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Wie „DER SPIEGEL“ den Stadtrat zur Transparenz nötigte

Ingolstadt steckt tief in der Krise. Das Geld ist knapp, die Sparzwänge sind hart. Doch es ist nicht das leere Stadtsäckel, das die größere Gefahr birgt. Es ist die politische Intransparenz, die sich wie ein roter Faden durch die Ingolstädter Kommunalpolitik zieht und dabei demokratische Grundwerte aushebelt. Vertrauen in Politik und Verwaltung bröckelt.

Der Druck von außen – Wie der SPIEGEL die Stadt zum Handeln zwang

Es brauchte erst ein überregionales Medium, um Bewegung in die bleierne Stille zu bringen: die Affäre um Wilhelm Reißmüller, einst mächtiger Verleger mit dunkler NS-Vergangenheit, blieb jahrzehntelang unangetastet. Ein Tabu, eisern verteidigt. Auch die Berichterstattung des SPIEGEL brachte die Stadtspitze und den Stadtrat in Zugzwang. Öffentlich thematisiert wurde der Fall allerdings in der Stadtratssitzung nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil die Regierung von Oberbayern als Rechtsaufsicht von dem Nachrichtenmagazin eingeschaltet wurde. Ohne diesen Druck von außen wäre wohl alles weiter ohne die Öffentlichkeit beraten worden. Ein Einzelfall? Keineswegs. Vielmehr Symptom einer Stadtpolitik, die sich lieber hinter verschlossenen Türen verschanzt, statt offen mit den Bürgern zu sprechen.

Die Sparliste – Politik hinter verschlossenen Türen

Auch aktuell das gleiche Bild: Eine Sparliste, monatelang im Verborgenen erarbeitet, kursierte in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe, ohne Protokoll, ohne Öffentlichkeit. Heute wird das Papier, von einigen schon als Giftliste tituliert, dem Stadtrat präsentiert. Fachgremien? Öffentliches Ringen um Alternativen? Fehlanzeige. Stattdessen: Geheimniskrämerei. Das offizielle Argument: Die Arbeitsgruppe habe bloß vorbereitenden Charakter, keine Beschlusskompetenz. Doch wer genau hinsieht, merkt schnell: Hier werden Pflöcke eingeschlagen, die das soziale Leben der Stadt nachhaltig verändern. Die Bürger erfahren davon nur beiläufig, viele Stadträte ducken sich bei kritischen Nachfragen weg. So geht Demokratie nicht.

Wer ältere Medienberichte durchforstet, findet zahlreiche Beispiele für dieses Prinzip der Intransparenz: von der geplanten Klinikfusionen über die Heilig-Geist-Stiftung bis zur Sicherheitsdebatte ums Bürgerfest – Transparenz sieht anders aus.

Heilig-Geist-Stiftung – Entscheidungen im Schatten

Ein weiteres Kapitel: die Heilig-Geist-Stiftung. Eine Pflegeeinrichtung der jahrhundertealten Stiftung wurden einem privaten Investor im Erbbaurecht überlassen – still, leise und ohne öffentliche Debatte. Eine Entscheidung, die die Bürger direkt betrifft, doch Stadtrat und Stadtspitze informierten spät, Sitzungen blieben zunächst nicht öffentlich, Informationen tröpfelten nur bruchstückhaft an die Öffentlichkeit. In einer Nacht und Nebelaktion wurde im Stadtrat schließlich abgestimmt. Freunde der Stiftung fühlen sich verraten. Ein Armutszeugnis für jede Stadt, die sich demokratisch nennt.

Klinikfusion – Geheimnisse statt Klarheit

Genauso undurchsichtig: die Fusion der Kliniken in der Region. Die Verhandlungen finden hinter verschlossenen Türen statt, Gewerkschaften und Beschäftigte wurden außen vor gelassen. Selbst viele Stadträte erfuhren Details zu einem Gutachten nur auf Nachfrage, Medien hatten keinen Zugang zu einer entscheidenden Informationsveranstaltung. Das Gutachten? Immer noch unter Verschluss. Nur handverlesene Kreise sind im Bild. Demokratische Teilhabe? Offensichtlich zweitrangig.

Bürgerfest und Sicherheitsdebatte – Was passiert wirklich

Sogar beim Bürgerfest, sonst Glanzlicht im städtischen Kalender, regiert das Prinzip Geheimhaltung. Sicherheitsthemen und notwendige Maßnahmen wurden in nichtöffentlichen Sitzungen diskutiert. Für die Bürger bleibt unklar, was beschlossen wurde. Wieder ein Beispiel für Politik im Halbdunkel, fern vom offenen Austausch mit der Stadtgesellschaft. Vertrauen wächst so nicht – es schwindet.

Die fatale Rolle von Stadtspitze und Stadtrat

Unter Oberbürgermeister Michael Kern von der CSU wurde der alte Stil in den bald 100 Tagen seiner Amtszeit fortgeschrieben, ebenso durch den amtierenden Stadtrat. Transparenzversprechen? Verhallt. Auch Christian Scharpf von der SPD, Kerns Vorgänger, hatte im Wahlkampf 2020 noch großspurig Transparenz eingefordert und seinen CSU-Amtsvorgänger für Intransparenz scharf kritisiert. Gebracht hat es wenig: Die umstrittene Klinikfusion wurde unter Scharpfs Ägide angeschoben, der Bettenabbau bei der Heilig-Geist-Stiftung ebenfalls. Öffentliche Informationen? Mangelware. Debatten blieben aus. Stattdessen: weiterwursteln im kleinen Kreis.

Was das für die Demokratie bedeutet

Politische Intransparenz ist nicht bloß ärgerlich – sie beschädigt die Grundlagen der Demokratie. Bürger haben Anspruch auf Offenheit, Beteiligung und klare Kommunikation. Demokratie lebt vom Streit, vom öffentlichen Ringen um die besten Lösungen – nicht von Geheimverhandlungen und Mauscheleien. Werden diese Muster zur Gewohnheit, verkommt die Demokratie zur Kulisse.
Die Ingolstädter Politik muss schleunigst umdenken: Schluss mit der Geheimniskrämerei, her mit echter Beteiligung. Vertrauen lässt sich nicht mit Worten zurückgewinnen – sondern nur mit Handeln. Wer Bürger dauerhaft außen vor lässt, wird nicht nur bei Wahlen die Quittung bekommen, sondern riskiert, dass Politikverdrossenheit wächst und die Demokratie weiter erodiert. Das sollten alle Stadträte – als Gewählte und nicht Erwählte – stets im Hinterkopf behalten.

Quelle: Eigene Berichterstattung.

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