, zu hohe freiwillige Zuschüsse, ineffiziente Angebote im ÖPNV, eine Vielzahl an Gremien und langwierige Entscheidungswege sowie hohe Kultur- und Sozialausgaben. Ziel sei eine Ergebnisverbesserung von 30 Millionen Euro pro Jahr – ein Kraftakt, aber notwendig für die Stabilisierung.
Selbst bestehende Stadtratsbeschlüsse seien laut Stachel kritisch zu hinterfragen. In der Skelettstruktur des Haushaltsplans gebe es Fehlstellungen, die zu Frakturen führten. Investitionen müssten reduziert, Baustandards überdacht werden – auch bei Schulen, Kindertagesstätten, Verwaltungs- und Kulturbauten. Wer dies als „Totsparen“ bezeichne, verkenne die Notwendigkeit einer Gesundungsdiät.
Die Reha könne erst beginnen, wenn der Patient stabil sei. Dafür brauche es eine klare Priorisierung städtischer Aufgaben, eine ehrliche Kommunikation der tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten und eine Abkehr von unrealistischen Zielvorgaben. Als Beispiel nannte Stachel das politisch formulierte Ziel der Klimaneutralität bis 2035. Ohne konkrete Maßnahmen und solide Finanzierung sei dies nicht mehr als ein leeres Versprechen – bunte Plakate ersetzten keine Therapie.
Ein weiterer Befund: Die seit langem geforderte Anpassung der Grundsteuer sei erneut nicht im Haushalt enthalten. Die fortgesetzte Verweigerung dieser Maßnahme aus wahltaktischen Gründen sei mit verantwortungsvollem Handeln nicht vereinbar. Jede Verzögerung verschärfe die Symptome und führe zu noch drastischeren Eingriffen in der Zukunft.
Die FREIEN WÄHLER lehnen den Haushaltsentwurf für 2025 ab. Nach Einschätzung der Fraktion fehlen grundlegende, sofort wirksame Therapieansätze. Die geplante Kreditaufnahme von über 530 Millionen Euro bis 2028 widerspreche dem Prinzip der dauerhaften finanziellen Leistungsfähigkeit. Zudem werde an wichtigen Stellen nicht konsequent genug gehandelt. Wichtige Behandlungen seien im Entwurf gar nicht vorgesehen oder würden verschoben – ein Risiko, das die FREIEN WÄHLER nicht mittragen wollen.
Trotz dieser Ablehnung bekräftigte Stachel die Bereitschaft seiner Fraktion zur konstruktiven Zusammenarbeit. Er dankte allen ehrenamtlich Engagierten, den Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat, der Verwaltung sowie dem neuen Oberbürgermeister für die Übernahme der Verantwortung in einer schwierigen Lage. Die Zukunft des Patienten Ingolstadt hänge nun davon ab, ob sich der Stadtrat der Schwere der Diagnose stellt – und die notwendige Behandlung endlich beginnt.
Quelle: Eigene Berichterstattung.
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