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Was hat sich seit dem Machtwechsel im Ingolstädter Stadtrat verändert?

Was hat sich seit dem Machtwechsel im Ingolstädter Stadtrat verändert?

(tt) Die "Frage der Woche" bei O-T(h)öne lautet:

Der jüngste Kommunalwahlkampf stand bei vielen politischen Ingolstädter Parteien und Gruppierungen unter dem Motto "Wir brauchen Veränderungen in der Ingolstädter Kommunalpolitik, im Stadtrat und im Rathaus". Seit etwa einem Monat gibt einen völlig neu zusammengesetzten Stadtrat und eine neue  Stadtspitze. Was hat sich in dieser Zeit aus Ihrer Wahrnehmung verbessert, verändert und welche Veränderungen wünschen Sie sich noch?

Aus dem Ingolstädter Stadtrat wurden die Fraktionen und Gruppierungen von CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Freie Wähler, Bürgergemeinschaft Ingolstadt (BGI), Unabhängige Demokraten Ingolstadt (UDI), LINKE, ÖDP, FDP und Junge Union (JU) am 7. Juni um eine Antwort gebeten. Nachfolgend die ungekürzten und nicht redigierten Antworten, die O-T(h)öne erreicht haben:

Christian De Lapuente, Fraktionsvorsitzender der SPD:

Seit 1. Mai sind die neue Stadtspitze und der neu gewählte Stadtrat im Amt. Das Klima zwischen den Fraktionen und den Parteien hat sich eindeutig verbessert. Das heißt nicht, dass es keine unterschiedlichen Meinungen gibt, ganz im Gegenteil. Am Beispiel der letzten Stadtratssitzung ist zu sehen, dass alle Themen sehr deutlich, sehr unterschiedlich, aber immer über der Gürtellinie diskutiert werden können. Dazu trägt der neue Oberbürgermeister wesentlich bei. Das ist eine wichtige Aufgabe und so sollte es auch in den nächsten sechs Jahren bleiben.

Aktuell sind wir in einer schwierigen Situation. Aufgrund der Corona-Pandemie brechen die Steuereinnahmen unserer Kommune weg. Wir sind froh, dass es angedachte Rettungsschirme von Bund und Land gibt. Aber ich bin mir sicher, dass diese Gelder nicht alle Verluste auffangen können. Deshalb müssen wir größer denken, uns darüber klar werden was Ingolstadt in den nächsten Jahren wirklich benötigt und welche Einnahmen und Ausgaben zu regulieren sind. Nun liegt es an unserem Stadtparlament, diese schwierige Aufgabe zu erfüllen.

Die SPD-Fraktion hat den Bürgerinnen und Bürgern bereits im Wahlkampf viele Themen näher gebracht. Diese wollen wir natürlich jetzt und nach der Sommerpause umsetzen. Dafür stellen wir viele Anträge an den Oberbürgermeister, der von den gesamten Parteien gerade eine Vielzahl davon bekommt. Aber er muss einen kühlen Kopf bewahren, die Dinge nacheinander abarbeiten, prüfen und umsetzen.

Barbara Leininger, Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN:

Der Politikwechsel in unserer Stadt ist ein Prozess, der durch die Abwahl der alten Stadtspitze gerade erst eingeleitet wurde. Der neue Politikstil im Stadtrat und im Rathaus ist „work in progress“ und stellt sich nicht automatisch ein. Die Erwartung der Bürger*innen, die diese Zusammensetzung des Stadtrats gewählt haben, ist dennoch klar: Politische Diskussion ist notwendig, damit die einzelnen Parteien und Gruppen ihr jeweils verschiedenes Programm und politisches Profil in die Diskussion und Entscheidung einbringen.

Was wir aber im Stadtrat künftig wieder mehr zeigen müssen, ist die Kunst des Kompromisses. Ein guter Kompromiss ist keine fade Scheinlösung, sondern oft der erste von weiteren nötigen Schritten in die gewünschte Richtung. Wer „Durchregieren“ für undemokratisch hält, muss offen für Kompromisse sein. Das kann äußerst mühsam sein, aber in den schwierigen Entscheidungen, die infolge der Klimakrise und der Corona-Krise zu treffen sind, brauchen wir vor allem das Zusammenführen verschiedener Interessen mit dem Blick aufs Ganze. Klingt wie eine Sonntagsrede – aber so ist es.

Eva Bulling-Schröter, Stadträtin DIE LINKE:

Der neu gewählte Stadtrat ist nun knappe sechs Wochen im Amt und die Corona-Pandemie macht das Arbeiten nicht immer einfach. Videokonferenzen ersetzen eben nicht das persönliche Gespräch oder ein dringend notwendiges Treffen. Trotzdem sind natürlich schon Ansätze einer neuen Stadtpolitik erkennbar. Zum ersten Mal in der Geschichte Ingolstadts wurden am Rathaus Fahnen zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie gehisst. Ein begrüßenswertes Novum.

Auch am 8. Mai wurde zum ersten Mal eine Gedenkveranstaltung der Stadt organisiert. Leider konnten sich die Initiatoren noch nicht durchringen, den Jahrestag der Kapitulation auch als Tag der Befreiung vom Faschismus zu benennen. Inzwischen gibt es Initiativen für ein Jugendparlament und der Fahrradverkehr soll in Zukunft besser ausgebaut werden.
Hilfsprogramme für die, von Corona Betroffenen wurden aufgelegt und wir werden sehen, ob sie wirklich zielgenau wirken oder ob doch viele wieder durch das Raster fallen. Deshalb hat auch die Linke dazu einen Antrag eingebracht, den Runden-Tisch-Corona weiterzuführen und die Betroffenen über Hilfsmöglichkeiten und den Schutz vor Insolvenz zu beraten.

Die großen Aufgaben liegen noch vor uns. Die Gewerbesteuereinnahmen werden einbrechen und wir werden dann sehen, welche Prioritäten die neu gewählte Stadtspitze favorisiert. Und die neu gewählten Stadträt*innen haben ein Erbe anzutreten. Ob es die Frage der Kammerspiele ist und/oder die Sanierung des Stadttheaters oder die Zukunft des Wonnemars. Hier müssen Entscheidungen getroffen werden, die weit in die Zukunft reichen, ob finanziell oder auch städteplanerisch.

Fakt ist: Es gibt noch keinen Livestream, um für Bürger*innen die Stadtpolitik transparenter zu machen. Die Mieten sind für viele, gerade in Corona Zeiten, fast nicht mehr zu stemmen. Für uns ist klar, dass eine neue Stadtregierung am Anfang eine Einarbeitungszeit braucht, doch die Weichen werden jetzt gestellt. Und wir müssen genau darauf achten, welche Prioritäten gesetzt werden und ob sie wirklich mehr Transparenz, soziale Teilhabe und mehr Klimaschutz bringen.

Alfred Grob, Fraktionsvorsitzender der CSU:

Es ist knapp 50 Tagen nach der Amtsübergabe wohl zu früh, um beurteilen zu können, ob und was sich im neuen Stadtrat verändert hat. Festzustellen ist, dass in der kurzen Zeit von den Parteien einige Anträge wieder „ausgepackt“ wurden, die im alten Stadtrat abgelehnt worden sind. Dies geschieht wohl in der Hoffnung, mit den jetzt wechselnden Mehrheiten den einen oder anderen Antrag nun mehrheitlich befürwortet zu bekommen. Es wird sich in den nächsten Monaten zeigen, ob sich das von Oberbürgermeister Dr. Scharpf im Wahlkampf versprochene Miteinander in die Praxis umsetzen lässt. Es sollte jedoch bei der Findung von Mehrheiten nicht nur darum gehen, bisherige Beschlüsse rückgängig zu machen. In erster Linie muss bei allen Entscheidungen das Wohl der Ingolstädter Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt stehen. Klare Positionen, gegenseitiger Respekt und Wertschätzung sowie eine solide Finanzpolitik – dafür wird sich meine Fraktion weiterhin einsetzen.

Christian Lange, Stadtrat der BGI:

Seit Beginn der Wahlperiode hat sich aus meiner Sicht vor allen Dingen der Umgangston im Stadtrat sehr deutlich verbessert. Die Fraktionen und Gruppierungen reden miteinander, hören sich zu und lassen die Argumente der anderen auch gelten. Daran haben die handelnden Personen an der Stadtspitze, allen voran der Oberbürgermeister, einen erheblichen Anteil und darüber freue ich mich sehr. Die Arbeit im Stadtrat gefällt mir persönlich jetzt deutlich besser als in der letzten Wahlperiode.

Was sich leider nicht geändert hat, ist die Absprache zu den Personalentscheidungen. Wie auch in den letzten sechs Jahren entscheiden sich die Mehrheitsverhältnisse für Wahlen im Hinterzimmer schon einige Tage vor der Sitzung des Stadtrats. Das scheint so in der Politik zu sein, egal wer Oberbürgermeister ist und egal welcher Partei der Oberbürgermeister angehört. Das habe ich in den letzten acht Wochen lernen müssen. Es gefällt mir nicht, aber ich muss es akzeptieren.

Raimund Köstler, Stadtrat der ÖDP:

Es ist noch zu früh, um die Veränderungen wirklich beurteilen zu können. Die meisten Gremien haben erst einmal getagt und die Abläufe müssen sich noch einschwingen. Entscheidend ist dabei, dass noch offen ist, wie mit Anträgen der Parteien umgegangen werden soll. Corona bedingt hat auch die zuständige Geschäftsordnungskommision erst einmal getagt und wichtige Entscheidungen bezüglich der Abläufe noch nicht getroffen.

Es sind viele Anträge aus der letzten Stadtratsperiode offen und es werden auch schon wieder zahlreiche neue Anträge gestellt. Hier braucht es noch eine Form, wie wir mittels Gesprächen in kleinen Runden zu weniger, dafür ausgereifteren Anträgen kommen. Dies zeigt sich sehr gut am Beispiel Verbesserungen für den Radverkehr. Im Verkehrsentwicklungsplan wurden dazu schon wichtige Maßnahmen festgelegt, aber bisher noch nicht umgesetzt. Und auch viele Anträge der Parteien liegen dazu noch unentschieden auf Halde. Nun kommen weitere neue Anträge dazu. Es wäre deshalb notwendig, eine Gesprächsrunde zu starten, die einen Gesamtplan Radverkehr erstellt und somit die vielen Anträge und Ideen zusammenführt, damit die Verwaltung effektiv daran arbeiten kann.

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