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Haushaltsrede von Christian Lange - Fraktionsvorsitzender der UWG-Stadtratsfraktion

Haushaltsrede von Christian Lange - Fraktionsvorsitzender der UWG-Stadtratsfraktion

(tt) Der Ingolstädter Stadtrat hatte in seiner heutigen Sitzung den Haushaltsplan der Stadt Ingolstadt zu verabschieden. Traditionell finden hierzu die Haushaltsreden der Vertreterinnen und Vertreter der im Stadtrat vertretenen politischen Parteien und Gruppierungen statt.

Die der Redaktion O-T(h)öne zugesendeten Reden werden, wie im vergangenen Jahr, ungekürzt und nicht redigiert veröffentlicht. Es gilt natürlich das gesprochene Wort.

Nachfolgend die Haushaltsrede von Christian Lange - Fraktionsvorsitzender der UWG-Stadtratsfraktion:

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Kollegen,

meine Haushaltsrede im letzten Jahr am 05.12.2019 endete mit folgendem Satz:

Mit großer Vorfreude auf den Politikwechsel im kommenden Frühjahr wünsche ich Ihnen allen eine schöne Weihnachtszeit, einen guten Rutsch in ein gesundes und glückliches neues Jahr.

Im Rückblick stelle ich mir die Frage: War die Vorfreude berechtigt oder nicht?

Vieles hat sich geändert und wir haben zu einem neuen Stil in der partei- und gruppenübergreifenden Zusammenarbeit gefunden. Dafür danke ich allen Kolleginnen und Kollegen hier im Stadtrat und in der Verwaltung zu aller erst einmal sehr herzlich. Die letzten sieben Monate haben gezeigt: Kommunalpolitik in Ingolstadt muss nicht aus permanenten Streitereien auf der persönlichen Ebene bestehen. Im Gegenteil: Wir sind auf eine sachliche und sehr konstruktive Ebene gekommen und bemühen uns alle, das zu beherzigen, was Dekan Oswald uns im Mai mitgegeben hat: im Interesse der Menschen in Ingolstadt zu handeln.

Bevor ich aber zum Haushalt und zur Kommunalpolitik komme, möchte ich Ihren Blick auf das Thema lenken, das uns alle in Atem hält.

Die Corona-Pandemie hat inzwischen (Stand: heute morgen) über 22.000 Tote in Deutschland gefordert. Gedenken wir der Menschen, die in dieser Pandemie bereits ihr Leben gelassen haben und sind wir in Gedanken bei denen, die einen geliebten Menschen verloren haben.

Wir befinden uns jetzt vor einem harten und kompromisslosen Lockdown in ganz Deutschland. Die Pandemie hat alle Menschen und unser ganzes Leben im Griff. In dieser Situation sind auch wir als Kommune aufgefordert, die Folgen dieses Lockdowns so weit wie möglich für die betroffenen Menschen in unserer Stadt abzufedern. Wir müssen auch mit finanzieller Unterstützung den Menschen, den Vereinen und allen Betroffenen helfen.

Gastronomen, Kulturschaffende, Einzelhändler, Gewerbetreibende und Solo-Selbstständige – um nur einige Beispiele zu nennen – stehen teilweise vor dem Trümmerhaufen ihrer Existenz. Für tausende Familien auch in Ingolstadt wird das Weihnachtsfest 2020 bedrückend sein: Kurzarbeit oder gar Arbeitslosigkeit belasten, geschlossene Schulen und Kitas belasten, kranke Eltern oder Großeltern machen traurig. Und die soziale Schere öffnet sich leider – auch in unserer Stadt – immer mehr.

Der Bundestag hat am Freitag einen Staatshaushalt mit einer Neuverschuldung in Höhe von 180 Milliarden Euro beschlossen, der Freistaat Bayern plant wegen der Pandemie mit einer Neuverschuldung in Höhe von mehr als 10 Milliarden Euro.

Und in Ingolstadt? CSU/JU/FDP kommen daher mit einem pauschalen Sparansatz in einer Summe ohne zu sagen, wo sie sparen wollen. Genau wie bei den Stellenplandiskussionen: „Bitte kürzen“, waren Ihre Rufe, aber konkrete Vorschläge sind Sie dem Stadtrat schuldig geblieben. Und nun dasselbe Vorgehen für den Gesamthaushalt: Pauschal ohne konkrete Vorschläge. Was soll das? In zwei Haushaltsvorberatungen im Finanzausschuss haben Sie geschwiegen und jetzt kommen Sie am Freitagabend – 60 Stunden vor Beginn dieser Sitzung mit einem pauschalen Einsparvorschlag in Höhe von 12,5 Millionen Euro. Hätten Sie konkrete Vorschläge nicht schon im November bringen können?

Sie diskutieren jetzt mit uns über die mögliche Schuldenaufnahme der Stadt in zwei Jahren, die ihnen angeblich zu hoch ist. Es soll wohl der Eindruck entstehen, dass seitdem die neue Stadtspitze gewählt wurde, im Rathaus das Geld mit vollen Händen aus den Fenstern geworfen wird.

Dass dem nicht so ist, wissen Sie genauso gut wie alle anderen hier. Und ein Konsoldierungsprogramm und damit gemeinsame Anstrengungen zur Konsolidierung in den nächsten Jahren hat der Oberbürgermeister in einer Pressekonferenz bereits am 10.11. angekündigt. Warum also noch ihr Antrag?

Bei mir entsteht der Eindruck, dass Ihnen daran gelegen ist, Verunsicherung zu streuen und Ängste zu schüren. Sie versuchen der jetzigen Stadtspitze die Kompetenz abzusprechen, mit dieser schwierigen Situation umgehen zu können.

Und weil das alles gerade passiert, stelle ich meine Haushaltsrede dieses Jahr unter die Überschrift

Mut und Zuversicht

I.    Haben wir genug Mut in der Ingolstädter Kommunalpolitik?

Ich glaube nicht: Wir sichern uns ab in alle Richtungen und keiner entscheidet ohne vorher von mindestens drei weiteren Instanzen, Ämtern oder Vorgesetzten eine Bestätigung oder gar Genehmigung einzuholen. Ein Phänomen, das nicht auf Ingolstadt beschränkt ist.

Ein Beispiel für den fehlenden Mut finden wir heute auf der TO: Die Ampeldaten der Stadt Ingolstadt werden weiterhin verschenkt. Sollte eine Kommune solche Daten nicht besser verkaufen? Aber wer hat hier im Stadtrat und in der Verwaltung den Mut, den Automobilherstellern zu sagen, dass es diese Daten nicht mehr kostenlos gibt?

Ein anderes Beispiel: Wer hat den Mut Maritim zu sagen, dass die Verpachtung des Kongresszentrums mit der klaren Forderung verbunden ist, dass dort städtische, gesellschaftliche und politische Veranstaltungen stattfinden können? Dass Albert Wittmann nun nach „harten Verhandlungen“ ruft, wo er doch selbst die Verträge gemeinsam mit Christian Lösel federführend dem IFG-Vorstand diktiert hat, ist ein Treppenwitz der Ingolstädter Stadtpolitik.

Und wie schaut es aus in der Stadtplanung und Bauordnung? Wenn Investoren und Bauträger ihre Baupläne verwirklichen wollen, dann fehlt jeder Mut: da werden dann auch Mehrfamilienhäuser mit 12 Wohneinheiten mitten in einer Einfamilienhaus-Siedlung genehmigt und so der Charakter ganzer Wohngebiete zerstört.

Es fehlt seit Jahren auch der Mut das Thema Flächennutzungsplan in Angriff zu nehmen.

Ebenso braucht das Thema der Unterstützung des Tierschutzvereins in der Stadtverwaltung endlich mehr Mut, hin zu einer echten Unterstützung dieses so wichtigen Vereins. Die Art wie mit diesem engagierten Verein und den Ehrenamtlichen umgegangen wird, ist nicht akzeptabel.

Generell – um dieses Thema abzuschließen – erwarte ich grundsätzlich, dass Mitarbeiter einer Stadtverwaltung eine positive Einstellung zu den Bürgerinnen und Bürgern haben.

Daran sollten aus meiner Sicht vor allen Dingen die Bürgermeister, die Referenten und die Amtsleiter aktiv arbeiten. Besonders von den neuen Referenten wünsche ich mir, dass sie alte Zöpfe in dieser Verwaltung abschneiden und dazu beitragen, dass Ingolstadt eine moderne Verwaltung wird, in der vor allen Dingen viel emotionale Intelligenz anzutreffen ist. Ich wünsche mir eine mutige Stadtverwaltung, die sich als Dienstleister der Menschen in unserer Stadt versteht und die die Interessen der Allgemeinheit ausnahmslos über die Interessen einzelner Gruppen, Investoren oder Unternehmen stellt.

Wir als Stadtrat haben die Aufgabe die Verwaltung zu überwachen – so sieht es die Bayerische Gemeindeordnung vor.

Als Stadtrat von Ingolstadt sind wir aufgerufen, eine neue Ausrichtung der Kommunalverwaltung in dieser Stadt umzusetzen: Ingolstadts Stadtverwaltung soll Partner und Unterstützer aller Menschen in dieser Stadt sein. Vetternwirtschaft, Klüngel und Partikular- oder Klientelinteressen dürfen keine Rolle mehr spielen.

Die Verwaltung war an manchen Stellen gelähmt unter der Übermacht des CSU-Hauses. Jeder Mitarbeiter und Beamte einer städtischen Verwaltung braucht den Mut, jenseits von politischen Interessen seine Entscheidungen zu treffen und zu vertreten. Wir als Stadtrat müssen immer hinter der Verwaltung stehen und ihr den Rücken stärken gegen jeden Versuch einer politischen Einflussnahme – egal aus welcher Richtung.

Damit zum zweiten Teil:

II.    Wir brauchen mehr Zuversicht in unserer Stadt

Wer Politik macht, ist Volksvertreter. Im Mittelpunkt müssen für uns die Bedürfnisse der Menschen stehen – ich habe in meiner Haushaltsrede 2018 schon über den für mich wichtigen Ansatz einer bedürfnisorientierten Kommunalpolitik gesprochen, den ich aus den „Neuen Menschenrechten“ von Prof. Jean Pol Martin ableite.

Auch der Haushalt muss diesem Ansatz folgen: er muss sparsam sein und gleichzeitig ausreichend Mittel zur Verfügung stellen, um die Bedürfnisse der Menschen in dieser Stadt zu erfüllen. Der vorliegende Haushalt schafft es aus meiner Sicht in dieser schwierigen Zeit Mut und Zuversicht zu vereinen. Wir machen mit diesem Haushalt klar, dass wir verantwortungsvoll mit dem Geld der Steuerzahler umgehen, dass wir aber auch bereit sind, die Verantwortung zu übernehmen, im Bedarfsfall zukünftig Schulden zu machen, um die Aufgaben dieser Stadt zu erfüllen. Im Interesse der Menschen in Ingolstadt!

Wir leben in einer Zeitenwende – ob wir wollen oder nicht:
•    Klimawandel
•    Pandemie
•    Transformation der Wirtschaft
•    Sterben der Innenstädte
•    Die Monostruktur der Stadt
•    Zunehmende Spaltung und Radikalisierung der Gesellschaft

Das alles sind Themen, mit denen wir uns in Ingolstadt beschäftigen müssen.

Lassen Sie uns gemeinsam mutig in die Zukunft schreiten und hören wir auf, mit dem Versuch, die dafür notwendige Finanzkompetenz als Alleinstellungsmerkmal bestimmter Parteien oder Gruppierungen zu reklamieren. Am Ende entscheiden wir alle gemeinsam über die finanzielle Zukunft unserer Stadt und es wäre ein fatales Signal in die Öffentlichkeit, wenn das noch kleine und zarte Pflänzchen einer ermutigenden Zusammenarbeit in diesem Stadtrat wieder zertreten wird, weil eine Gruppe für sich in Anspruch nimmt, als einzige die notwendige Kompetenz in der Finanzpolitik zu haben.

Wir müssen in diese Stadt weiterhin investieren – notfalls auch mit Schulden, um die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen. Wir müssen nun endlich ganz mutig auch die jahrzehntelangen Versäumnisse bei der Instandhaltung und Instandsetzung unserer öffentlichen Gebäude aufholen, ich nenne nur die Beispiele Schulbauten und Bezirkssportanlagen. Das schafft auch Zuversicht, wenn die Menschen sehen, dass sie nicht mehr auf marode Sportanlagen, Umkleiden oder Duschräume treffen.

Ein Beispiel hierfür sind auch die Investition in einen zukunftsfähigen ÖPNV: Der ÖPNV ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Es ist unsere Pflicht, ein möglichst attraktives Angebot im ÖPNV zur Verfügung zu stellen.

Das Ihnen vorliegende Konzept der UWG-Stadtratsfraktion unter Mitwirkung von Architekt Peter Bachschuster ist mutig und schafft Zuversicht. Deswegen haben wir für den Haushalt den Vorschlag gemacht, mit dieser Neuplanung des ÖPNV für die Attraktivität der Innenstadt einen mutigen Schritt nach vorne zu gehen.

Zuversicht schaffen wir auch, wenn wir nun endlich durch eine gute Compliance-Richtlinie und ein Korruptionsregister klare und unmissverständliche Maßstäbe und Regeln schaffen.

Der politische Neuanfang und ein klarer Politikwechsel in Ingolstadt sind uns in diesem Jahr gelungen. Der Oberbürgermeister ist Versöhner und Schlichter und er ist derjenige, der Brücken baut, wie ich mir das letztes Jahr gewünscht habe.

Der uns heute vorliegende Haushalt ist mutig und schafft Zuversicht und deswegen stimmt die UWG-Fraktion diesem Haushalt zu.

Abschließend gilt auch in diesem Jahr allen Mitarbeitern der Verwaltung und aller Beteiligungsgesellschaften unser Dank für die vertrauensvolle Zusammenarbeit im abgelaufenen Jahr. Wir danken dem Sitzungsdienst für seine hervorragende Zuarbeit. Ebenso der Kämmerei und dem Finanzreferat für die gelungene Zuarbeit bei der Aufstellung des diesjährigen Haushaltsentwurfs.

Ich wünsche Ihnen allen eine ruhige und besinnliche Weihnachtszeit und für das kommende Jahr viel Glück und Gesundheit. Wir werden gemeinsam auch diese Pandemie bewältigen und im neuen Jahr vielen Menschen in IN Mut zusprechen und Zuversicht geben können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!"

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