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Was sagt die Kommunalpolitik zur finanziellen Unterstützung des örtlichen Konfuzius-Institutes durch die Stadt Ingolstadt?

Was sagt die Kommunalpolitik zur finanziellen Unterstützung des örtlichen Konfuzius-Institutes durch die Stadt Ingolstadt?

(tt) Die "Frage der Woche" bei O-T(h)öne lautet:

„Wie ist Ihre politische Position zur finanziellen Unterstützung der Stadt Ingolstadt für das örtliche Konfuzius-Institut?

Aus dem Ingolstädter Stadtrat wurden die Fraktionen und Gruppierungen von CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Freie Wähler, UWG, LINKE und ÖDP, am 4. April um eine Antwort gebeten. Nachfolgend die ungekürzten und nicht redigierten Antworten, die O-T(h)öne erreicht haben:

Christian Höbusch, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN:

Die Stadtratsfraktion der Grünen sieht eine weitere Unterstützung des Audi-Konfuzius Instituts mit 50.000,- EUR jährlich aus dem städtischen Haushalt sehr, sehr kritisch. Seit der Einrichtung des Instituts und dem ersten Stadtratsbeschluss zur Co-Finanzierung vor rund 5 Jahren hat sich die Welt verändert. Die Menschenrechtslage in China hat sich verschärft, das belegt der Umgang mit Minderheiten, nicht nur der Uiguren. Der Staatskapitalismus chinesischer Prägung zeigt sich zunehmend aggressiver, das belegen etwa jüngst Boykottkampagnen gegen Sportartikelhersteller, darunter Adidas. Demokratische Parlamentarier*innen, wie etwa von den Grünen MdB Margarete Bause und MdEP Reinhard Bütikofer, werden mit Einreiseverbote belegt.

Die Stadtratsfraktion der Grünen hat sich natürlich informiert. Wir hatten Videokonferenzen mit der Sprecherin für Menschenrecht der Bundestagsfraktion der Grünen, eben Margarete Bause, aber auch mit dem Deutschen Direktor des Audi-Konfuzius-Instituts, Herrn Prof. Dr. Peter Augsdörfer, und dem Leiter des Projektes "Sustainability in China" dort, Herrn Prof. Dr. André Habisch von der Katholischen Universität Eichstätt.

Unser Fazit ist, dass wir selbstverständlich einen ständigen Dialog mit China brauchen und auch ausbauen sollen. Dieser Dialog hat aber partnerschaftlich und auf Augenhöhe dort stattzufinden, wo er hingehört, nämlich auf Regierungs- und Wirtschaftsebenen. Eine Co-Finanzierung eines Konfuzius-Instituts aus Steuermitteln, wie in Ingolstadt, durch eine Kommune gehört unserer Ansicht nach nicht dazu. Und: Wenn sich Menschen mit Menschen treffen, während der Corona-Pandemie auch virtuell, dann braucht es keine Institutionen, dann funktioniert der Austausch und die Verständigung einfach auch so.

Alfred Grob, Fraktionsvorsitzender der CSU:

Das AUDI Konfuzius Institut Ingolstadt (AKII) wurde 2015 bei der THI angesiedelt und seitdem von der Stadt mit 50.000 € bezuschusst. Bereits im Jahr 2019 wurde beschlossen, dass der Zuschuss im letzten Jahr der Laufzeit auf 37.500€  reduziert wird.

Man sollte die Bezuschussung im Hinblick auf die Bildungs-, aber auch die Wirtschaftsförderung betrachten und abwägen, ob bzw. wie sinnvoll die Investition in die chinesische Kultur ist. Nur auf die in China vorherrschende Diktatur und Verletzungen der Menschenrechte hinzuweisen und deshalb eine Unterstützung rigoros abzulehnen, scheint zu kurz gegriffen. Sicher können wir diese Umstände nicht ausklammern, Ingolstadt braucht aber als Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort auch einen Partner in China. Das AKII bietet chinesischen Firmen die Möglichkeit eines offenen Austauschs im Hinblick auf Technologie und Wissenschaft.

Das AKII vermittelt nicht nur die chinesische Kultur und Sprache, sondern prägt im Umkehrschluss chinesische Austauschstudenten, die nach ihrem Aufenthalt in Ingolstadt mit einem anderen Weltbild in ihre Heimat zurückkehren. Selbst Missstände, die mit unserem Demokratieverständnis unvereinbar sind, können nur angesprochen und angemahnt werden, wenn man im Austausch und im Dialog bleibt. Wer den Kontakt abbricht und sich komplett verweigert, wird auch hier nichts bewegen.

Raimund Köstler, Sprecher der Stadtratsgruppe der ÖDP:

Vorletzten Samstag fand eine Kundgebung zur Wahrung der Menschenrechte der Uiguren und gegen das Ingolstädter Konfuzius Institut statt, an der Stadtrat Karl Ettinger und ich teilgenommen haben. Und die USA gehen sogar soweit, dass sie die Olympischen Winterspiele in Beijing 2022 boykottieren wollen.

Die Menschenrechtsverletzungen durch das chinesische Regime müssen endlich Konsequenzen haben. Auch die Stadt Ingolstadt darf sich diesem Unrecht nicht verschließen. Die finanzielle Unterstützung des Ingolstädter Konfuzius Instituts durch die Stadt ist deshalb seit Anfang an ein falsches Zeichen gewesen. Schon 2015 hat die ÖDP mit ihren damaligen Stadträten Vosswinkel und Hofmaier gegen den Zuschuss gestimmt. Und auch 2019, als es um die Verlängerung des Zuschusses ging, wieder. Das fragwürdige Ziel, die chinesische Kultur zu fördern, darf auch zukünftig durch die Stadt nicht unterstützt werden.

Hans Stachel, Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER

Ist eine Unterstützung des Konfuzius-Instituts zu verantworten und sinnvoll oder ist eine Unterstützung gar verantwortungslos und deshalb abzulehnen? Die Diskussion über diese Frage hat eine große Bandbreite und muss die unterschiedlichsten Aspekte berücksichtigen.

Für mich als Freien Wähler geht es dabei um Werte wie Meinungsfreiheit, Wahrung der Menschenrechte, um Gerechtigkeit und Demokratie. Diese Punkte sind für mich ein hohes Gut, das es zu verteidigen gilt. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob der Dialog mit Staaten zu unterlassen ist, die ein anderes Werteverständnis haben. Dialog ist nämlich die einzige Chance, auf Veränderungen hinwirken zu können.

Auf jeden Fall ist eine kritische Betrachtung des Konfuzius-Instituts und seiner Arbeit angebracht. Welchen Nutzen bringt das Institut der Stadt, dem Wirtschafts- und Hochschulstandort? Ist nach dem fünf Jahren Testbetrieb ein wirklich positives Resümee zu ziehen? Ist es vertretbar, dass die Stadt dafür jährlich 50 000 Euro ausgibt? Steht und fällt das Institut mit der Unterstützung durch die Stadt, oder geht es auch ohne deren finanzielle Beteiligung? Wie ist die Verortung innerhalb der THI zu bewerten? Und wie wirkt sich die Arbeit des Instituts auf die Studierenden aus?

Sprach- und Kulturkurse mit Ernährungs- und Medizinthemen rechtfertigen keine städtische Unterstützung. Letztlich stellt sich mir die Frage, ob ein unbeeinflusster Gedankenaustausch möglich ist oder ob die „zulässigen“ Themen sich an den Vorgaben der offiziellen chinesischen Politik zu orientieren haben.

Erst wenn viele dieser Fragen beantwortet sind, kann ich mir ein abschließendes Urteil bilden – kritische Themen und Stimmen gibt es genug.

Christian De Lapuente, Fraktionsvorsitzender der SPD:

Es gibt berechtigte Argumente die Zuschüsse zu streichen. Wir sehen in China klare Menschenrechtsverletzungen und wir dürfen davor die Augen nicht verschließen, deswegen werden wir uns in den nächsten Fraktionssitzungen weiter darüber beraten und in den Ausschüssen mit allen Parteien austauschen.
Die Frage ist ob diese Missstände durch die Streichung der Zuschüsse aufhören. Das ist eben nicht der Fall, aber vielleicht ist es eine Chance durch eine Vernetzung durch die gemeinsamen wirtschaftlichen Strukturen den Dialog auch im Thema Menschenrechte aufrecht zu erhalten und in den Vordergrund zu stellen. Für unseren Wissens- und Wirtschaftsstandort Ingolstadt ist der chinesische Markt nicht einfach wegzudenken und auch das müssen wir bei dieser Entscheidung beachten.
Um die berechtigten Anliegen der Menschenrechte in China deutlich zu verbessern, ist das Gespräch mehr als wichtig, ob mit den Streichungen von Zuschüssen an das AUDI-Konfuzius-Institut bestehende und funktionierende Strukturen abreißen würden, darüber werden wir uns beraten und eine Entscheidung treffen.

Eva Bulling-Schröter, Sprecherin der Stadtratsgruppe DIE LINKE:

Demnächst soll darüber entschieden werden, ob die Stadt Ingolstadt auch künftig noch das örtliche Konfuzius-Institut finanziell unterstützt. Gerade JU und FDP fordern einen Unterstützungsstopp, da sie befürchten, dass das chinesische Erziehungsministerium durch das Institut potentiell Propaganda in städtischen Einrichtungen betreiben könnte.
Dass über Auslandsinstitute und Stiftungen immer wieder versucht wird in anderen Ländern Einfluss zu erhalten, scheint heutzutage allgemein akzeptiert und passiert oft ohne große Widerrede. So ist es etwa kein Geheimnis, dass in afrikanischen Ländern oder in südamerikanischen derlei Institutionen beim Putsch gegen den gewählten Präsidenten oder beim Sturz von Regierungen mitgemischt hatten. Wir halten solche Bestrebungen hier in Ingolstadt und am Konfuzius Institut für nicht existent, stehen jedoch einer weiteren Finanzierung der Institution trotzdem kritisch gegenüber.

Aktuell sehen wir, als LINKE. Stadtratsgruppe, schlicht keinen Bedarf darin, einem Institut, von dem zuallererst Audi und der Chinesische Staat profitieren, in irgendeiner Weise finanziell unter die Arme zu greifen. An dieser Stelle sollte darauf hingewiesen werden, dass China aktuell regelmäßig mit Menschenrechtsverletzungen auffällt. Zyniker:innen könnten eine Fortsetzung der Unterstützungszahlungen in diesem Kontext auch als Relativierung oder gar Akzeptanz dieser Gewalttaten verstehen.
 
Abgesehen davon ist uns die Unabhängigkeit der Forschung ein hohes Gut. Sie darf nicht Profitinteressen geopfert werden. Dabei machen wir auch keine ideologischen Unterscheidungen. Arbeit an Bildungsinstitutionen muss immer parteipolitisch unabhängig stattfinden und darf in keinem Fall von der Industrie diktiert oder beeinflusst werden, das fordert die Linke schon lange und steht damit oftmals sehr allein in der politischen Landschaft.
 
Dementsprechend lehnen wir eine weitere Unterstützung des Audi-Konfuzius-Instituts mit städtischen Mitteln ab und hoffen, dass andere Stadtratsmitglieder, die sich in dieser Diskussion laut gemacht haben, sich auch in Zukunft für Forschung und Lehre frei von den Interessen jedweder Industriezweige und von ausländischer Einflussnahme (egal welchen Landes), einsetzen.

Lesen Sie hierzu auch: Die "Fremde Feder": Keine weitere finanzielle Unterstützung für das Konfuzius-Institut

Anmerkung der Redaktion: Die UWG-Stadtratsfraktion hat mitgeteilt, sich diesmal an der "Frage der Woche" nicht zu beteiligen.

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