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Die Diskussion um die NS-Belastung von Wilhelm Reissmüller, ehemaliger Herausgeber des DONAUKURIER und früherer Ehrenbürger der Stadt Ingolstadt, hat durch die neuen Recherchen des Journalisten Thomas Schuler eine Wende genommen. In einem gemeinsamen Antrag fordern die Stadtratsfraktionen von GRÜNEN, SPD und UWG sowie die Stadtratsgruppen der ÖDP und DIE LINKE eine umfassende öffentliche Distanzierung und die symbolische Aberkennung der Ehrenbürgerwürde.
Wie aus einem Beitrag Schulers für die Publikationsreihe „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“ hervorgeht, war Reissmüllers NS-Belastung wesentlich umfassender als bislang bekannt. Bereits 1933 trat er nacheinander der SA, der SS, dem NS-Studentenbund (NSDStB) und der NSDAP bei. Der renommierte Historiker Daniel Siemens kommentierte Reissmüllers frühen Einstieg in die NS-Organisationen mit den Worten: „Mehr Nazi geht nicht mit 22 Jahren.“ Später stieg er 1935/36 zum Gaupresseamtsleiter des NSDStB auf und übernahm 1937 die Leitung des Donauboten, einer NS-Propagandazeitung, die ähnlich wie der „Stürmer“ antisemitische und menschenverachtende Inhalte verbreitete.
Trotz dieser eindeutigen Verstrickungen leugnete Reissmüller nach dem Krieg jegliche redaktionelle Verantwortung und klagte mehrfach gegen Berichte, die seine Parteimitgliedschaft aufgriffen – ohne Erfolg. 1985 entschied das Landgericht München, dass er sich den Vorwurf gefallen lassen müsse, und 1987 lehnte das Bundesverfassungsgericht seine Beschwerde ab.
In ihrem Schreiben an den Ingolstädter Oberbürgermeister Christian Scharpf fordern die Antragsteller konkrete Maßnahmen, um auf die neuen Erkenntnisse zu Wilhelm Reissmüllers NS-Vergangenheit zu reagieren. Zentrales Anliegen ist die symbolische Aberkennung seiner Ehrenbürgerwürde, die formal mit seinem Tod im Jahr 1993 erloschen ist. Die Kommunalpolitiker betonen jedoch, dass eine solche symbolische Aberkennung ein wichtiges ethisches Zeichen und ein entscheidender Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Geschichte Ingolstadts wäre.
Überdies sprechen sie sich für eine Umbenennung der „Stiftung Dr. Reissmüller – Städtepartnerschaft Ingolstadt-Carrara“ aus. Obwohl die Stiftung und ihr Zweck weiterbestehen sollen, sei es angesichts der NS-Belastung ihres Namensgebers nicht länger vertretbar, dass sie dessen Namen trägt. Insbesondere Studierenden, die sich für ein Stipendium der Stiftung bewerben, könne eine solche Verbindung zu einer belasteten Person nicht zugemutet werden.
Schließlich sehen die Antragsteller die Notwendigkeit, Vereine und Institutionen, die nach wie vor mit dem Namen Reissmüller in Verbindung stehen, aktiv zu unterstützen. Dies betrifft etwa Musikpreise oder soziale Einrichtungen, die seinen Namen tragen. Die Stadt wird aufgefordert, diese Organisationen bei notwendigen Umbenennungen zu begleiten und sie in stiftungsrechtlichen Fragen zu beraten.
Die Stadtratsmitglieder betonen, dass die Faktenlage zur NS-Belastung von Reissmüller eindeutig sei und ein weiteres Zögern unvertretbar. Die symbolische Aberkennung sei ein Schritt, um die Stadt glaubwürdig in der Verantwortung für ihre Geschichte zu positionieren.
Die Antragsteller sehen die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde jedoch als notwendig, um eine klare und zeitnahe Reaktion auf die neuesten Erkenntnisse zu setzen.
Quelle: Eigene Berichterstattung.