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Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Ingolstadt

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Ingolstadt

Mit der "Frage der Woche" sollen politische Themen, in der Regel aus der Ingolstädter Kommunalpolitik, ausführlicher betrachtet, transparenter gemacht und auch hinterfragt werden. Dies mit dem Ziel, die Positionen der politischen Akteure deutlich zu machen, auch als Anhaltspunkt für künftige Wahlentscheidungen der hier Mitlesenden.

Die "Frage der Woche" bei O-T(h)öne lautet:

„In Ingolstadt wurden Unterschriften für die Bürgerbegehren “ „Hände weg vom Grünring“ und "Keine Kammerspiele an der Schutterstraße!" gesammelt. Wie stehen Sie zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden gemäß Artikel 18 a der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern und insbesondere zu den zuvor genannten beiden Initiativen?“

Aus dem Ingolstädter Stadtrat wurden die Fraktionen und Gruppierungen von CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Freie Wähler, UWG, LINKE, ÖDP und die Ausschussgemeinschaft FDP/JU um eine Antwort gebeten. Nachfolgend die ungekürzten und nicht redigierten Antworten, die O-T(h)öne erreicht haben:

Hans Stachel, Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER:

Gerade bei elementaren Themen ist ein Bürgerbegehren ein wichtiger und positiver Bestandteil der Demokratie. Damit können die Bürger Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen und Prioritäten setzen – auch außerhalb von Wahlen. Gleichzeitig wird mit einem Bürgerbegehren gewährleistet, dass sich die Politik nicht zu weit von der breiten Meinung der Einwohner entfernt. Trotzdem sind die Anforderungen und notwendige Hürden bei einem Bürgerbegehren so hoch, dass es nicht inflationär viele Bürgerentscheide gibt.

Beide Bürgerbegehren haben einen großen Einfluss auf Ingolstadt, auf die Infrastruktur, die Finanzen, das Leben und das Gesicht der Stadt. Deshalb haben beide Bürgerbegehren ihre Berechtigung. Dazu zeigt die Vielzahl der eingereichten Unterschriften deutlich, dass die Politik mit manchen Themen sensibler umgehen sollte und die Bürgerinnen und Bürger Ingolstadts sehr wohl an ihrer Stadt vielfältig interessiert sind. Das gilt vor allem dann, wenn Projekte geplant sind, die im Widerspruch zu geltenden Grundregeln der eigenen Kommune stehen.

Beim Bauprojekt „Mittelschule Nordost“ sind der Schutz des zweiten Grünrings und die Verkehrserschließung sehr umstrittene Gesichtspunkte. Gegen den geplanten Standort der Kammerspiele an der Schutterstraße gibt es ebenfalls mehrere Gründe, beispielsweise die hohen Bau-, Neben- und Betriebskosten, die Parkplatz- und Verkehrssituation, der Eingriff in die Grünfläche und weitere unkalkulierbare Risiken. Der Schutz von innerstädtischen Grünflächen, der Schutz des Innenstadtklimas vor zusätzlicher Erhitzung durch Flächenversiegelung und langfristige finanzielle Belastungen für die Kommune sind sicherlich Gesichtspunkte, an denen es kontroverse Meinungen gibt.

Gerade deshalb braucht es bei solch weitreichenden Entscheidungen die Zustimmung und Unterstützung der Einwohner – und damit auch einen Bürgerentscheid. Gewählte Bürgervertreter in Stadt- und Gemeinderäten tun gut daran, Bürgerentscheide nicht zu behindern – denn unser Souverän in der Demokratie ist das Volk – die Bürgerinnen und Bürger. Ihnen gilt unsere ganze Aufmerksamkeit und unser Respekt.

Raimund Köstler, Sprecher der Stadtratsgruppe der ÖDP:

In unserem Kommunalwahlprogramm 2020 haben wir zur Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger klar Position bezogen: „Die ÖDP tritt dafür ein, dass in besonders strittigen Fragen von allgemeinem Interesse ein Bürgerentscheid durch Beschluss des Stadtrates durchgeführt wird. Dadurch entfällt die Unterschriftenhürde für die Beantragung des Bürgerentscheides.“ Dies gilt natürlich auch für die beiden laufenden Bürgerbegehren und dem gerade neu gestartetem Begehren zur Klimaneutralität.

Auch wenn Bürgerbegehren Prozesse eventuell verzögern und manches Mitglied des Stadtrates sein politisches Mandat dadurch in Frage gestellt sieht, sind sie die höchste Form der Demokratie.

Wenn der Stadtrat auch selbst von der Möglichkeit der Ratsbegehren gebrauch machen würde, könnten meistens Verzögerungen vermieden werden und damit früher Rechtssicherheit bei strittigen Themen erreicht werden.

Alfred Grob, Fraktionsvorsitzender der CSU:

In erster Linie möchte ich festhalten, dass im Stadtrat bzw. im Gemeinderat die gewählten Volksvertreter sitzen. Sie sollten  nach bestem Wissen und Gewissen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vertreten.
 
Das Bürgerbegehren gewährt den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, eine Entscheidung zu hinterfragen, die für sie nicht tragbar ist oder die sie nicht für richtig erachten. Sie ist ein legitimes Mittel des Widerspruchs und sollte als solches auch ernst genommen werden.  
 
Der Stadtrat hat sich zu den Kammerspielen positioniert. In der kommenden Woche wird er darüber abzustimmen haben, wie mit dem Bürgerbegehren umzugehen ist.

Christian Lange, Vorsitzender der UWG-Stadtratsfraktion

Unsere Fraktion begrüßt einhellig jede Form der politischen Mitwirkung der Menschen in unserer Stadt. Demzufolge freuen wir uns über jedes Bürgerbegehren und das damit verbundene Engagement der Ingolstädterinnen und Ingolstädter bei den für die Bürger wichtigen Themen. Die bayerische Gemeindeordnung sieht solche Bestandteile der direkten Demokratie mit dem Bürgerbegehren (Art. 18a Bayerische Gemeindeordnung – BayGO) und dem sogenannten Bürgerantrag (Art. 18b BayGO) ausdrücklich als Rechte der Gemeindebürger vor und wir ermuntern die Ingolstädterinnen und Ingolstädter von diesen Rechten Gebrauch zu machen.

 Hinsichtlich des Bürgerbegehrens zur Schule im Grünring wollen wir vor einer Stellungnahme die Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit dieses Bürgerbegehrens abwarten.

Und auch für eine Stellungnahme zum Bürgerbegehren Kammerspiele ist es aus unserer Sicht momentan zu früh. Wir wollen die Sondersitzung des Stadtrats hierzu in der kommenden Woche abwarten und können uns vorstellen, dass dabei ein Ratsbegehren für den Bau der Kammerspiele auf den Weg gebracht wird.

Unter dem Strich ist es gut, wenn Entscheidungen in einer Kommune von möglichst vielen Menschen, die dort leben, mitgetragen werden. Bürgerentscheide können immer einen wichtigen Hinweis darauf geben, welche Ansicht in der Gemeindebevölkerung eine Mehrheit bekommen kann. Voraussetzung dafür ist eine große Teilnahme der Bürger an diesen Entscheiden.

Christian De Lapuente, Fraktionsvorsitzender der SPD:

 

Das Bürgerbegehren ist ein Instrument der Direkten Demokratie, mit dem die Bürgerinnen und Bürger über eine Sachfrage entscheiden können. Zu den Vorteilen von Bürgerbegehren zählt unter anderem eine höhere Zufriedenheit mit der Politik. Durch die Beteiligung der Bürgerschaft kann dem Gefühl entgegengewirkt werden, dass vor allem bei öffentlich umstrittenen Vorhaben, Entscheidungen gegen den Bürgerwillen getroffen werden. Damit kann nicht nur einer möglichen Politikverdrossenheit gegengesteuert werden, es kann auch zu einer höheren Akzeptanz von kontroversen Vorhaben führen.

Allerdings sind Bürgerbegehren mit großen Herausforderungen verbunden. Viele Sachverhalten sind sehr komplex und lassen sich nicht immer auf eine Ja- oder Nein-Antwort reduzieren. Gerade bei den in Ingolstadt initiierten Bürgerbegehren lässt sich das gut verdeutlichen. Sowohl mit dem Thema der geplanten Mittelschule am Augraben als auch mit dem Thema Ersatzspielstätte, haben sich die Stadträte und Stadträtinnen in zahlreichen Sitzungen beschäftigt. Die umfangreichen Unterlagen, in die sich die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerschaft eingearbeitet haben, müssen wir nun gut zusammengefasst den Bürgerinnen und Bürgern schnell und einfach zugänglich machen, damit auch sie sich über alle Vor- und Nachteile der Vorhaben informieren können. Am Beispiel Kleines Haus (Bekannt unter Kammerspiele) heißt es konkret, dass wir transparent darlegen, was die Folgen sind, wenn sich die Ingolstädter „Gegen ein neues Kleines Haus an der Schutterstraße“ entscheiden. Wir müssen deutlich machen, dass durchaus andere Standorte geprüft wurden und wir keine zwei oder drei anderen Alternativen in der Schublade haben – somit müssten wir nach einem neuen Standort suchen. Zeitgleich ist nicht klar, ob die dringend benötigte Sanierung des Stadttheaters noch weiter verschoben werden kann. Natürlich können wir erneut eine Zeltlösung prüfen, aber diese ist zum einem nicht nachhaltig und zum anderem sehr kostspielig. Zudem sollten die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass dann die Zuschüsse vom Freistaat wegfallen würden und auch nicht klar ist, ob wir diese wieder in der Höhe erhalten. Außerdem handelt es sich bei den Kammerspielen nicht um ein elitäres Theater, sondern es ist ein Veranstaltungsraum für alle, in dem nach der Sanierung des Theaters das Junge Theater eine neue Heimat finden soll.

Zusammenfassend kann ich somit sagen, wir stehen Bürgerbegehren offen gegenüber. Allerdings wünschen wir uns dabei bestmögliche Transparenz und dass alle Akteure die Bürgerinnen und Bürger ehrlich und fair über alle Aspekte der Entscheidung informieren. Persönlich befürworte ich sowohl den Bau eines neuen Kleinen Hauses an der Schutterstraße als auch den Bau einer neuen Mittelschule.

Die Fraktionsvorsitzenden der Ingolstädter Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Barbara Leininger und Christian Höbusch, teilten Anfang April 2022 mit, dass die Fraktion sich einig sei, an dem Format "Frage der Woche" bis auf Weiteres nicht mehr teilzunehmen.

Bis zur Veröffentlichung dieses Beitrages am 3.4.2022 um 16.40 Uhr lag keine Antwort der Ausschussgemeinschaft von FDP und JU im Ingolstädter Stadtrat vor.

Bis zur Veröffentlichung dieses Beitrages am 3.4.2022 um 16.40 Uhr lag keine Antwort der LINKEN im Ingolstädter Stadtrat vor.

Lesen Sie auch diese Frage der Woche: Kammerspiele - Augen zu und durch?

Alle bisherigen Beiträge zur "Frage der Woche" finden Sie hier: https://bl-archive.o-thoene.de/category/frage-der-woche

In eigener Angelegenheit:

Aus dem Kreis der Ingolstädter Kommunalpolitik erhielt O-T(h)öne die Mitteilung, dass die „Frage der Woche“  allwöchentlich sehr zeitaufwendig zu beantworten ist. Deshalb wird das Zeitintervall der Veröffentlichung auf zweiwöchentlich geändert. Ferner pausiert die Frage der Woche immer in den Schulferien.

Ganz gleich wie viele Fraktionen oder politische Gruppierungen des Ingolstädter Stadtrates sich beteiligen, bleibt dieses Format bestehen. Gegebenenfalls fragen wir auch andere politische Akteure zum jeweiligen Thema dieses Formates an, wie Parteivorsitzende, Ortsvereinsvorsitzende oder Parteimitglieder.

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