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Von Thomas Thöne
Die Diskussionsveranstaltung zur Oberbürgermeisterwahl in Ingolstadt der Lokalzeitung DONAUKURIER war in vieler Hinsicht bemerkenswert, aufschlussreich, augenöffnend, ernüchternd, aber auch überraschend. Selbst für die Teilnehmer der Veranstaltung lohnt es sich, diese in Ruhe als Aufzeichnung noch einmal anzusehen.
Bemerkenswert ist dabei weniger die hohe Teilnehmerzahl vor Ort oder die zahlreichen Zuschauer an den digitalen Endgeräten. Dies war angesichts des hohen Interesses an der Diskussionsveranstaltung des Ingolstädter Presseclubs, der ausgeprägten Unentschlossenheit in der Wählerschaft und der intensiven Mobilisierung durch die Parteien zu erwarten.
Bemerkenswert ist vielmehr die Themenauswahl der örtlichen Lokalredaktion. Es war richtig, nach den Beweggründen der Kandidaten für ihre Kandidatur auf den Rathaussessel und nach den Lösungsansätzen zur Bewältigung der Finanzkrise zu fragen. Anschließend wurde über die Sanierung des Stadttheaters, Klimaneutralität in Ingolstadt bis 2035 und die Belebung der Innenstadt diskutiert.
Doch hier stellt sich die Frage, ob diese Themen tatsächlich die zentralen Anliegen der Bürgerschaft widerspiegeln. Brennen nicht vielmehr andere Themen den Menschen unter den Nägeln? Hohe Mieten durch einen gravierenden Wohnungsmangel, die Sicherheit in der Stadt, fehlende Pflegeplätze, Herausforderungen im Bereich Bildung und Schulen, Migration und Integration oder die Transparenz im Stadtrat bei Entscheidungen? Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Themenauswahl nicht vollständig die Prioritäten der Bürger abbildet, sondern Lieblingsthemen einiger Lokalredakteure sind.
Aufschlussreich war, dass selbst die kommunalpolitisch erfahrenen Diskussionsteilnehmer Christian De Lapuente (Fraktionsvorsitzender der SPD und Bündniskandidat) und Michael Kern (stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CSU) auf viele Fragen trotz mehrfacher Nachfragen der Moderatoren völlig unkonkrete Antworten gaben. Statt präzise Stellung zu beziehen, verloren sich beide in ausschweifenden Ausführungen, wie man es aus der Bundespolitik nur zu gut kennt. In manchen Momenten erinnerte dies fast an die Kunst nichtssagender Aussagen, wie sie der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel oft nachgesagt wurde.
Ebenso aufschlussreich ist die heutige mediale Aufbereitung der Veranstaltung durch die Lokalzeitung. Besonders ins Auge fällt die Schlagzeile des DONAUKURIER: „Redakteure zwingen Kandidaten zu konkreten Aussagen.“
Augenöffnend war das Agieren der AfD-Kandidatin Rosa Pepke, die durchweg mit den Fragestellungen völlig überfordert wirkte und keinerlei erkennbares Konzept hatte. Sie versuchte, sich an einem mitgebrachten Blatt Papier zu orientieren, während alle anderen Kandidaten frei sprachen. Mehr als verwunderlich war ihre Aussage, sie wolle sich als Oberbürgermeisterin auf Repräsentationsaufgaben konzentrieren, während sie die Arbeit der Stadtverwaltung überlassen wolle. Dabei ignorierte sie, dass eine Oberbürgermeisterin auch Vorsitzende zahlreicher städtischer Aufsichtsräte ist und auch in diesen zentrale Verantwortung trägt. Trotz dieser schwachen Vorstellung ist zu erwarten, dass die AfD-Kandidatin Proteststimmen sammeln wird. Die etablierten Parteien können sich allerdings glücklich schätzen, dass die AfD in Ingolstadt kein politisches Schwergewicht ins Rennen um das Oberbürgermeisteramt geschickt hat – insbesondere angesichts der Tatsache, dass auch andere Kandidaten in Teilen eine sehr schwache Performance zeigten.
Ernüchternd ist, dass außer dem Kandidaten der FREIEN WÄHLER, Stefan König, kein weiterer Bewerber um das höchste Amt der Stadt auch nur ansatzweise nachvollziehbare und konkrete Lösungsansätze zur Bewältigung der enormen Finanzkrise nennen konnte. Die Antworten der „Politprofis“ blieben vage und bestanden größtenteils aus Floskeln und Worthülsen.
Besonders auffällig war der Ansatz von De Lapuente, der darauf setzte, dass sich die Wirtschaftslage von selbst verbessern werde – dies wird angesichts der Realität in der Automobilindustrie Wunschdenken bleiben. Ebenso unrealistisch erscheint die Hoffnung von Kern, ein Weltunternehmen nach Ingolstadt zu holen. Die städtische Wirtschaftsförderungsgesellschaft (IFG) bemüht sich seit Jahren intensiv darum, neue Unternehmen in die Stadt zu bringen, um die Monostruktur der Automobilindustrie aufzubrechen – bislang ohne Erfolg. Dass selbst die Profis der IFG hier an ihre Grenzen stoßen, zeigt, wie wenig realistisch Kerns Vorschlag ist.
Besonders ernüchternd ist zudem, dass außer König kein Kandidat bereit war, vor der Wahl konkret darzulegen, wo bei den Stadtfinanzen künftig konkret gespart werden soll. Die „Giftliste“ der Stadtverwaltung, die Einsparpotenziale benennt, wurde von der Moderation in die Diskussion eingebracht, doch genaue Antworten der Kandidaten der CSU und des Wahlbündnisses blieben dazu aus.
Offenbar will man die Wählerschaft nicht vor dem Gang zur Wahlurne verschrecken. Ein solches Vorgehen erinnert an vergangene politische Ereignisse, wie die Bundestagswahl zwischen Helmut Kohl und Oskar Lafontaine. Während Kohl die Bevölkerung mit dem Versprechen blühender Landschaften im Osten gewann, thematisierte Lafontaine die Kosten der deutschen Einheit – eine unbequeme Wahrheit, die die Wählerschaft damals nicht hören wollte. Es scheint, als haben Kern und De Lapuente diese Lektion verinnerlicht und vermeiden deshalb nun jede konkrete öffentliche Aussage über Sparmaßnahmen vor der Wahl in Ingolstadt. De Lapuente warnte, wie üblich, vor einem Kaputtsparen der Stadt und verfolgte den Ansatz, es allen recht machen zu wollen.
Überraschend war der Auftritt von König, dem politischen Neuling, der es schaffte, klare Antworten zu geben und konkrete Vorschläge, besonders im Bereich Sparmaßnahmen, zu unterbreiten. Während andere Kandidaten sich in rhetorischen Pirouetten ergingen, sprach König Klartext. Er zeigte auf, wo aus seiner Sicht Einsparungen möglich sind, und wich nur wenigen Fragen aus. Seine pragmatische Haltung und die Fähigkeit, nicht auszuweichen, stachen hervor und machten ihn zum Überraschungskandidaten des Abends. Seine Unerfahrenheit in der Politik könnte sich, entgegen der Erwartungen von anderen Parteien, als Vorteil erweisen, da er frei von den Zwängen und Verstrickungen der etablierten Parteien agiert.
Wenig überraschend fiel das Ergebnis der „Wahl“ aus, die der DONAUKURIER am Ende der Veranstaltung durchführte. Der Bündniskandidat konnte die meisten Anhänger mobilisieren – wenig verwunderlich, da er für gleich fünf Parteien antritt. Somit wurde De Lapuente zum „Wahlsieger“ des Abends erklärt, ein Ergebnis, das von seiner Anhängerschaft in den sozialen Netzwerken gefeiert wurde. Selbst Oberbürgermeister Scharpf (SPD) ließ es sich nicht nehmen, mit einem Posting auf Facebook zu gratulieren.
Doch es bleiben Fragen zum Ablauf der Abstimmung. Beeinflusst das „DK-Wahlergebnis“, das die Lokalzeitung in ihrer aktuellen Ausgabe veröffentlicht, möglicherweise die eigentliche OB-Wahl? Aus Teilnehmerkreisen ist nicht nur einmal zu hören, dass niemand kontrolliert habe, wie viele Stimmzettel sich Teilnehmer der Veranstaltung zum Ausfüllen mitnahmen. Gerade aus konservativen Kreisen wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob das Ingolstädter Leitmedium mit dieser Abstimmung sogar Einfluss auf die Wahl genommen hat.
Ebenso wenig überraschend ist, dass die Anhängerschaft aller Kandidaten jeweils ihren Favoriten als den besten Teilnehmer der Diskussionsveranstaltung feiert.
Letztlich bleibt abzuwarten, welche Entscheidung die wahlberechtigten Ingolstädterinnen und Ingolstädter am 9. Februar treffen werden. Das Ergebnis ist offen.