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Wer hat noch nicht, wer will noch mal? - Fragen über Fragen

Wer hat noch nicht, wer will noch mal?  -  Fragen über Fragen

O-T(h)öne gibt Fraktionen und Gruppierungen im Ingolstädter Stadtrat, sowie ausgewählten Personen des gesellschaftlichen Lebens und aus dem journalistischen Bereich, in der Rubrik "Aus fremder Feder", die Möglichkeit eines Gastkommentars zur Ingolstädter Kommunalpolitik. Das Thema ist durch den Gastkommentator frei wählbar, ebenso die Länge des Textes. Die Veröffentlichung erfolgt nicht redigiert und ungekürzt. Die Verantwortung für den Inhalt trägt allein der Verfasser des Gastkommentars.

Gastkommentar von Steffi Kürten, Stadträtin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Was wissen wir? Die Coronavirus-Erkrankung (COVID-19) ist eine Infektionskrankheit, die durch ein neuartiges Virus verursacht wird. Es führt zu einer Atemwegserkrankung (vergleichbar mit der Grippe) mit Symptomen wie Husten und Fieber. In schwereren Fällen kann es zu starken Atembeschwerden kommen. Wir können uns schützen, indem wir uns häufig die Hände waschen, eine FFP-Maske tragen und es vermeiden, uns ins Gesicht zu fassen. Außerdem sollten wir Abstand (mind. 1,5 Meter) zu Menschen halten, die sich unwohl fühlen. Die Coronavirus-Erkrankung wird hauptsächlich von infizierten Personen beim Husten oder Niesen übertragen…

Überzeugte Querdenker*innen steigen spätestens jetzt aus, denn für sie liegt der Fehler schon bei der Eingangsfrage. Es müsste heißen: Was wird uns eingeredet und was glauben einige zu wissen? Oder schlicht, Bill Gates ist schuld und will uns alle chippen. Er habe die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gekauft und strebe die Weltherrschaft an. Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur. Corona sei ein Plan dunkler Mächte und werde durch 5G-Handystrahlung übertragen. Und wenn diese alternativen Faktenwelten dann tausendfach gepostet und von Prominenten ausgesprochen werden wie Xavier Naidoo oder Attila Hildmann, dann muss ja etwas dran sein. Oder nicht?

Ebenfalls zum Star mutiert ist Ken Jebsen. Seine Videos vervielfältigen sich im Netz wie ein Lauffeuer und zeigen Wirkung. Manchen Menschen kommen die Aussagen schon ein wenig komisch vor, sie fragen zumindest noch nach. „Stimmt es wirklich, dass Bill Gates die WHO gehört, die den Regierungen die Corona-Krise eingeimpft hat? Bezahlt er den deutschen Top-Virologen Drosten, damit dieser die Bundesregierung dementsprechend berät?“ Nachdem ich anfangs noch lachen musste, weil ich die Fragen für einen Scherz hielt, antworte ich heute gefasst: „Eher nicht. Die Gates-Stiftung trägt auch nicht 80 sondern nur 10 Prozent der Finanzierung der WHO …“

Andere fragen nicht nach. Sie nehmen die scheinbare Aufklärung dankbar an und beginnen am System zu zweifeln, fühlen sich von den „Systemmedien“ nicht mehr informiert, sondern manipuliert und besorgen sich fortan ihre Gewissheiten aus den Tiefen des Internets. Hier tobt seit Langem ein medialer Youtube-, Twitter- und Facebook-Krieg, der die Corona-Krise in eine Informationspandemie verwandelt hat. Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Fakten müssen nicht stimmen, sie müssen nur ins rechte Licht gerückt, schick mit Ängsten und allgemeinem Unmut unterfüttert und geteilt werden. Mit Blick auf die kursierenden Mythen und Märchen der Corona-Zeit sagt Mark Suzman, CEO der Bill und Melinda Gates-Stiftung gegenüber ZDFheute: "Wir sind besorgt über die Verschwörungstheorien, die online verbreitet werden, und über den Schaden, den sie der öffentlichen Gesundheit zufügen könnten. (...) [Es ist] beunruhigend, dass es Menschen gibt, die Fehlinformationen verbreiten, obwohl wir alle nach Wegen suchen sollten, zusammenzuarbeiten und Leben zu retten. Die Verbreitung von Fakten ist im Moment das Beste, das wir tun können, um die Verbreitung von COVID-19 zu stoppen."
Für mich stellt sich zudem die Frage, wem es in der aktuellen Situation eigentlich nützt, wenn Menschen dagegen protestieren, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, zum Schutz der Risikogruppen und zur Entlastung des Gesundheitssystems ergriffen worden sind?

Ja, sie schränken die persönlichen Freiheiten vorübergehend ein. Eine Maske zu tragen und Abstand zu halten ist anstrengend, aber doch irgendwie ein kleiner Preis dafür, dass man eventuell genau dadurch Leben rettet. Mir ist klar, so eine nette Hygienedemo kann Laune machen. Endlich wieder ein klein wenig Normalität, statt dieser von immer mehr Menschen als übertrieben und lästig empfundenen Angst vor diesem ominösen Virus. Ob man nun demonstriert oder nicht, die Wirksamkeit von Impfstoffen oder einen Impfzwang infrage stellt oder um das Grundgesetz und seine Freiheit bangt – was uns alle beschäftigt, ist doch diese eine Frage: Wann geht unser Leben endlich wie gewohnt weiter, wann ist Corona vorbei? „Niemals“, meint Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher. „Es gibt historische Momente, in denen die Zukunft ihre Richtung ändert. Wir nennen sie Bifurkationen. Oder Tiefenkrisen. Diese Zeiten sind jetzt. Die Welt as we know it löst sich gerade auf. Aber dahinter fügt sich eine neue Welt zusammen…!“ In der Krise liegt für ihn eine unbändige Kraft, es entsteht eine neue Welt: „Mitten im Shut-Down der Zivilisation laufen wir durch Wälder oder Parks, oder über fast leere Plätze. Aber das ist keine Apokalypse, sondern ein Neuanfang.“ Machen wir etwas daraus, alle gemeinsam! Im Stadtrat gab es unter Leitung der GRÜNEN Bürgermeisterin Petra Kleine die erste Sozialausschusssitzung mit einem lang vermissten, durchgehend wohltuenden Umgangston. Willkommen in der Zukunft!

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