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Zwischensieg nach Punkten für Christian Scharpf

Zwischensieg nach Punkten für Christian Scharpf

Ein politischer Kommentar von Thomas Thöne

Was wurde nicht alles orakelt, vor der jüngsten Sitzung des Ingolstädter Stadtrates. Oberbürgermeister Scharpf würde seine ersten Niederlagen einstecken müssen und als Verlierer vom Platz gehen, war es aus mehreren Echokammern in Ingolstadt zu hören. Prophezeit wurde eine Niederlage von Christian Scharpf bei der Abstimmung mit dem Thema „Auflösung des Umweltreferates“, sowie bei den neu zu schaffenden Planstellen der Stadtverwaltung, die im Nachtragshaushalt vorgesehen waren. Von Planlosigkeit, fehlender Struktur und nicht zuerkennender Linie im Handeln des Oberbürgermeisters war in Aussagen von Stadtratsmitgliedern die Rede.

Bei den Abstimmungen in der letzten Stadtratssitzung mussten sich die Skeptiker eines Besseren belehren lassen. Der Nachtragshaushalt, inklusive Stellenplan, ging nur mit wenigen Gegenstimmen durch, da insbesondere der CSU und den Freien Wähler kurz vor der Ziellinie die Luft ausging. Dies wohl auch wegen der Frage von Oberbürgermeister Scharpf, welche Stellen denn konkret nicht geschaffen werden sollen. Spätestens in diesem Moment waren CSU und Freie Wähler nicht mehrsprachig.

Christian Scharpf, der oft wie der nette Nachbar von nebenan auftritt, sollte politisch keinesfalls unterschätzt werden. Er verließ diese Rolle einmal in einer der jüngsten nichtöffentlichen Sitzungen des Finanz- und Personalausschusses, berichteten Stadtratsmitglieder, die angesichts eines rumpolternden OB, nach eigenem Bekunden, sprachlos waren.

Ein wenig dünnhäutig wirkt Scharpf oft, wenn er auf seiner persönlichen Facebook-Seite auf Kritik reagiert. Andererseits nutzt er dieses Medium geschickt, um politischen Botschaften unters (Wahl)Volk zu bringen. Wohl nicht immer zur Freude seines Presseamtes.

Scharpf hat trotz seiner konzilianten Art ein ausgesprochenes Machtbewusstsein, welches man in der Funktion des Ingolstädter Oberbürgermeisters auch dringend braucht. Macht an sich ist nichts Schlechtes. Die Frage muss immer sein, wie diese genutzt wird. Im Idealfall zum Wohle der Stadt und der Bürgerinnen und Bürger.

Neben dem Machtbewusstsein hat Scharpf auch ein taktisches Gespür. Nicht ohne Grund ließ er seine Stabsstellen noch vom alten Ingolstädter Stadtrat absegnen. Glaubt jemand in Ingolstadt wirklich, dass die CSU die zweite Bürgermeisterin stellen würde, hätte die Stadtratsfraktion der Christsozialen bei den Stabsstellen nicht mit Scharpf gestimmt?

Quasi so nebenbei löste Scharpf in einem Beteiligungsunternehmen der Stadt ein Stück seines Versprechens nach Transparenz ein. Niemand hatte auf dem Radar, dass Scharpf in der jüngsten Sitzung des Krankenhauszweckverbandes einen Vorstoß in Richtung „Öffentlichkeit von Sitzungen“ machen würde. In einem Handstreich räumte er das Thema ab und sorgte dafür, dass Teile der Aufsichtsratssitzungen des Klinikums künftig wieder öffentlich stattfinden und somit mehr Transparenz im Handeln dieses Gremiums entsteht.

Bei dem Thema „Rückführung der Beschäftigten der Servicegesellschaft im Klinikum Ingolstadt in den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes“ konnte Scharpf einen Teilerfolg erzielen. Die jährlichen Mehrkosten dieser Maßnahme sollen künftig ausschließlich durch die Stadt Ingolstadt getragen werden, um den Bezirk Oberbayern, der neben der Stadt Ingolstadt Träger des Klinikums ist, zu befrieden. Der Aufsichtsrat des Klinikums stimmte diesem Vorgehen zu. Nun muss noch der Stadtrat entscheiden. Dies in öffentlicher Sitzung und in offener Abstimmung, sodass nicht nur den betroffenen Beschäftigten verdeutlicht wird, wer im Ingolstädter Stadtrat für eine gerechte und faire tarifliche Bezahlung eintritt, sondern der gesamten Ingolstädter Bürgerschaft, also den Wählerinnen und Wählern. Nicht gerade unklug dieser Schritt.

Christian Scharpf agiert in seinem Amt derzeit nicht wie die Filmfigur Rambo, gespielt von Sylvester Stallone. Sein Vorgehen erinnert vielmehr an Peter Falk in seiner Filmrolle des Inspektors Columbo. Bei diesem handelte es sich um einen hochintelligenten, überaus gründlichen Kriminalisten mit großer Erfahrung. Dieser interessierte sich für kleinste Details und Widersprüche und bestach durch seine Beobachtungsgabe und seine Menschenkenntnis. Wegen des fehlenden dominanten Auftretens wurde Columbo vielfach nicht ernst genommen, was ihm immer einen Vorteil bei seinen Ermittlungen gegenüber den Täterinnen und Tätern bescherte.

Man darf gespannt sein, wie Christian Scharpf bei den wichtigen weiteren Themen politisch agieren wird. Sei es bei der sich abzeichnenden besorgniserregenden Finanzlage der Stadt Ingolstadt, den Kammerspielen, der Renovierung des Klinikums und den zahlreichen kostenintensiven Bauprojekten.

Eines sollten so manche Stadtratsmitglieder in den fast ersten 100 Tagen des neuen Ingolstädter Oberbürgermeisters gelernt haben: Scharpf nicht zu unterschätzen.

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