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Haushaltsrede 2024 Raimund Köstler (ÖDP)

Nachfolgend veröffentlicht O-T(h)öne das heutige Redemanuskript des Ausschusssprechers der ÖDP im Stadtrat, Raimund Köstler, zum Haushalt 2024 der Stadt Ingolstadt:

(Es gilt das gesprochene Wort)

Liebe Ingolstädterinnen und Ingolstädter, ich begrüße Sie hier im Sitzungssaal als auch zu Hause am Livestream recht herzlich. Damit auch gleich zum Haushalt 2024. Herrn Fleckinger und seinem Team vielen Dank für die Arbeit bei der Erstellung des Haushalts. Wie er schon in der Haushaltsvorbesprechung im Januar sagte: eine solide Entwicklung!

Ein Sparhaushalt ist es angesichts der hohen Investitionen definitiv nicht. Solange jedoch die gewohnten Einnahmen ausbleiben, werden wir zumindest mittelfristig nur mit Schulden das Notwendigste erledigen können. Für 2024 ist im Hochbau die Finanzierung von Schulen, Feuerwehr, Interimstheater und dem Technischem Rathaus aus unserer Sicht nicht diskutierbar. Mit der Theatersanierung und der Generalsanierung des Klinikums kommen dann langfristig aber noch richtig große Projekte dazu, die uns Kopfzerbrechen bereiten.

Beim Tiefbau gäbe es für 2024 aus unserer Sicht Ansätze für kleine Einsparungen:

  • Die Ausweisung von Gewerbegebieten zurückstellen und
  • den Ausbau der Ettinger Ostumgehung

Kurzfristig bietet beides nicht viel. Aber mittelfristig stellen die Bauabschnitte 1 und 2 der Ostumgehung Etting ein großes Einsparpotential dar.

Auch bei den Sparvorschlägen zum Verwaltungshaushalt sehen wir den einen oder anderen Posten anders: Es erscheint uns nicht sinnvoll, die Gebühren der VHS zu erhöhen, die der Tiefgarage „Stadttheater West“ aber nicht. Erwachsenenbildung versus komfortables Parken für SUV´s! Beim bemüht authentischen Fest zum Reinen Bier 75.000 Euro nicht einsparen zu wollen, die Naherholungsziele Baggersee und Pius Park aber der nur tageweisen Nutzung zu überlassen, sind aus unserer Sicht falsche Zeichen.

Kann man einem Haushalt zustimmen, auch wenn er Posten enthält, die wir nicht befürworten? Ja, können wir. Denn Partikularinteressen kurzfristig durchsetzen zu wollen, hilft hier auf kommunaler Ebene nicht weiter – dies ist auf Bundesebene schon unerträglich genug. Der Beschluss zum Haushalt ist also formal notwendig. Und sollte sich im Laufe des Jahres die Situation ändern, können wir natürlich Anpassungen vornehmen – wahrscheinlich aber nicht zur uneingeschränkten Freude des Finanzreferenten.

Also Zustimmung zum Haushalt – aber gleichzeitig Aufforderung zur Diskussion, die Mittelfristplanung zu überdenken! Wir beteiligen uns gerne an einem Fahrplan mit folgender Bitte an die Referate: Dringend nötig ist eine klare Darstellung, welche Beträge wir in Pflicht- und freiwillige Aufgaben stecken und welche Förderung dahintersteht   und was wir übergreifend in Themen wie z.B. Schulen, Kultur, Umwelt- und Klimaschutz investieren. Ansonsten ist eine Priorisierung nur schwer möglich. Obwohl sie gerade beim Klimaschutz eine zusätzliche, ja fast unverzichtbare Werbemaßnahme wäre. Wir müssen neben der Erfüllung unserer Pflichtaufgaben Spielraum für freiwillige Ausgaben finden. Nur damit generieren wir echten Mehrwert für unsere Bürgerinnen und Bürger.

In der Sendung „Quer“ vom 25. Januar stellte CSU-Bürgermeister Hans Seidl aus Maisach sein Dilemma bei der Ausweisung neuer Wohnbauflächen dar. Mehr Wohnungen bedeuten gesetzlichen Anspruch auf Kitas, Schulen und Ganztagsbetreuung. Eine weitere Folge ist die Notwendigkeit, soziale Pflichtleistungen und Infrastruktur, wie Straßen und Krankenhäuser, auszubauen. Da er das Geld dafür aber nicht hat, möchte er langsam machen und zunächst Gewerbeflächen ausweisen. Mehr Einnahmen aus der Gewerbesteuer bedeuten aber nicht automatisch mehr finanziellen Spielraum für die Kommune. Was der Bürgermeister nämlich nicht mehr gesagt hat, ist, dass Arbeitsplätze wiederum den Druck auf den Wohnungsmarkt erhöhen. Ein Teufelskreis, in den wir uns in Ingolstadt auch oft begeben.

In „Ingolstadt informiert“ konnten wir vor Kurzem lesen, dass Ingolstadt weiterwächst. „Die Bevölkerung in Ingolstadt kennt praktisch nur eine Richtung – nach oben. Nur im Jahr 2020 gab es eine kleine Delle aufgrund von Abwanderungen wegen der Corona-Pandemie“. Soweit „Ingolstadt informiert“. Statt als Delle könnte man es auch positiv als Atempause bezeichnen und, dass wir damit den zuvor beschriebenen Teufelskreis kurzfristig verlassen haben. Wir dürfen nicht schon mit den Pflichtaufgaben überfordert sein. Die Krisen bei unseren Einnahmen kommen immer wieder und wir müssen besser darauf vorbereitet sein. Wachstum allein macht nicht widerstandsfähig gegen Krisen. Großstädte mit S- oder U-Bahn haben auch hohe Schulden.

Wir müssen uns auf Wohlstand und nicht nur auf Wachstum konzentrieren. Wohlstand bedeutet dabei auch:

  • Geistiger Reichtum
  • Soziale Beziehungen
  • Gesundheit und Wohlbefinden
  • Sinnhaftigkeit und Lebenszufriedenheit
  • Naturverbundenheit
  • Achtsamkeit und Meditation

Insgesamt kann dieser ideelle Wohlstand auch dazu beitragen, dass die Demokratie gestärkt wird, indem das Bewusstsein für demokratische Werte gefördert wird. Radikales Gedankengut, mit Drohungen wie „Wenn wir eines Tages an der Macht sind“, war selbst von einem Stadtrat hier in Ingolstadt schon zu hören.

Wir müssen auf unsere Bürgerinnen und Bürger eingehen und uns z.B. bei Wünschen der BZAs als Möglichmacher verstehen und deren Lebensqualität steigern, z.B. durch Grünflächen und Parks: Das Gewerbeflächenentwicklungskonzept wurde im Sommer 2023 verabschiedet. Wir wissen nun, welcher Anteil unserer Flächen für neue Gewerbegebiete verbraucht wird, auf die wichtigere Grünflächenplanung müssen wir leider immer noch warten.

Surch Fußgängerzonen: Die Bereiche am Kreuztor und in der Mauthstraße zwischen Wochenmarkt und Theatervorplatz als solche auszuweisen ist aus unserer Sicht längst überfällig.

Durch kulturelle Veranstaltungen: Meine persönliche Meinung: trotz dem Wachstum der Stadt in den letzten 40 Jahren war in der Faschingszeit früher mehr geboten. Sei es aufgrund Initiativen seitens unserer Vereine oder auch vom Kulturamt organisiert. Die Kreativwirtschaft ist ein bedeutender Wirtschaftszweig, der als Alternative zur recht einseitigen Wirtschaftsausrichtung gefördert werden sollte. Unser Traum ist, dass Ingolstadt sich auch mal als Kulturhauptstadt bewerben kann.

Durch öffentliche Verkehrsmittel: Leider musste das Angebot im ÖPNV reduziert werden, um Kosten einzusparen. Eine Entlastung des Verkehrs, weniger Staus und eine geringere Umweltbelastung wurden dabei aber nicht bewertet. Eine echte Werbemaßnahme, vergleichbar mit dem 9-Euro-Ticket von 2022, wäre bei den Einsparungen durchaus angebracht. Stattdessen streichen wir die Möglichkeit, mit dem City-Ticket ein Bus-Ticket zu bezahlen. Auch nicht zu vergessen: Fahrradwege, soziale Projekte, Aufenthaltsorte für Jugendliche und natürlich Umweltschutzmaßnahmen.

Corona ist zwar offiziell vorbei, die weltweiten Krisen sind aber nicht weniger geworden: 2 Jahre Krieg in der Ukraine, fast 5 Monate seit dem Überfall der Hamas auf Israel und Auswirkungen des Klimawandels allerorts. Zwar können wir die Verantwortung für einige unserer Probleme auf Land, Bund oder die EU abschieben. Aber wir sollten nicht hoffen, dass diese dort kurzfristig gelöst werden. Uns bleiben strukturelle Probleme bei der Gemeindefinanzierung, keiner freien Entscheidung zu Tempo 30 und keinem kostenlosem ÖPNV. Aber immerhin haben wir Cannabislegalisierung statt einer sicheren, zukunftsfähigen Krankenhausfinanzierung. Dabei gäbe es Wichtiges zu tun für unsere städtischen Vertreter bei Land und Bund. Zusätzliche ICE-Halts sind zwar nicht schlecht, Pendler würden sich aber mehr über einen regelmäßig fahrenden München-Nürnberg-Express freuen.

Wir müssen 2024 als Chance sehen, um zu lernen, wie wir in Zukunft mit geringeren finanziellen Mitteln, unseren Bürgerinnen und Bürgern eine lebenswerte und liebenswerte Stadt bereiten. Ingolstadt braucht dazu die richtigen Ziele. Mit unseren Planungsgrundsätzen für den Flächennutzungsplan hätten wir diese eigentlich schon. Daran müssen wir uns nun nur noch messen lassen. Ob da z.B. die Vision des neuen Stadtquartiers INGE, der Trabantenstadt am Westpark, zur Weiterentwicklung des Orts- und Landschaftsbilds passt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Wenn der Kreisverkehr durch viele Ampeln ersetzt wird, kann das natürlich auch ein Beitrag zur Verkehrsberuhigung werden.  

Unseren Planungsgrundsatz „die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen“ könnten wir durch Erhalt unserer landwirtschaftlichen Flächen und der Förderung ökologischen Landbaus erfüllt sehen. In Anbetracht des Ukrainekrieges wäre dies ein wichtiger Beitrag für eine autarke Lebensmittelversorgung. Entsprechend müssen wir unsere zukünftigen Haushalte unter das Motto „besser, statt immer mehr“ stellen.

Zum Abschluss möchten wir uns bei allen bedanken, die mit uns im Januar in so großer Zahl auf dem Paradeplatz ein Zeichen für unsere Demokratie gesetzt haben – vielen Dank!

Quelle: ÖDP Ingolstadt

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