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Umwidmung zur Flüchtlingsunterkunft kann nicht verwehrt werden

Das Ingolstädter ARA-Hotel an der Schollstraße soll in eine Flüchtlingsunterkunft umgewandelt werden. Dazu ist eine Genehmigung der Stadt Ingolstadt notwendig. In seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter fordert Oskar Lipp (AfD), der auch Stadtrat ist, in einem offenen Brief an den Ingolstädter Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD), eine so weitreichende Entscheidung dem Stadtrat vorab und umfassend zur Kenntnis zu bringen und durch den Stadtrat beschließen zu lassen. Der Landtagsabgeordnete fordert, das laufende Genehmigungsverfahren zur Nutzungsänderung des ARA-Hotels auszusetzen und unverzüglich dem Stadtrat zu überantworten. Lipp fragt im Zusammenhang mit der Umwidmung ferner, wie der Oberbürgermeister erklären will, dass geistig behinderte Kinder, die keine Unterkünfte zur Betreuung mehr finden, das Nachsehen haben sollen.

Oberbürgermeister Scharpf stellte in einem Antwortschreiben an den Politiker die Rechtslage zur Umwidmung wie folgt umfassend dar:

Sehr geehrter Herr Stadtrat Lipp,

Ihren Brief vom 28. Oktober als Abgeordneter des Bayerischen Landtags haben wir in eine Anfrage aufgrund Ihres Stadtratsmandats gem. § 56a der Geschäftsordnung des Ingolstädter Stadtrats umgedeutet. Ihr aus Art. 13 und Art. 16a der Bayerischen Verfassung ableitbares Fragerecht als Abgeordneter richtet sich ausschließlich an die Staatsregierung, wie sich auch aus den § 71, 72 der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags ergibt.

Zusammenfassend sichert die von der Regierung von Oberbayern geplante Gemeinschaftsunterkunft, dass Ingolstadt seine Aufnahmequote auch künftig erfüllt. Es handelt sich um die für den städtischen Haushalt günstigste Form der Anschlussunterbringung. Negative Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt entstehen nicht.

Gemeinschaftsunterkunft ist Einrichtung des Freistaates Bayern

Die künftige Gemeinschaftsunterkunft (GU) in der Schollstraße 10 in Ingolstadt ist eine auf Initiative der Regierung von Oberbayern geplante Einrichtung des Freistaates Bayern. Die Regierung von Oberbayern kommt damit den rechtlichen Verpflichtungen aus § 53 Asylgesetz (AsyIG) und Art. 4 Aufnahmegesetz (AufnG) nach. Bundesrechtlich sollen Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben und nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahme- bzw. in Bayern einer ANKER-Einrichtung zu wohnen, in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden, § 53 Abs. 1 5. 1 AsyIG.

Das bayerische Landesrecht regelt darüber hinaus, dass alle leistungsberechtigten Ausländer nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbIG), soweit sie nicht verpflichtet sind, in der ANKER-Einrichtung zu wohnen, in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden sollen und weist die

Aufgabe, Gemeinschaftsunterkünfte bedarfsgerecht zu errichten und zu betreiben, den jeweiligen Regierungen zu, Art. 4 Abs. 1 und 2 AufnG.

Geringste Kosten für den städtischen Haushalt

Im Vergleich zur Unterbringung von Ausländern, die leistungsberechtigt nach dem AsylbIG sind, in dezentralen städtischen Unterkünften oder der Wohnsitznahme hilfeberechtigter bleibeberechtigter Geflüchteter in Ingolstadt, entstehen durch die Gemeinschaftsunterkunft die geringsten Belastungen für den städtischen Haushalt. Die Regierung von Oberbayern übernimmt alle unmittelbaren Kosten für den Betrieb der Gemeinschaftsunterkunft, insbesondere neben den Kosten für die Immobilie auch die Personalkosten für die Verwaltung der GU. Soweit die künftigen Bewohner der GU ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht vollständig aus eigenem Einkommen oder Vermögen sicherstellen können, erhalten sie Leistungen nach dem AsylblG vorrangig über die Bezahlkarte. Sämtliche notwendigen Kosten nach dem AsylbiG erstattet der Freistaat den Landkreisen und kreisfreien Gemeinden, mithin auch der Stadt Ingolstadt. Würde die Stadt stattdessen dezentrale kommunale Asylunterkünfte betreiben, bräuchte sie hierfür zusätzliches Personal zur Verwaltung und Instandhaltung, dessen Kosten mit dem Freistaat nicht spitz, sondern nur pauschal abgerechnet werden könnten. Müsste die Stadt Ingolstadt ihrer Aufnahmeverpflichtung hingegen – über die ANKER-Einrichtung hinaus – ausschließlich durch die Aufnahme bleibeberechtigter Geflüchteter gerecht werden, so müsste der Lebensunterhalt dieser Geflüchteten teilweise auch zu Lasten des städtischen Haushalts sichergestellt werden. Soweit bleibeberechtigte Geflüchtete ihren Lebensunterhalt nicht selbst decken können, haben sie Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II. Auch wenn die SGB II Leistung Bürgergeld weit überwiegend aus dem Bundeshaushalt finanziert wird, müssen 37,2 % der Kosten für Unterkunft und Heizung von den Kommunen erbracht werden.

Keine Hotelunterbringung

Bei der künftigen Gemeinschaftsunterkunft handelt es sich gerade nicht um eine Hotelunterbringung von Geflüchteten. Die bisherige Hotelnutzung wird durch den Eigentümer aufgegeben und die Immobilie in eine Gemeinschaftsunterkunft umgenutzt. Insbesondere werden Gemeinschaftsküchen eingebaut, so dass die künftigen Bewohner sich – wie in allen Gemeinschaftsunterkünften in Bayern – selbst versorgen, insbesondere selbst kochen können. Gleiches gilt für die Sauberkeit der Zimmer und Bäder, für die die Bewohner selbst verantwortlich sind.

Keine negativen Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt

Dadurch, dass die Regierung von Oberbayern ein ehemaliges Hotel als Gemeinschaftsunterkunft nutzt und nicht etwa eine Immobilie, die bisher zum Beispiel ein Studierendenwohnheim war oder dem allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung stand, entstehen gerade keine negativen Auswirkungen auf den Ingolstädter Wohnungsmarkt. Würde hingegen keine Gemeinschaftsunterkunft durch die Regierung betrieben, müssten um den gleichen Beitrag zur Erfüllung der Aufnahmequote zu leisten, Wohnungen, die Wohnraum für bis zu 120 Geflüchtete bieten, durch die Stadt bzw. bleibeberechtigte Geflüchtete selbst angemietet werden. Dadurch würde gerade preiswerter Wohnraum dem Ingolstädter Wohnungsmarkt entzogen.

Genehmigung der Nutzungsänderung zählt zu den Befugnissen des Oberbürgermeisters nach 14 S. 6 Nr. 31 Geschäftsordnung Stadtrat

Die Erteilung von baurechtlichen Genehmigungen zählt gemäß § 14 S. 6 Nr. 31 der Geschäftsordnung für den Stadtrat – Geschäftsordnung Stadtrat – zu den Befugnissen des Oberbürgermeisters, soweit nicht der Ausschuss für Stadtentwicklung, Bau, Umwelt und Nachhaltigkeit zuständig ist. Eine Entscheidung durch den Stadtrat oder den Ausschuss für Stadtentwicklung, Bau, Umwelt und Nachhaltigkeit war hier nicht angezeigt. Bei der Genehmigung handelte es sich anders als bei früheren Vorhaben um keinen Neubau einer großen Anlage (Containeranlage), sondern lediglich um eine temporäre Nutzungsänderung eines bestehenden Beherbergungsbetriebs. Vergleichbare Bauanträge würden nach der Geschäftsordnung Stadtrat ebenfalls nicht im Stadtrat oder Ausschuss behandelt werden.

Anspruch auf Genehmigung der vom Immobilieneigentümer beantragten Nutzungsänderung

Gemäß Artikel 68 Abs. 1 Satz 1 der Bayrischen Bauordnung -BayBO- ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Inhalt des Bauantrags war die Nutzungsänderung des bestehenden ARA Hotels zu einer Gemeinschaftsunterkunft (ohne Änderung Anzahl Gastbetten/unterzubringende Personen) sowie für die Nutzung notwendige inneren Änderungen (Einbauten von Gemeinschaftsküchen etc.). Die geplante Gemeinschaftsunterkunft befindet sich im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Bebauungsplanes Nr. 115 C, welcher ein Gewerbegebiet nach § 8 Baunutzungsverordnung – BauNVO- festsetzt. Die beantragte Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft ist als ”Anlage für soziale Zwecke“ gemäß § 8 Abs. 3 BauNVO im Gewerbegebiet nur ausnahmsweise zulässig. Für die Zulässigkeit des Vorhabens war die Erteilung einer Befreiung von der Art der Nutzung somit erforderlich. Rechtsgrundlage hierfür bildet der Sondertatbestand des § 246 Abs. 10 BauGB, wonach bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 (Zeitpunkt der Entscheidung) in Gewerbegebieten Befreiungen für Gemeinschaftsunterkünfte erteilt werden können. Die Befreiungsentscheidung steht dabei zwar grundsätzlich im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde, aber bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen tritt eine Ermessensreduktion auf Null ein. Die notwendige Befreiung war deshalb nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu erteilen, da die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren. Zur mittelfristigen Erhaltung der städtebaulichen Ziele wurde die Baugenehmigung mit einer Befristung von 15 Jahren versehen. Dementsprechend war die Stadt Ingolstadt zum Erlass der Baugenehmigung samt Befreiung nach § 246 Abs. 10 BayBO verpflichtet und hätte diese nicht verwehren dürfen.

Quotenerfüllung

Die Quotenerfüllung von Städten mit ANKER-Einrichtungen ist großen Schwankungen unterworfen. Die Quotenerfüllung der Stadt Ingolstadt wurde seit Ende 2020 von damals rund 260 % auf aktuell rund 134 % nahezu halbiert. Im Vergleich zu anderen Städten in Bayern, die Sitz einer ANKER-Einrichtung sind, ist die Quotenerfüllung Ingolstadts im 3. Quartal 2024 sogar unterdurchschnittlich. So betrug die Quote der Stadt Bamberg rund 183 %’ die der Stadt Regensburg 176 %, wie das bayerische Staatsministerium des Innern im August mitgeteilt hat. Wie schon die Halbierung der Quote Ingolstadts in den letzten vier Jahren zeigt, ist eine einmal erreichte Quotenerfüllung nicht auf Dauer gesichert. Auf die Aufnahmequote nach § 3 Asyldurchführungsverordnung (DVASyl) werden nicht nur Leistungsberechtigte nach dem AsylblG, sondern auch bleibeberechtigte Geflüchtete, die der Wohnsitzregelung nach § I 2a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) unterliegen, angerechnet, § 1 Abs. 1 Nr. 2 DVAsyl. Dies ist jedoch nur für maximal drei Jahre gegeben. Alle Geflüchteten, die ihr Bleiberecht 2022 erhalten haben und mittlerweile in Ingolstadt leben, werden daher im Verlauf des Jahres 2025 nicht mehr auf die Ingolstädter Quotenerfüllung angerechnet. Damit sichern die Planungen der Regierung von Oberbayern für die Aufnahme des Betriebs der Gemeinschaftsunterkunft im Verlauf des Jahres 2025, dass Ingolstadt auch künftig seine Quote erfüllt und nicht in die Verteilung der aus der ANKER-Einrichtung in dezentrale kommunale Unterbringung zu verlegenden Geflüchteten einbezogen wird.

Eine Anmerkung noch zu Ihrem Hinweis auf die vom Caritas-Verband angekündigte Schließung der Einrichtung für geistig und mehrfachbehinderte Kinder im Caritas-Zentrum St. Vinzenz zum Sommer 2025. Dies ist eine Entscheidung der Caritas und hat ausschließlich personelle und finanzielle Gründe – und nichts mit fehlenden Unterkünften zu tun. Kostenträger für diese Einrichtung der Eingliederungshilfe ist außerdem der Bezirk Oberbayern und nicht die Stadt Ingolstadt. Das Ausspielen von geflüchteten Menschen gegen geistig- und mehrfachbehinderte Kinder ist unredlich und eines Landtagsabgeordneten und Stadtrats unwürdig.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Christian Scharpf

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