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Wie sind künftig Kostenexplosionen bei städtischen Bauvorhaben im Vorfeld zu verhindern?

Wie sind künftig Kostenexplosionen bei städtischen Bauvorhaben im Vorfeld zu verhindern?

(tt) Die "Frage der Woche" bei O-T(h)öne lautet:

„Die Sanierung der Gießereihalle für das neue Kunstmuseum soll acht bis zehn Millionen Euro mehr kosten, als die vom Stadtrat zuletzt genehmigten 33 Millionen Euro. Mit welchen konkreten Maßnahmen wollen Sie nachhaltig derartige enorme Kostensteigerungen bei künftigen Bauvorhaben der Stadt verhindern?“

Aus dem Ingolstädter Stadtrat wurden die Fraktionen und Gruppierungen von CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Freie Wähler, UWG, LINKE, ÖDP und die Ausschussgemeinschaft FDP/JU um eine Antwort gebeten. Nachfolgend die ungekürzten und nicht redigierten Antworten, die O-T(h)öne erreicht haben:

Hans Stachel, Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER:

Mit den Kostensteigerungen beim Museum für Konkrete Kunst und Design befinden wir uns in bester Gesellschaft. Stichworte: Elbphilharmonie und Flughafen Berlin. Das soll keine Entschuldigung sein, zeigt aber auf, dass aus dem Ruder laufende Baukosten kein Problem sind, das sich auf Ingolstadt beschränkt. Landauf, landab wiederholt sich immer wieder das gleiche Spiel: Baukosten werden schön gerechnet, damit die verantwortlichen Gremien ihre Zustimmung geben, dann kommen noch schlechte Planung, mangelnde Bauaufsicht und oft genug auch Schlamperei dazu, und schon gehen die Kosten durch die Decke. Sanierungen stellen sich oft als noch größeres Problem heraus, weil selbst die besten Fachleute nicht vorhersagen können, welche Tücken sich im Gebäude oder im Untergrund verbergen. Diesen Fall erleben wir jetzt bei der Gießereihalle.

Welche Schlüsse sind daraus zu ziehen? Die Schönrechnerei muss ein Ende haben. Das setzt voraus, dass alle an der Planung Beteiligten, vom Bauamt bis hin den Architekten und Statikern, ehrliche und belastbare Fakten und Zahlen liefern. Das setzt aber auch voraus, dass die verantwortlichen Gremien, in Ingolstadt der Stadtrat, die Zahlen und Fakten kritischer hinterfragen und warnenden Stimmen Gehör schenken. In der Praxis bedeutet das: Keine Projektgenehmigung unter günstigsten Annahmen, sondern auch die Benennung möglicher Maximalkosten. Dies gilt vor allem bei Projekten, die mit einem hohen Unsicherheitsfaktor belastet sind, wie bei der Gießereihalle.

Der Stadtrat muss außerdem Projekte von vornherein und in allen Entwicklungsstadien kritischer begleiten, und zwar in allen dafür zuständigen Gremien und Ausschüssen. Ein wichtiger Punkt ist ein effektives Controlling mit einer Zweifach-Ampel (Termine und Kosten).
Dass Verträge mit allen Partnern stringent sein müssen und eine Verpflichtung zur frühzeitigen Rückmeldung bei auftretenden Problemen beinhalten müssen, sollte selbstverständlich sein.

Die Kammerspiele drohen nun zum Beispiel dafür zu werden, wie es nicht laufen sollte. Vor allem die Grünen wischen alle Zweifel und Bedenken vom Tisch und wollen das Projekt durchziehen nach dem Motto: Augen zu und durch. Rationale Argumente werden ausgeblendet, weil man unbedingt etwas durchsetzen will. Damit ist das nächste finanzielle Fiasko in Ingolstadt vorprogrammiert. Das Grundübel ist: bauen um jeden Preis. Jahrelang wurde in Ingolstadt geplant und gebaut nach der Devise: Was kostet die Welt. Mit diesem Denken muss Schluss sein.

Barbara Leininger, Fraktionsvorsitzende, Bündnis90/Die Grünen

Die enorme Kostensteigerung beim MKKD müssen wir zähneknirschend hinnehmen. Wir brauchen jetzt eine exakte Analyse der Gründe für diese Kostenexplosion.

Wichtig ist hierbei zu unterscheiden, welche Faktoren spezifisch für den Standort zutreffen: Um welche Art von Baumaßnahme handelt es sich? Etwa um die Umnutzung eines historischen Gebäudes wie im Fall des MKKD – oder um einen Neubau.

Bei jeder Baumaßnahme aber muss ein strenges und engmaschiges Controlling der Kosten und zeitlichen Abläufe in Zukunft erfolgen. Der Faktor Zeit spielt eine enorme finanzielle Rolle. Jede Verzögerung einer baulichen Maßnahme kostet viel Geld.

Hans Achhammer, Stadtrat der CSU-Fraktion

Die enormen Kostensteigerungen beim Museum für konkrete Kunst und Design (MKKD) haben gezeigt, dass mit dem Beschluss einer Projektgenehmigung, mit dem gleichzeitig auch die Projektkosten beschlossen werden, keine sichere Haushaltsplanung im Investitionsbereich gewährleistet ist. Zum besseren Verständnis: Die Kosten einer Projektgenehmigung sind in aller Regel Schätz- oder Prognosekosten.

Gerade bei Projekten, die durch einen Wettbewerb zur Umsetzung kommen, sind bereits beim Wettbewerbsverfahren den Faktoren Machbarkeit und Kosten eine höhere Gewichtung beizumessen. Fachtechnische Vorprüfungen sind zu diesen Positionen zur Risikominimierung zwingend erforderlich.

Bereits bei den Grundsatzentscheidungen für Bauprojekte, aber spätestens bei der 1. Projektgenehmigung müssen in Zukunft detaillierte Angaben zu den größten Kostengruppen gemacht werden können (z. B. Baugrund, Statik, Bodengutachten). Demnächst werden dem Stadtrat die überarbeiteten Baurichtlinien vorgelegt. Vielleicht gelingt es dann, eine Projektgenehmigung zu einer späteren Phase mit einer übersichtlichen und detaillierten Preiskalkulation dem Stadtrat zur Entscheidung vorzulegen.

Bei allen Baumaßnahmen und den dazugehörigen Kostenrahmen wird immer der Baupreisindex bis zur Fertigstellung berücksichtigt. Dies soll durchaus in mehreren Szenarien einfließen.

Unabhängig sollte darüber nachgedacht werden, ob sich öffentliche Bauvorhaben nicht ebenso erfolgreich durch einen Generalunternehmer oder eine Betreibergesellschaft verwirklichen lassen.

Sepp Misslbeck; Stadtrat der UWG-Fraktion

Die Zeitungsüberschrift „Museumsmisere“ zeigt sehr deutlich das Unverständnis, die Bestürzung und den Ärger der Bevölkerung über die explodierenden Kosten – und weckt zudem das Gefühl der Unsicherheit für künftige Beschlüsse.

Lösung: Die Ausschreibung müssen detaillierte Vorgaben beinhalten auch aus der Erfahrung der Vergangenheit.

 Bei Projekten mit noch unklaren Fakten in Bezug auf Bodenbeschaffenheit und daraus resultierende Statik muss neben dem Projektierungsbüro ein neutrales Fachinstitut für ein weiteres Gutachten eingeschaltet werden (z.B. – L.G.A – Landesgewerbeanstalt Bayern).

Dies wurde bei dem anlaufendem Projekt Kammerspiele an dem risikobehafteten Standort von uns als UWG in unserem Antrag gefordert.

Eine Projektgenehmigung ist nur möglich, wenn Risiken erkannt, aber ausgeschlossen sind
und bei auftretenden Schäden die Haftungsübernahme durch den Projektplaner sicher gestellt ist.

Eva Bulling-Schröter, Sprecherin der Stadtratsgruppe DIE LINKE:

Bei einem Votum im Stadtrat gilt es, zukünftige Gutachten mit wirklichen Gefahren und “worst case Szenarien” auszustatten und zwar ehrlich. Kriterium muss immer eine nachhaltige Bauweise sein. Viel zu oft wird die momentan billigste gewählt, obwohl sich Nachhaltigkeit, vor allem nachhaltiges Bauen, langfristig eben auch ökonomisch rechnet.
Bei zukünftigen Bauvorhaben besteht für uns, DIE LINKE, immer die prioritäre Frage, ob das Bauvorhaben wirklich benötigt wird. Ist es im Sinne der Nachhaltigkeit wirklich notwendig, immer weiter und mehr zu bauen? Für uns steht zu Beginn deswegen immer die Frage, ob nicht aktueller Leerstand umgewidmet werden könnte. Im Fall des MKKD wurde zwar ein historisches Gebäude saniert, jedoch in unseren Augen fernab bautechnischer Vernunft. Der Entwurf hatte mit Sicherheit seine Strahlkraft, aber dem vergangenen Stadtrat muss man vorwerfen, sich hier allem Anschein nach nicht im Detail über die Umsetzung des Baus informiert zu haben. Aus Nachhaltigkeitsperspektive ist das ganze Unterfangen nicht nur unnötig teuer, sondern auch aufgrund der ausufernden Verwendung von Beton bei der stützenden Konstruktion aus ökologischer Sicht schlichtweg Wahnsinn.

Mit einer Bodenplatte, Dachsanierung und etwas Aufhübschung von Türen und Fenster hätte die Gießereihalle eine hervorragende Markthalle und/oder Foodcourt abgegeben. Sozusagen als Verlängerung der Fußgängerzone, perfekt gelegen in einem von Studenten und Arbeitenden hoch frequentierten Bereich. Die Halle hätte uns so weitaus weniger gekostet und durch Standgebühren sogar fortwährend Gelder eingespielt. Für das MKKD hätte man mit Sicherheit auch einen anderen Standort gefunden. Was uns an derlei Vorhaben stört ist der Gigantismus, der in Ingolstadt vorherrscht und wahrscheinlich aus einem kleinstädtischen Minderwertigkeitskomplex gepaart mit einem zu dicken Geldbeutel geboren wird. Anstatt gefühlvoll mit dem Bestand zu arbeiten und das gemütliche einer kleinen großen Stadt zu kultivieren, strebten wir baulich allzu oft den Vergleich mit Großstädten wie Zürich, London und co. an. Hieran wird man sich finanziell fortwährend verheben, mit der bitteren Folge, dass dann das Geld für dringend benötigte Projekte aus dem Sozial- oder Umweltbereich fehlt.

Wir im Stadtrat sind darauf angewiesen, ordentliche Gutachten mit “worst Case Szenarien” und einer angemessenen Risikokalkulation vorliegen zu haben, aber auch der Stadtrat ist in der Pflicht seine Prioritäten zu überprüfen und eine finanzielle Angemessenheit von Großprojekten im Auge zu haben. Letztendlich geht es darum mit unseren Investitionen das Beste für die Ingolstädter Bürger*innen zu realisieren. Dass der Großteil der Ingolstädter Bürger*innen kulturell wirklich von bautechnisch hochkomplexen und teuren Unterfangen profitiert, ziehen wir zumindest in den aktuell diskutierten Projekten stark in Zweifel. Donaueinbindung, Kultur, Museen und Spielstätten sind auch günstiger zu haben und nicht davon abhängig, auf schwierigem Grund gebaut zu werden. Dafür ist es auch nicht nötig, mit der Brechstange unsere gesamte Stadt umzugraben. Der Donaustrand ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Er ist improvisiert und niedrigschwellig, hat aber für die Donaueinbindung mehr geleistet, als so manch teureres Millionenprojekt in Zukunft vermögen wird. Charme und ressourcenorientierte Raffinesse sind in unseren Augen die Tugenden des 21. Jhd und so sollte zukünftig auch geplant und gebaut werden.

Preissteigerungen und potenzielle Verteuerungen, wie sie bei fast allen Bauprojekten anfallen, müssen künftig verbindlich eingeplant werden.

Grundsätzlich gilt es, in Bauangelegenheiten transparenter zu handeln: Neben der Einsetzung eines Risikomanagements, das befugt ist, sofortige Maßnahmen umzusetzen und den Stadtrat und unsere Mitbürger:innen informiert, bevor die Preiskalkulation so massiv ins Minus läuft, brauchen wir dringend eine bessere Einbindung unserer Bürger:innen und müssen Beteiligungsprozesse schaffen, damit wir alle gemeinsam unsere Stadt gestalten können.

Zusammenfassend wünschen wir uns als LINKE. Stadtratsgruppe, dass die Stadt Ingolstadt Nachhaltigkeit insgesamt weiter denkt. Alle anstehenden Sanierungen und Baumaßnahmen müssen in Zukunft im Rahmen einer dringenden notwendigen CO2-Reduzierung gedacht werden - und ein nicht gebautes Gebäude erzeugt einfach keine weiteren Emissionen.

Raimund Köstler, Sprecher der Stadtratsgruppe der ÖDP:

Überraschungen bei Baumaßnahmen wird es immer geben. Mit der Wahl von Herrn Gero Hoffmann als neuen Referenten haben wir unsere Hoffnungen verbunden, weniger Überraschungen, dafür mehr faktenbasierte Entscheidungsgrundlagen zu bekommen.

Gründliche Planungen, eine frühzeitige Schätzung aller(!) Kosten und ein detailliertes Baucontrolling sind der Schlüssel gegen Überraschungen. Außerdem müssen in der Beschlussvorlagen standardisierte Information gegeben werden, damit der Stadtrat bessere Entscheidungen treffen kann. Dazu gehört auch das Aufzeigen von echten Alternativen.

Markus Meyer, Stadtrat, Ausschussgemeinschaft FDP/JU

Grundsätzlich bewertet es die Ausschussgemeinschaft FDP/JU als positiv, dass historische Bausubstanz für künftige Generationen erhalten, nutzbar und erlebbar wird. Ingolstadt hat die für seine Stadtidentität wertvollen Gebäude in vielen Bereichen bewahren können. So werden die verschiedenen Stadien der Stadtgeschichte sichtbar und spürbar. Eine Nutzung der historischen Substanz der Gießereihalle für die moderne Kunst kann einen interessanten Brückenschlag aus der Stadtgeschichte in die Moderne bieten und das gesamte Areal aufwerten. Auch in Zukunft werden in Ingolstadt Bauprojekte mit historischer Bausubstanz in Verbindung kommen, aber die Umnutzung historischer Gebäude kann nicht um jeden Preis erfolgen. Um vergleichbaren Szenarien bei künftigen Bauprojekten von vornherein entgegenzuwirken, fordern wir eine umfassende Analyse, wodurch die Kostensteigerung hervorgerufen wurde, und wie dies in Zukunft vermieden werden kann. Konkrete Ansatzpunkte zur Prüfung sind die zukünftige Unterstützung durch einen digitalen und vernetzten Planungs- und Bauprozess (Building Information Modeling), eine bessere Risikoeinschätzung vor Baubeginn, sowie die damit einhergehend intensiveren Voruntersuchungen.

Christian De Lapuente, Fraktionsvorsitzender der SPD:

Die erneute Kostensteigerung hat uns alle wie ein Schock getroffen. Nun ist leider das eingetreten, vor dem einige Mitglieder der SPD-Stadtratsfraktion bereits 2012 gewarnt haben. Dr. Manfred Schuhmann gab damals schon zu bedanken, dass die Kosten für die Unterhöhlung einer solch großen Halle kaum planbar sind. Deswegen stimmte die SPD gegen das sogenannte „Wiener Modell“. Nun gilt es zu prüfen, welche Option aus heutiger Sicht die beste ist. Ein Ausstieg aus dem Projekt würde – außer Schadensersatzkosten – am wenigsten bringen. Daher werden wir die weiteren Kosten genehmigen. Außerdem sehen wir den Mehrwert für Ingolstadt durch das neue MKKD und im Übrigen auch durch die Kammerspiele. Für die Zukunft ist es uns allerdings wichtig größtmögliche Klarheit und Transparenz zu schaffen. Daher fordern wir in einem Antrag den Stadtrat über Alternativen zum Bau der Kammerspiele zu informieren. Die SPD Stadtratsfraktion steht weiterhin zu der Entscheidung die Kammerspiele zu bauen, und auch für den Standort. Trotzdem ist es uns wichtig aufzuzeigen wieso es damals zu dieser Entscheidung kam und warum die anderen Varianten nicht in Frage kamen.

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