Nur eine Minderheit der Menschen in Deutschland findet die CO₂-Bepreisung in den Bereichen Verkehr und Wärme in der aktuellen Form akzeptabel: Sieben Prozent nennen den Preis, mit dem Anreize zur Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen gesetzt werden sollen, für ihren Haushalt „sehr akzeptabel“ und 19 Prozent „eher akzeptabel“. Weitere 21 Prozent sind bei der Bewertung unentschieden. Dagegen lehnt eine Mehrheit die CO₂-Bepreisung dezidiert als für sich „eher inakzeptabel“ (21 Prozent) oder „sehr inakzeptabel“ (32 Prozent) ab. Das ergibt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung auf Basis einer repräsentativen Befragung. Dabei zeigen sich deutliche Zusammenhänge mit der Lebenssituation der Befragten: Die Akzeptanz sinkt bzw. steigt mit dem Einkommen. Und: Wer sich große Sorgen um die wirtschaftliche Situation macht, lehnt den CO₂-Preis häufiger ab als Menschen ohne finanzielle Sorgen. Landbewohner*innen sind skeptischer als Städter*innen, das beeinflusst auch die Akzeptanzwerte in den unterschiedlichen Bundesländern. In den Stadtstaaten Hamburg (43 Prozent Akzeptanz) und in Berlin (32 Prozent) ist die Zustimmung noch am höchsten. In den ostdeutschen Flächenländern findet der CO₂-Preis besonders wenig Unterstützung, auch im Saarland und in Niedersachsen sind die Werte relativ gering.
Bundesweit fühlen sich rund drei Viertel der Befragten schlecht oder gar nicht über die CO₂-Bepreisung informiert. Gleichzeitig überschätzen die meisten Befragten ihre aktuelle finanzielle Belastung durch den CO₂-Preis drastisch, während sie die absehbare Kostenentwicklung in den kommenden Jahren unterschätzen, wenn ein unbegrenzter Marktmechanismus die bislang recht moderate politische Preissetzung ablöst und zu deutlich höheren Kosten führen dürfte. Die Studienautoren Jan Behringer, Lukas Endres und Maike Korsinnek halten deshalb kurzfristig bessere Informationen zur CO₂-Bepreisung für einen Weg, die Akzeptanz zu erhöhen. Um den Rückhalt in der Bevölkerung auch bei künftig deutlich steigenden CO₂-Preisen zu sichern, sollte zudem zeitnah ein Kompensationsmechanismus eingeführt werden. Dieser sollte nach Analyse des IMK insbesondere untere und mittlere Einkommensgruppen entlasten, weil diese einen höheren Anteil ihres Einkommens für Mobilität und Heizenergie aufwenden müssen und daher stärker belastet sind.
Auch hinsichtlich der Präferenzen der Menschen zur Verwendung der Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung liefert die IMK-Studie Anhaltspunkte: Die Befragten, die bei dieser Frage entscheiden konnten, ob und in welchem Umfang sie die Einnahmen aus dem CO₂-Preis auf einem oder mehreren Wegen zurückverteilen würden, favorisieren in erster Linie, die Einnahmen als direkte Zahlungen an die Haushalte zurückzugeben, und zwar teilweise als pauschale Pro-Kopf-Zahlung und teilweise mit einem Schwerpunkt bei Haushalten mit niedrigeren Einkommen oder besonderer Betroffenheit durch den CO₂-Preis. Eine soziale Staffelung nach Einkommen präferieren Anhänger*innen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke überdurchschnittlich stark, zeigt eine differenzierte Auswertung nach politischen Präferenzen. Grünen-Wähler sind auch mehr als andere dafür, einen wesentlichen Teil der Einnahmen in einen Ausbau der öffentlichen Infrastruktur mit Klimaschutz-Effekt zu investieren, etwa in den öffentlichen Nahverkehr, die Bahn oder ein Ladenetz. Befragte, die Union, FDP oder AfD zuneigen, plädieren hingegen stärker für Rückzahlungen pauschal pro Kopf an die Bürger. Sie sind zudem eher dafür, mit einem Teil der Einnahmen die Einkommensteuer zu senken – obwohl das insbesondere Haushalten mit niedrigeren Einkommen wenig bringt.
Für die Untersuchung wurden im Rahmen einer repräsentativen Quotenstichprobe rund 4800 Erwachsene im Januar und Februar 2024 online befragt. Unmittelbar zuvor, Anfang 2024, wurde der CO₂-Preis von 30 auf 45 Euro pro Tonne CO₂ erhöht. Das waren, als Reaktion auf das Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, fünf Euro mehr als zuvor von der Bundesregierung angekündigt. Die Bepreisung des Treibhausgases CO₂ gilt bei zahlreichen Ökonom*innen als besonders effektives Instrument im Kampf gegen die Erderhitzung, insbesondere, wenn sich die Preise am Markt bilden. Das soll im Europäischen Emissionshandelssystem ab 2027 auch für die Bereiche Verkehr und Wärme geschehen. Viele Expert*innen erwarten dann einen raschen Anstieg des CO₂-Preises auf 200 Euro und mehr pro Tonne, weil das mit den internationalen Klimazielen vereinbare CO₂-Budget entsprechend knapp ist. Dementsprechend dürften dann auch die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung stark steigen, die bislang in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen. So prognostiziert das Umweltbundesamt für den Zeitraum von 2027 bis 2032 bei einem durchschnittlichen Preis von 200 Euro pro Tonne CO₂ ein Aufkommen von insgesamt knapp 240 Milliarden Euro. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung war ursprünglich zur Entlastung die Auszahlung eines Klimageldes an die Bevölkerung vorgesehen. Allerdings könnte eine solche Auszahlung nun womöglich erst 2027, also in der nächsten Legislaturperiode, kommen.
Eine mangelnde soziale Flankierung berge „die Gefahr, dass die Umsetzung der Klimapolitik von großen Teilen der Bevölkerung als ungerecht empfunden wird und die gesellschaftliche Akzeptanz der CO₂-Bepreisung schwindet“, warnen die IMK-Forschenden Behringer, Endres und Korsinnek. „Bereits 2023 verdeutlichte die politische Kontroverse um die Reform des Gebäudeenergiegesetzes, in Folge, derer es zu einer deutlichen Abschwächung des Gesetzes kam, dass fehlendes Vertrauen in die soziale Ausgewogenheit politischer Maßnahmen zum Hindernis für die Klimapolitik werden kann.“ Weitere Indizien dafür sehen sie in den Befragungsdaten: Im Vergleich zu früheren Studien fällt die Akzeptanz der CO₂-Bepreisung etwas geringer aus. Als Gründe dafür führen die Forschenden, neben methodischen Unterschieden, unter anderem den stärker als erwartet gestiegenen CO₂-Preis an sowie die politischen Auseinandersetzungen um den Klimaschutz.
„Die Umfrageergebnisse unterstreichen erneut, dass die Dekarbonisierung alleine über eine CO₂-Bepreisung aus sozialen und politischen Gründen nicht erfolgreich sein kann“, ordnet Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des IMK, die Ergebnisse ein. „Auch ein Klimageld ist kein Allheilmittel“, so Dullien. Vielmehr brauche man einen Instrumentenmix, der zusätzlich zum Klimageld beispielsweise auch öffentliche Investitionen unter anderem in öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie Wärmenetze enthält, um die finanziellen Belastungen insbesondere von Haushalten im ländlichen Raum in der Klimawende zu begrenzen.
Quelle: Hans-Böckler-Stiftung.
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