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Wie bewerten Ingolstädter Kommunalpolitiker die derzeit geltenden Beschlüsse zum Lockdown

Wie bewerten Ingolstädter Kommunalpolitiker die derzeit geltenden Beschlüsse zum Lockdown

(tt) Die "Frage der Woche" bei O-T(h)öne lautet:

Wie bewerten Sie die jüngsten Beschlüsse von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Regierungschefs der Länder zum Lockdown und den darin festgelegten Öffnungsschritten?

Aus dem Ingolstädter Stadtrat wurden die Fraktionen und Gruppierungen von CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Freie Wähler, UWG, LINKE und ÖDP, am 7. März um eine Antwort gebeten. Nachfolgend die ungekürzten und nicht redigierten Antworten, die O-T(h)öne erreicht haben:

Christian Höbusch, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN:

Die Stadtratsfaktion der Grünen begrüßt die ersten Schritte hin zu mehr Öffnungen. Grundsätzlich halten es wir es mit den Linien unserer Bundestags- und Landtagsfraktionen. Wir begleiten das Regierungshandeln kritisch, konstruktiv und wissenschaftsorientiert. Es wurden viele Fehler gemacht, deren Folgen sich erst zeitversetzt zeigen werden (Psyche, Gesellschaft, Kultur, Sport, Umwelt, Wirtschaft). Aber das Zurückblicken, ein täglich neues (Be)Klagen hilft uns nicht weiter. Wir müssen daran arbeiten, den Zusammenhalt, den man im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 spüren konnte, wiederzubeleben und zu erhalten. Es braucht einen zukunftsorientierten Diskurs in unserer Gesellschaft und natürlich viele "lessons learned". Wir werden mit diesem Virus (und noch weiteren) das Leben (neu) lernen (müssen).

Hans Stachel, Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER:

Ich befürworte die Lockerungen. Für mich stehen die Hygiene, die Maskenpflicht und der Abstand an vorderster Stelle. Nichts desto trotz gibt es viele Stellschrauben wie Impfungen, Testungen, Hygienekonzepte, Rückverfolgung von Ansteckungen und Eigenverantwortung. Durch aufeinander abgestimmte Maßnahmen wäre eine schnellere Lockerung für Gewerbetreibenden, Vereine und andere möglich gewesen. Mir persönlich ging dies zu langsam. Ich möchte hier nur ein Beispiel nennen: Die Terminvergabe für Verkäufe hätte viele Schließungen verhindert. An manchen Stellen vermisse ich die Vorbildfunktion der Politiker. Auch die Bürokratie für die Hilfen ist noch viel zu unübersichtlich, so dass Hilfen nicht bei jedem ankommen. Die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen werden wir dieses, allerspätestens nächstes Jahr deutlich spüren.

Christian De Lapuente, Fraktionsvorsitzender der SPD:

Wir begrüßen die von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten festgelegten Öffnungsschritte. Natürlich steht der Schutz von Gesundheit und Leben an erster Stelle, aber wir können nicht ewig im Lockdown ausharren. Viele Betriebe kämpfen jetzt schon ums Überleben. Deswegen ist es richtig und wichtig verantwortungsvolle Öffnungsstrategien zu erarbeiten.

Die jetzt erfolgten Erleichterungen für Einzelhandel, Sport und viele Dienstleister und ihre Kunden sind ein erster Schritt in Richtung Normalität und tun uns allen gut. Als Vorsitzender des TSV-Nord freue mich besonders, dass auch kontaktfreier Sport drinnen und Kontaktsport draußen erlaubt ist, auch wenn es hier noch einiges vorzubereiten und zu klären gibt.
 
Nun müssen wir aber mit dem Testen und Impfen vorankommen. Daher haben wir im Stadtrat beschlossen, dass wir in Ingolstadt Schnelltestzentren aufbauen. In den Teststationen Mitte und Süd können sich Bürger*innen, nach vorheriger Anmeldung, kostenlos auf Corona testen lassen. Ich hoffe, dass viele diese Möglichkeit nutzen, um so mögliche unerkannte Corona-Erkrankungen aufzudecken und damit auch Infektionsketten zu unterbrechen. Außerdem begrüßen wir es, dass endlich die Hausärzte Menschen gegen Corona impfen können. Nichtdestotrotz bleibt es weiterhin wichtig, die geltenden Corona-Maßnahmen zu befolgen und sich an die Kontaktbeschränkungen zu halten.

Alfred Grob, Fraktionsvorsitzender der CSU:

Ich bin erleichtert, dass nach dem langen und zehrenden Lockdown erste Schritte in Richtung Öffnung des Geschäftslebens, von Sport und Außengastronomie sowie der Schulen kommen. Dafür habe ich auch im Landtag und in unserer Fraktion plädiert und gekämpft.

Ich begrüße ganz besonders die Strategie des verstärkten Testens mit Schnell- bzw. Selbsttests und der straffen Weiterentwicklung der Impfstrategie, um so die Basis für weitere Öffnungen zu schaffen und trotzdem Vorsicht und Augenmaß zu wahren. Wichtig ist dabei die Einbeziehung der Hausärzte, in Bayern schon ab dem 01. April, und der Betriebsärzte, um an Tempo zu gewinnen.

Konkret werden 11,5 Millionen Schnelltests je Monat von März bis Juni beschafft, die Kosten in Höhe von 183 Mio. Euro übernimmt der Freistaat. Apotheken werden als Schnellteststellen beauftragt und erhalten dafür 41 Mio. Euro. Gleichzeitig werden 12,4 Mio. Selbsttests von März bis Mai, im Juni 17,7 Mio. weiterer Selbsttests durch den Freistaat gekauft - Kostenpunkt 284 Mio. Euro.

Durch die Erweiterung der Impfstrategie auf Hausärzte, Vertrags- und Betriebsärzte sowie der intensiven Bemühungen, weitere inzwischen zugelassene Impfstoffe schnellstmöglich zu erhalten und umgehend zu impfen, bin ich überzeugt, dass damit eine mögliche dritte Welle der Pandemie, beschleunigt durch die Corona-Mutationen, gebrochen oder flach gehalten werden kann. Das ist die Basis für rasche und stabile Öffnungen.

Ich freue mich, dass es eine Öffnungsperspektive für den Einzelhandel oder Sport im Freien (z.B. Tennis, Golf u.a.) bei stabilen Inzidenzen gibt, ab 22.März auch für Außengastronomie, Theater, Kinos sowie kontaktfreien Sport im Innenbereich. Ich gebe auch gerne zu, dass ich persönlich eine schrittweise Öffnung der Innengastronomie und der Hotels gerne eher und konkreter definiert gesehen hätte.

Begrüßenswert ist die Rückkehr zum Präsenzunterricht in Grund- und Förderschulen sowie die Lockerung im Bereich der persönlichen Kontakte auf weitere Familien bzw. Personen.

Zusammengefasst sehe ich einen vernünftigen und vorsichtigen Schritt in Richtung Öffnung und Normalität, auch wenn konsequent weitere Schritte folgen müssen. Der Appell und die dringende Bitte an alle, in jedem Falle weiterhin alle Hygiene- und Abstandsregeln einschließlich der Maskenpflicht strikt zu beachten, ist umso eindringlicher, nachdem sich aktuell die Inzidenzwerte akut und deutlich nach oben entwickeln.  

Raimund Köstler, Sprecher der Stadtratsgruppe der ÖDP:

Die aktuelle Corona Situation ist geprägt vom Zwiespalt der Angst einer dritten Welle und dem Wunsch nach Öffnung. Die nun festgelegten Öffnungsschritte sind aus meiner Sicht nicht in der Lage die Inzidenzrate dauerhaft niedrig zu halten. Ich hätte mir nachvollziehbare Maßnahmen erwartet. Und auch die Umsetzbarkeit überzeugt nicht, hier sei besonders auf den Einkaufstourismus hingewiesen, der durch lokale Öffnungsmöglichkeiten des Einzelhandels entsteht. So hilfreich eine Schulöffnung auch für die Eltern sein mag, die Corona Fälle in der Altersgruppe der Jugendlichen gibt Grund zur Sorge.

Jede einzelne Öffnung, ob Schule, Einzelhandel oder Gastronomie, muss möglichst wenig Kontakte als Ziel haben. Besonders unter dem Aspekt, dass die Kontaktbeschränkungen noch länger notwendig sein könnten, sollten viel mehr Ideen entwickelt und geprüft werden mit denen eine teilweise Rückkehr zur Normalität möglich wird.

Nach einem Jahr Corona bin ich vom deutschen Krisenmanagement mehr als enttäuscht.

Christian Pauling, Stadtratsgruppe DIE LINKE:

Die aktuelle Öffnungsstrategie kann man gut mit einem Waldbrand vergleichen, bei dem ein gerade gelöschter Bereich nicht mehr gewässert wird, obwohl ringsherum ein Feuersturm wütet. Der Effekt lässt sich aktuell schön an Ingolstadt beobachten.

Mit geschwollener Brust trug man noch vor einer Woche den niedrigen Inzidenzwert vor sich her. Wir haben geöffnet, wurden zum Hotspot für Shoppingwütige aus ganz Bayern und befinden uns schon jetzt wieder auf dem sicheren Weg in den Lock Down.

Anstatt die Situation anzuerkennen und endlich grundlegend zu lösen fahren wir abermals die Strategie „halbgar“, mit einem Schrecken ohne Ende. Anstatt sich an Ländern aus Asien zu orientieren und einen europäischen, flächendeckenden und harten Lock Down zu fahren wurde abermals der verhängnisvolle Mittelweg gewählt. Nichts halbes und nichts ganzes.

Schlimmer noch als die wirtschaftlichen Folgen dieses unkoordinierten Vorgehens wiegen die sozialen Folgen und die psychologische Belastung der Bevölkerung. Anstatt von Anfang an auch direkt die Wirtschaftswelt mit in den Lock Down zu schicken und den Virus unter die Nachweisgrenze zu drücken wurde dieser Bereich ausgespart mit dem Ergebnis, dass alle anderen Bereiche und Branchen viel länger unter dem Lock Down zu leiden haben und leiden werden.

Die Belastbarkeit der Bevölkerung kommt auch deswegen an ihre Grenzen, weil das ständige hin und her, das ständige Hoffen und Enttäuscht werden uns Menschen psychisch zermürbt. Wir sind durchaus anpassungsfähig, aber nicht im zwei Wochen Takt. Auch der Wirtschaft ist mehr geholfen mit Planbarkeit und Kontinuität, als einer sich ständig ändernden Situation. Auf diesen größeren Kontext haben wir als Stadt wenig Einfluss. Das Versagen liegt an mangelnder Führungskompetenz von Jens Spahn und in letzter Hand Angela Merkel, die des Regierens müde scheint.

Aber auch hier vor Ort kann man Dinge besser machen. Anfangen würde das bei einem angemessen Erwartungsmanagement von Seiten führender Persönlichkeiten und lieber einer langsamen, dafür nachhaltigen, lokalen Öffnungsstrategie. Zusätzlich dazu sollten wir jetzt früh im Jahr möglichst viele Aspekte unseres öffentlichen Lebens in den digitalen und Außenbereich verlagern, um schlimmeres in Ingolstadt präventiv zu verhindern. Die dritte Welle ist im Anmarsch und jeder Kontakt, den wir vermeiden oder nach draußen verlagern gibt uns Luft zum atmen.

Anmerkung der Redaktion: Die Antwort der Stadtratsgruppe der UWG ist bis zur Veröffentlichung dieser "Frage der Woche" in der Redaktion nicht eingegangen.

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