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Stadtrat Köstler: Mehr Nachhaltigkeit notwendig - auch in Ingolstadt

Stadtrat Köstler: Mehr Nachhaltigkeit notwendig - auch in Ingolstadt

(fot) Wie alle Jahre, war die Stadtratssitzung in der vergangenen Woche die Gelegenheit für den Ingolstädter Oberbürgermeister Christian Scharpf und die Vertreter der politischen Partei und Gruppierungen sich kommunalpolitisch zu positionieren. O-T(h)öne veröffentlicht die Redebeiträge, die der Redaktion bis zum 11.12.2022 um 20.00 Uhr zur Verfügung gestellt wurden. Dies sind die Reden von Oberbürgermeister Scharpf, Finanzreferent Franz Fleckinger, Alfred Grob (CSU), Hans Stachel (Freie Wähler) und Raimund Köster (ÖDP). Die bereitgestellten Reden werden ungekürzt und nicht redigiert veröffentlicht.

Haushaltsrede 2023 von Stadtrat Raimund Köstler, Sprecher der ÖDP-Stadtratsgruppe
Stadtratssitzung vom 8. Dezember 2022
Es gilt das gesprochene Wort.

Liebe Ingolstädterinnen und Ingolstädter,
ich begrüße Sie sowohl hier im Festsaal als auch zu Hause am Livestream recht herzlich. Corona – naja ist doch eigentlich so gut wie rum. Wir müssen nur mal kurz vor die Tür auf den Christkindlmarkt schauen, um festzustellen: Alles wieder normal.
Das Bild trügt aber. Schlecht geheizte Räume sind das harmloseste Ergebnis des im Februar gestarteten russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.

Klimakatastrophen und Extremwetterereignisse, die Leib und Leben bedrohen, Menschen ihre Existenz rauben, und Nahrungsmittelkrisen verursachen, nehmen zu. Eine bei uns bisher unbekannte Energie- und Rohstoffkrise, sowie Hitze und Trockenheit im Sommer machen 2022 zu einem weiteren schwierigen Jahr.

Anpassungsfähigkeit - Resilienz ist nun nicht nur gegenüber Wirtschaftskrisen gefragt, sondern auch bei der Energie- und Rohstoffversorgung. Aber nicht einmal jetzt kommen wir von einer unverantwortlichen, massiven Abhängigkeit von russischen Rohstoffen los. Russland verdient heute mit LNG-Gas mehr als vorher mit Pipeline-Gas.

Und am Ende der Weltklimakonferenz Mitte November waren sich die meisten Berichterstatter einig, dass 2022 ein verlorenes Jahr für den Klimaschutz ist. Unser Planet bleibt weiterhin auf dem Weg zu einer Erderwärmung von mindestens 2,4 Grad Celsius bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Zukunftssichernde Maßnahmen werden aber größtenteils abgelehnt.

Dagegen ist unsere Nachhaltigkeitsagenda auf einem guten Weg und unsere Stadtplanung hat im Oktober die erste Planungsphase zum Landschaftsplan vorgestellt. Diese sorgt dafür, dass wir uns endlich mit den Zielen unserer Stadt beschäftigen müssen. Und es wurden zukunftsweisende Leitsätze erarbeiteten, die wir vollumfänglich mittragen. Versuche, diese guten Leitsätze aufzuweichen, dienen keinem. Die Entwicklung von Unsernherrn und anderen Stadtteilen ist auch möglich, wenn wir nicht in den 2. Grünring bauen.


Hier möchte ich an die beiden Bürgerentscheide erinnern. Im Nordosten haben die Bürgerinnen und Bürger für die Sicherung des 2. Grünrings gestimmt und damit ein deutliches Zeichen gesetzt, was ihnen bei der Stadtentwicklung wichtig ist. In Anbetracht des Ukrainekrieges darf man unsere Grünringe gerne auch als Teil unserer Lebensmittelversorgung sehen und nicht nur als Baulandreserve. Schwieriger ist die Deutung des 2. Bürgerentscheids gegen den geplanten Standort der
Kammerspiele. Das Ergebnis gibt uns nun aber Gelegenheit über Naturschutz und Ressourcenschonung noch einmal nachzudenken. Benötigen wir wirklich einen Neubau mit zusätzlicher Flächenversiegelung und einem deutlich höheren Rohstoffverbrauch als bei einer Bestandssanierung?


Neben Trockenheit und Hitze war der Sommer auch vom Neun-Euro-Ticket geprägt. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen spricht beim 9-Euro-Ticket von einem "vollen Erfolg". 52 Millionen Tickets wurden verkauft und rund 1,8 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Zehn Prozent der Fahrten mit dem 9-Euro-Ticket seien für eine Strecke genutzt worden, die sonst mit dem Auto gefahren worden wäre. Es hat uns beeindruckt - und zeigt, dass auch kurzfristig beschlossene Maßnahmen nicht falsch sein müssen.

Ticketsonderaktionen würden auch zu Ingolstadt passen. Auf allen Ebenen gibt es "low hanging fruits", die mit überschaubarem Aufwand Wirkung entfalten können:

• Beim Bund das Tempolimit,
• in Ingolstadt etwa mit Anreizen zum klimagerechten Bauen.

Unser ÖDP-Ergänzungsantrag zum integrierten Klimaschutzkonzept vom letzten Jahr sei hier erwähnt. Und entsprechend sollten wir hier in Ingolstadt auch nicht jede Fördermaßnahme zum Klimaschutz bis ins letzte Detail Monate lang diskutieren, sondern einfach mal machen.

• Beispiel Förderung Lastenräder: Jede Fahrt zum Kinderhort oder zum Einkaufen, die nicht mit dem Verbrenner gemacht wird, ist ein Gewinn für die Umwelt.

• Beispiel Förderung von Fahrrädern für Kinder mit IngolstadtPass: Vielleicht könnte ja dem einen oder anderen schon im Kindesalter Zweifel an der Vorherrschaft des Autos kommen und das Elterntaxi manchmal in der Garage bleiben.

Unsere geplanten städtischen Förderprogramme gehen in die richtige Richtung, auch wenn es manchmal Leute trifft, die mehr Geld als andere haben. Wir fördern nicht vorrangig einzelne Menschen, wir fördern den Klimaschutz.Zusätzlich muss die Nutzung aller Bundes- und Landesförderprogramme sichergestellt werden. Zum Beispiel ganz aktuell die Förderung der Kommunen für die Erstellung einer kommunalen Wärmeplanung.

Auch ist die richtige Kommunikation gefragt. Umwelt- und Klimaschutz bedeuten nicht automatisch Einschränkungen - wir müssen das Positive hervorheben.

• Wieviel CO2 haben wir in diesem Monat eingespart?
• Welche Aktionen sind abgeschlossen
• und welche in Planung.

Da dürfen wir uns dann gerne selbst unter Druck setzen. Für unsere Bürgerinnen und Bürger soll es keinen Grund geben, sich auf unsere Straßen zu kleben. Unsere Kommunikation muss stattdessen Lust auf Umwelt- und Klimaschutz machen. Motivation und Förderung kombiniert mit sozialer Gerechtigkeit ist hier der richtige Weg.

Bezüglich sozialer Gerechtigkeit sind alle Stellen der städtischen Verwaltung gefordert. Zum Beispiel fehlt noch eine Idee, wie wir einen Sozialtarif bei den Stadtwerken gerecht gestalten können.

Frau Bürgermeisterin Kleine und ihr Team leisten schon extrem viel. Danke dafür - aber wir brauchen noch mehr! Das Notwendige muss unser Treiber für die Zukunft sein. Das aus heutiger Sicht Machbare wird nicht ausreichen, um die Klimakrise zu verhindern.

Unser Nachhaltigkeitsbericht musste zum Beispiel von der Tagesordnung abgesetzt werden, da er noch nicht fertig gestellt werden konnte. Was fertig geworden ist, ist die Nachhaltigkeitseinstufung unserer Vorlagen. Diese soll uns helfen, die richtige Priorisierung von Maßnahmen durchzuführen. Dafür ist es aber notwendig, dass wir die vorher erwähnten Leitsätze für Ingolstadt bestätigen.Ein entscheidender Punkt ist dabei, wie wir Wohlstand definieren. Leider zu oft mit dem Begriff Wachstum statt mit dem Begriff Glück. Hier würde es helfen, sich zum Beispiel mehr mit den neuen Menschenrechten von Jean-Pol Martin zu beschäftigen. Oder sich einfach nur ein Beispiel an dem Land Bhutan zu nehmen, das das Bruttonationalglück eingeführt hat. Einbindung in einem sozialen Verband (Familie, Freunde), Sinnhaftigkeit und Selbstverwirklichung und dabei schonend mit der Natur umgehen. Das sind die Werte, die wichtiger als Wachstum sein müssen.

Auf unseren Arbeitsmarkt bezogen, bedeutet dies:

• Für innovative und absolut krisensichere Arbeitsplätze wäre Umwelt- und Klimaschutz sicher perfekt geeignet.

• Im Handwerk sind Arbeitsplätze, die zum Beispiel für die energetische Gebäudesanierung dringend benötigt werden, zu fördern. Der angedachte Gewerbehof im Südosten der Stadt muss hier eine klare Ausrichtung haben.

• Maßnahmen zur Gewinnung und Sicherung von pädagogischem Personal für Kindertageseinrichtungen stehen heute noch auf der Tagesordnung – absolut notwendig. Beim neuesten Städteranking der Wirtschaftswoche sind die Bayerischen Großstädte allesamt dazu im hinteren Bereich gelandet, und Ingolstadt nimmt unter diesen Bayerischen Großstädten wiederum nur den vorletzten Platz ein.

Ich komme zurück zum Haushalt. Herrn Fleckinger und seinem Team vielen Dank für die Arbeit bei der Erstellung des Haushalts. Punkte der langfristigen Investitionsplanung müssen aber in Zukunft auch dargestellt werden. Ansonsten könnte noch jemand auf die Idee kommen, wir wollen das Stadttheater gar nicht sanieren. Auch wünschen wir uns, dass der Haushalt zukünftig das Gefühl vermittelt, dass wir nicht nur die offensichtlichen Pflichtaufgaben erfüllen, sondern auch genug für Umwelt- und Klimaschutz tun, ohne dabei unsere soziale Verantwortung zu vergessen. Wir benötigen daher eine klare Darstellung, welche Beträge wir in Umwelt- und Klimaschutz stecken, um diese entsprechend priorisieren zu können. Wir hoffen, dass hier auch alle Referate kräftig unterstützen. Die Klimakrise wartet nicht, bis alle Parteien, NGOs und die Verwaltung sich auf kleinste gemeinsame Nenner eines Maßnahmenkatalogs geeinigt haben. Wir werden aber Optimisten bleiben.

Die ÖDP-Stadtratsgruppe wünscht allerseits eine ruhige, besinnliche Weihnachtszeit und alles Gute für das Jahr 2023. Bleiben Sie gesund.

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