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Wo ist noch mehr Transparenz in der Ingolstädter Kommunalpolitik notwendig?

Wo ist noch mehr Transparenz in der Ingolstädter Kommunalpolitik notwendig?

Die "Frage der Woche" bei O-T(h)öne lautet:

„Die Forderung nach mehr Transparenz war ein wichtiges Thema im letzten Ingolstädter Kommunalwahlkampf. Wo sehen Sie noch Notwendigkeiten und Möglichkeiten diese in der Stadtverwaltung, im Stadtrat und in der Kommunalpolitik umzusetzen?“

Aus dem Ingolstädter Stadtrat wurden die Fraktionen und Gruppierungen von CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Freie Wähler, UWG, LINKE, ÖDP und die Ausschussgemeinschaft FDP/JU am 30. Mai um eine Antwort gebeten. Nachfolgend die ungekürzten und nicht redigierten Antworten, die O-T(h)öne erreicht haben:

Christian Höbusch, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN:

Transparenz ist zu aller Erst eine Frage der Einstellung. Erst wenn diese Haltung da ist, kann Offenheit, kann Transparenz einziehen. Hier hat sich in dieser Stadtratsperiode schon sehr viel zum Besseren verändert. Der Oberbürgermeister, die Referentin und Referenten informieren alle Parteien und Gruppierungen des Stadtrates zu wichtigen Themenkomplexen proaktiv. Es hat eine Haltungsänderung auf allen Ebenen stattgefunden. Man spricht wieder mehr miteinander als übereinander.

Leider zeigen sich insbesondere von Seiten der „alten Rathauskoalition“ schon erste Auflösungserscheinungen. Wir, als Stadtratsfraktion der Grünen, fühlen uns vom Oberbürgermeister, der Verwaltung jedenfalls gut mitgenommen.

Dies will jedoch nicht heißen, dass es an der ein oder anderen Stelle, wie in jeder Organisation, jedem Unternehmen, nicht noch Verbesserungspotential gibt. So unterstützen wir beispielsweise gerne Initiativen zur verstärkten Nutzung von Open Data. Wir können uns weiterhin für Ingolstadt etwa auch einen „Offenen Haushalt“ vorstellen, d.h. eine für alle Bürger*innen einfach nachvollziehbare, digitale Darstellung des städtischen Haushaltes. Beispiele hierfür finden sich bereits in zahlreichen Kommunen in Deutschland. Denn die Handlungsfähigkeit einer Gemeinde fängt beim Geld an und hört dort auch wieder auf. Wir Stadträte müssen - wie bei all unserem Handeln - darauf achten, dass wir an den richtigen, notwendigen, wichtigen Stellen ansetzen.

Angela Mayr, Stadträtin der Freien Wähler

Transparenz ist für jede Bürgerin und jeden Bürger die grundlegende Voraussetzung, sich mitgenommen und eingebunden zu fühlen in Politik und Verwaltung. Seit der letzten Kommunalwahl hat sich einiges geändert, zum Teil auch durch die Corona-Regelungen. Ein erster Schritt ist getan. Die öffentlichen Sitzungen des Stadtrates werden live übertragen, die Ausschusssitzungen im Audiostream. Auch die öffentlichen Protokolle werden im Internet eingestellt.

Was bleibt noch zu tun: Auch die öffentlichen Sitzungen von städtischen Töchtern sollten zumindest via Audio-Stream für interessierte Bürgerinnen und Bürger verfügbar sein. Die Behandlung von Themen in nichtöffentlichen Sitzungen sollte darauf beschränkt werden, was unbedingt nichtöffentlich behandelt werden muss. Zum einen ist die Geheimhaltung problematisch, zum Anderen entsteht durch Nichtöffentlichkeit häufig eine falsche Grundeinstellung zur Thematik.

Das Mitnehmen und Einbinden der Bürgerinnen und Bürger sorgt für Akzeptanz und Verständnis, auch wenn die Bürger-Meinung nicht unbedingt übereinstimmt. Möglichst frühzeitig soll die Information an den Bürger gehen, damit sich die Entscheidungen darauf abstimmen können.

Nicht vergessen werden darf in unserem digitalen Zeitalter aber der Teil der Bevölkerung, der noch analog unterwegs ist. Egal ob vielleicht das Netz eine digitale Welt erschwert, oder ob die Bürgerinnen und Bürger vielleicht das Internet nicht nutzen können oder wollen. Auch diese Entscheidung soll freigestellt sein.

Unterstützt wird die Informationspolitik der Stadt durch die Vertreter der Medien aller Art und jeder Ausprägung. Es ist auch die Aufgabe von Politik und Verwaltung diese Ansprechpartner in möglichst ausgewogener Weise zu bedienen. Alle anderen Verlautbarungen können durch die Veröffentlichungen des Presseamtes erfolgen.

Wir sind auf einem guten Weg, damit die Bürger Vertrauen in Politik und Verwaltung haben können. Wenn in den kommenden Sitzungsdurchläufen auch die Compliance-Regelungen verabschiedet werden, dürfte die Transparenz-Offensive der Stadt Ingolstadt das Etappenziel erreicht haben.

Christian Lange, Vorsitzender der UWG-Stadtratsfraktion

Es ist offenbar ein wenig populäres Thema in der Stadtverwaltung, über Transparenz und Compliance zu sprechen, denn seit Mai 2020 warte ich darauf, dass wir uns endlich ans Werk machen, beide Themen voranzubringen. Wenigstens gibt es jetzt einen ersten Entwurf zum weiteren Vorgehen bei der Entwicklung einer zeitgemäßen Compliance-Richtlinie und ich freue mich darauf, wenn jetzt endlich Bewegung in Sachen Compliance und Ehrenordnung für den Stadtrat kommt. Zum Thema Transparenz muss ich enttäuscht feststellen, dass seitens der Verwaltung und insbesondere seitens des Beteiligungsmanagements bisher keine Vorschläge für mehr Transparenz gekommen sind. Gerade bei der Steuerung der öffentlichen Unternehmen in Ingolstadt brauchen wir deutlich mehr Transparenz. Der viel zu zaghafte Umgang mit der Frage der Veröffentlichung der Gehälter von Vorständen und Geschäftsführern der kommunalen Unternehmen (übrigens: eine gesetzliche Verpflichtung) zeigt mir, dass es offenbar in der Verwaltung unerwünscht ist, Transparenz herzustellen. Wir werden jetzt erneut mit Anträgen zu den beiden wichtigen Themen Transparenz und Compliance in den Stadtrat gehen und die Verwaltung zum Handeln zwingen.

Eva Bulling-Schröter, Sprecherin der Stadtratsgruppe DIE LINKE:

Zuerst einmal ist festzuhalten, dass sich in Sachen Transparenz seit dem Wechsel an der Verwaltungsspitze einiges getan hat. Dieser Prozess ist zwar nach wie vor nicht abgeschlossen, bald können sich die Ingolstädter Bürger:innen aber beispielsweise über den Input internationaler Expert:innen aus dem Gestaltungsbeirat freuen. Diese Konstellation soll in Zukunft verhindern, dass (von den Expert:innen hinter verschlossenen Türen über den Klee gelobte) Projekte später im Stadtrat populistisch und einseitig zerrissen werden. Ein gutes Beispiel für künftig vermeidbare Situationen zeigt sich im Mobilitätskonzept für das Wohnprojekt an der Stinnes Straße. Es wird Personen wie Dr. Lösel und Achhammer zwar nach wie vor möglich sein, Projekte wie das Mobilitätskonzept öffentlich zu kritisieren, jedoch nicht ohne sich öffentlich wissenschaftsrevisionistischer Meinungen schuldig zu machen, in Zukunft kann dann nämlich die gesamte ingolstädter Bürger:innenschaft auf einen riesigen Schatz an objektiven Expert:innenmeinungen zurückgreifen. Dass hier die allgemeine politische Meinungsbildung stark bereichert wird, steht außer Frage.

Selbstverständlich gibt es, trotz beherztem Voranschreiten der Stadtspitze, nach wie vor Raum für Verbesserung, an erster Stelle muss hier immer wieder an zusätzliche digitale Bürger:innenbeteiligungsmaßnahmen erinnert werden. Bisher verschwinden sinnvolle Bürger:innenanträge und -ideen allzu oft in einem trostlosen Mailformular. Sollte die Forderung der ÖDP nach einer digitalen Beteiligungsplattform Zuspruch finden (die wir als LINKE übrigens stark befürworten und mit einem Ergänzungsantrag versehen haben), dann sind diese Ideen in Zukunft öffentlich einsehbar, bewertbar und können gemeinsam diskutiert werden. Hierdurch erhofft man sich, sinnvolle Verbesserungsvorschläge für unsere Stadt nicht mehr dem alleinigen Urteil einzelner Personen in Verwaltung und Gremien auszusetzen. Vielmehr sind potentielle Vorschläge künftig obendrein noch im gemeinsamen Diskurs verbesserbar und können angereichert werden.
 
Abschließend möchte ich noch eine Sache ansprechen: Transparenz und ihr Ausbau allein werden nie genug sein, solange nicht jede:r Mitarbeiter:in in der Verwaltung den Mehrwert öffentlicher Daten begriffen hat. Als wohl aktuellstes Verdeutlichungsbeispiel lassen sich hier die Daten des Haushalts, die in einem unübersichtlichen und 700 Seiten starken PDF mit kryptischen Bezeichnungen herausgegeben werden, anführen. Zwar stehen die Daten maschinenlesbar zur Verfügung, jedoch wurden sie uns, trotz wiederholter Nachfrage nicht in diesem Format übermittelt. Hierdurch ist es uns, aber auch vielen Bürger:innen nicht auf einfache Weise möglich, mit den (bereits in den richtigen Formaten vorhandenen) Daten zu arbeiten und sie über digitale Tools wie offenerhaushalt.de verständlich und übersichtlich zu visualisieren. Gerade für die Konsolidierungsgespräche, aber auch für die allgemeine Vergleichbarkeit zwischen Kommunen wären diese Möglichkeiten eine große Bereicherung. Ein entsprechender Antrag, diese Daten in Zukunft auch maschinenlesbar zur Verfügung zu stellen, wurde von uns eingereicht und wir hoffen im Sinne der Transparenz auf breite Zustimmung unserer Stadtratskolleginnen und -kollegen.

Raimund Köstler, Sprecher der Stadtratsgruppe der ÖDP:

Transparenz ist die Grundlage für das notwendige Vertrauen in die Politik. Dazu gehört, dass jeder Bürger den Stadtratssitzungen ohne Einschränkung folgen kann. Mit dem Livestream aus dem Stadtrat ist ein erster Schritt getan, aber es braucht noch ein durchsuchbares Medienarchiv.

Transparenz geht aber auch noch viel weiter und bedeutet namentliche Abstimmungen und leicht zugängliche Protokolle aller Sitzungen. Außerdem müssen wichtige Entscheidungen der Stadtregierung durch den Bürger nachvollziehbar sein.

Wir treten auch dafür ein, dass in besonders strittigen Fragen von allgemeinem Interesse ein Bürgerentscheid durch Beschluss des Stadtrates durchgeführt wird. Dadurch entfällt die Unterschriftenhürde für die Beantragung des Bürgerentscheides. Das Bauen im 2. Grünring wäre z.B. soll eine strittige Frage.

Leider hat in der vergangenen Stadtratsperiode der Fall unseres Ex-Oberbürgermeisters gezeigt, dass auch auf kommunaler Ebene politisch Handelnde korruptionsanfällig sind. Deshalb sind klare Regeln notwendig, die der Korruption keine Chance lassen. Die versprochene Compliance Richtlinie bei der Stadt und allen Töchtern muss nun schnellstmöglich eingeführt und das Ombudsmann System für anonyme Hinweise geöffnet werden.

Auch verzichtet die gesamte ÖDP freiwillig auf Spenden von Firmen und Verbänden. So wird die Gefahr eingedämmt, dass politische Entscheidungen (z.B. Genehmigungen, Infrastrukturentscheidungen) mit Firmengeld in andere Bahnen gelenkt werden. Dieser freiwillige Verzicht ist die Basis für unabhängige Politik. Entsprechend veröffentlichen wir auf unserer Internetseite sowohl den Rechenschaftsbericht der Kreisverbandes, als auch die Einkommensquellen unserer Stadträte.

Christian De Lapuente, Fraktionsvorsitzender der SPD:

Die Transparenz bekommt auch in der Politik weiterhin einen höheren Stellenwert und das ist auch gut so. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht zu wissen, wie die Einnahmen und Ausgaben ihrer Kommune eingesetzt werden. Fast alle Tagesordnungspunkte werden in der öffentlichen Sitzung des Stadtrats behandelt. Die Ausnahme sind nur wenige Tagesordnungspunkte wie z.B. wenn der persönliche Datenschutz von Beschäftigten dagegenspricht. Auch die Diskussionen in den Ausschusssitzungen sowie die dazugehörigen Unterlagen sind öffentlich.

Seit dieser Stadtratsperiode werden die Stadtratssitzungen und auch die Ausschusssitzungen im Livestream ausgestrahlt. Die Stadtratssitzungen in Ton und Bild und die Ausschusssitzungen in Ton. Ziel muss es noch sein, dass die Aufzeichnungen auch in einer Mediathek abrufbar sind. Die Stadtverwaltung arbeitet gerade an einer Lösung, die mit dem gesetzlichen Datenschutz konform ist.

Die SPD Ingolstadt hat einen Livestream bereits vor Jahren gefordert und nun wurde er vor einem Jahr mit dem neuen Stadtrat möglich. Diese Transparenz bringt die Arbeit und die Themen der Kommunalpolitik den Bürgerinnen und Bürgern nochmals deutlich näher. Im Stadtrat gibt es seit Mai 2020 keine „Regierungsparteien“, die hinter verschlossenen Türen vieles vorentscheiden. Auch diese Veränderung trägt zur Transparenz aber auch zur Demokratie bei.

Anmerkung der Redaktion: Die Stadtratsfraktion der CSU und die Ausschussgemeinschaft von FDP und JU haben mitgeteilt sich dieses Mal an  "Frage der Woche" nicht zu beteiligen.

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