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Der Himmel verdunkelte sich, der Wind frischte auf, Regen setzte ein. Doch während andernorts Hagelkörner Dächer beschädigten und Wassermassen Keller fluteten, blieben Ingolstadt und die Region vergleichsweise glimpflich verschont. Glimpflich – aber nicht folgenlos. Die Integrierte Leitstelle (ILS) Ingolstadt zählte am Mittwochabend zwischen 20 Uhr und Mitternacht insgesamt 98 unwetterbedingte Einsätze. Betroffen waren vor allem die Landkreise Neuburg-Schrobenhausen, Eichstätt und Pfaffenhofen. Die Stadt Ingolstadt selbst kam mit lediglich fünf kleineren Einsätzen davon.
Die Einsatzszenarien in Ingolstadt und den Landkreisen waren eine Mischung aus Wasser in Kellern – meist durch verstopfte Abflüsse oder überforderte Kanalisation – sowie umgestürzten Bäumen und herabgefallenen Ästen auf den Straßen.
Roland Hess, Leiter der ILS Ingolstadt, zieht Bilanz: „Wir hatten uns auf eine größere Lage vorbereitet.“ Der gesamte Tag sei geprägt gewesen von intensiver Abstimmung und Vorbereitung, so Hess. Die Warnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) hätten die nötige Grundlage geliefert. „Diese Warnungen werden mit den besten zur Verfügung stehenden technischen Mitteln, nach bestem Wissen und Gewissen, erstellt“, betont Hess. Gerade im Frühling, nach der Winterpause, bringe das erste schwere Gewitter erhöhte Risiken durchTotholz in den Bäumen.
Empörung statt Einsicht
Nach der Veröffentlichung von Warnungen und Berichterstattungen entwickelte sich online schnell die bekannte Diskussion. Unter den offiziellen Meldungen häuften sich Kommentare wie: „Angst-Pornotime“, „Immer diese Panik-Mache erst ein bisschen Regen, dann ein bisschen Gewitter“ und
„Postet hier doch seriöse Berichterstattungen“. Eine ohne wirkliche Argumente geführte Empörung in einer bekannten Ingolstädter Facebookgruppe. Eine sachliche Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Warnlagen oder den Hintergründen der Einschätzungen des DWD blieb jedoch weitgehend aus.
Gefahr unterschätzt, Einsatz verspottet
Doch was wäre gewesen, wenn sich die Unwetterlage wie prognostiziert im Worst-Case-Szenario entfaltet hätte – mit Hagelkörnern von bis zu fünf Zentimetern Durchmesser, vereinzelt sogar über acht Zentimetern, Sturmböen von bis zu 100 Kilometern pro Stunde, lokal sogar Orkanböen über 120 Kilometern pro Stunde und Starkregenmengen zwischen 25 und 40 Litern pro Quadratmeter? Was wäre zu lesen gewesen, wenn es keine Warnungen gegeben hätte? Wenn Feuerwehr, ILS und Behörden nicht vorbereitet gewesen wären?
Man muss nicht lange spekulieren: Vorwürfe wie „Warum wurde nicht gewarnt?“, „Behördliches Versagen!“ oder „Niemand war vorbereitet!“ wären wohl die Reaktion gewesen – auch auf der Plattform, auf der jetzt Überreaktion unterstellt wird.
Warnen heißt nicht Panikmache
Thomas Schimmer, Pressesprecher der Berufsfeuerwehr Ingolstadt, macht klar: „Für uns ist es wichtig, dass wir vor die Lage kommen, statt ihr hinterherzulaufen.“ Genau deshalb habe man bereits am Nachmittag interne Lagebesprechungen durchgeführt, zusätzliche Kräfte in Bereitschaft versetzt und den Aufbau für den Fall einer Großschadenslage vorbereitet. „Wir nehmen die Warnungen des DWD ernst, weil sie es wert sind, ernst genommen zu werden. Diese sind für uns Grundlage, um unsere Einsatzbereitschaft entsprechend anzupassen“, so Schimmer weiter. Durch die Vorbereitungen seien die Strukturen der Feuerwehr binnen Minuten in der Lage gewesen, auf größere Schadenslagen zu reagieren.
Was gewesen wäre – Worst Case
Der Blick über die Landesgrenze zeigt, was hätte sein können: Im französischen Département Var kamen infolge des Unwetters drei Menschen ums Leben. In der Region Moselle, nahe der deutschen Grenze, verzeichneten die Feuerwehren Hunderte Einsätze, Keller liefen voll, Straßen wurden unpassierbar.
ILS-Leiter Hess bringt es auf den Punkt: „Niemand will Panik verbreiten – es geht darum, der Bevölkerung eine Chance zu geben, sich auf ein mögliches Szenario einzustellen.“
Eine Warnung, die nicht in Panik mündet, sondern Vorsorge ermöglicht: Das ist der Unterschied zwischen Alarmismus und verantwortungsvollem Handeln. Vorbereitung sieht von außen oft aus wie Überreaktion – aber sie ist die Grundlage dafür, dass im Ernstfall nicht improvisiert werden muss.
Dankbarkeit statt empörter Facebook-Posts
Gerade diejenigen, die sich jetzt in sozialen Netzwerken empören, sollten sich stattdessen dankbar zeigen, denen gegenüber, die oft übersehen werden: jenen, die im Haupt- oder Ehrenamt vorbereitete Maßnahmen getroffen, Warnungen herausgegeben und ernstgenommen haben – und die in Einsatzbereitschaft waren, um auf ein Worst-Case-Szenario reagieren zu können.
Am Ende bleibt festzuhalten: Vorbereitung kann ein Unwetter nicht verhindern – aber sie entscheidet darüber, wie gut wir ihm begegnen.
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