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Haushaltsrede 2024 Christian Lange (UWG)

Nachfolgend veröffentlicht O-T(h)öne das heutige Redemanuskript des Fraktionsvorsitzenden der UWG, Christian Lange, zum Haushalt 2024 der Stadt Ingolstadt:

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen,

unsere Haushaltsdebatte steht auch in diesem Jahr unter besonderen Vorzeichen, die alle Menschen stark beschäftigen:

  1. Noch nie seit dem Ende des 2. Weltkriegs fand mitten in Europa ein so brutaler und rücksichtsloser Angriffskrieg statt.
  2. Die gesamte globale Ordnung, die vielen Menschen in den letzten Jahrzehnten Sicherheit und Wohlstand in weiten Teilen der Welt gebracht hat, stand seit Mitte der 1930er Jahre noch nie so nah am Abgrund wie heute.
  3. Die Stimmung in der Wirtschaft unserer starken Region, war selten so pessimistisch und ängstlich, wie das momentan der Fall ist.
  4. Und schlussendlich steht die Demokratie in Deutschland unter Druck wie nie zuvor.
  1. Globale Weltordnung und ein Angriffskrieg in Europa

Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit müssen als Werte im Mittelpunkt für eine moderne werteorientierte Politik für Ingolstadt, Deutschland und die ganze Welt stehen. Ein paar Gedanken möchte ich daher über ein Wertesystem für die Welt- und die Europapolitik von heute formulieren. Denn nur mit einem solchen Wertesystem, auf welchem die demokratische Grundordnung Deutschlands fußt, stellt sicher, dass diese Demokratie wehrhaft ist. Die Entwicklung in Polen zeigt uns, dass eine wehrhafte Demokratie in der Lage ist, nationalistische und antidemokratische Tendenzen durch Wahlen wieder zurückzudrängen. Das macht mir Hoffnung für andere europäische Länder (Ungarn), dass es auch dort durch demokratische Wahlen gelingen kann, allen antidemokratischen und nationalistischen Bestrebungen die rote Karte zu zeigen. Wenn alle EU-Länder wieder Werte wie insbesondere Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit in den Mittelpunkt ihrer gemeinsamen Politik stellen, können sie die EU reformieren und zu einem starken Europa weiterentwickeln. Damit auch das demokratische System der Europäischen Union wehrhafte Demokratie bleibt.

Einige von Ihnen wissen, dass ich für zwei Jahre in Kiew gelebt und gearbeitet habe. Die täglichen Bilder vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine machen mich wütend und ratlos: Warum passiert so etwas in Europa in unserer Zeit? Nur, weil ein Diktator in Moskau das so will. Europa und Deutschland müssen dem russischen Diktator klar zeigen, dass wir eine wehrhafte Demokratie sind und dass wir der Ukraine auch weiterhin mit Waffen helfen und sie wirtschaftlich unterstützen.

  1. Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie in Deutschland

Der politische rechtsradikale Rand der deutschen Parteienlandschaft hat in den letzten Jahren bei den Wahlen viel Zulauf erhalten. Mit Hilfe und Unterstützung einer Partei, deren Vertreter seit 2020 auch im Ingolstädter Stadtrat sitzen, wird heute am rechten Rand wieder von Remigration gefaselt und mit Ausländer-Raus-Parolen einer rassistischen Politik das Wort geredet. Besonders erschreckend ist für mich, dass wir in Deutschland plötzlich wieder einem widerwärtigen Antisemitismus begegnen, der mich fassungslos macht. Als ich 1985 mein Abitur gemacht habe, war ich mir sicher, dass wir Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus in dieser Massivität in Deutschland nie wieder erleben werden. Nun erleben wir heutzutage vieles leider doch wieder. Und deswegen ist es so wichtig, dass alle Demokraten jetzt die wehrhafte Demokratie wieder mit Leben erfüllen und sie stark und stärker machen. Wir müssen alle gemeinsam daran arbeiten, dass der rechte Rand in der Politik das bleibt, was er ist: eine Randerscheinung, die von einer überwältigenden großen Mehrheit der Menschen in unserem Land eindeutig abgelehnt wird. Die vielen unzähligen Demonstrationen für Demokratie und Vielfalt zeigen uns, dass es in Deutschland keine Mehrheit für eine rechte, undemokratische und rassistische Politik gibt. Und auch wir in Ingolstadt haben mit mehr als 6.000 Teilnehmern bei einer solchen Demonstration gezeigt, dass Ingolstadt keine Gegner von Demokratie und Vielfalt will. Das war für mich das schönste Zeichen aus Ingolstadt in diesem Jahr und ich bin allen Teilnehmern bei diesen Demonstrationen sehr dankbar! So sieht die wehrhafte Demokratie aus. Wir sind gemeinsam mutig und entschlossen, die Demokratie zu schützen und zu verteidigen und für unsere Werte auf die Straße zu gehen. Dass wir mit Vertretern einer Partei, die diese verabscheuungswürdige  Politik mal versteckt und inzwischen immer öfter auch schon erschreckend offen unterstützt (zum Beispiel durch ein Treffen in einem Ingolstädter Hinterzimmern mit dem Hauptthema „Remigration“ oder durch Posts in den sozialen Medien, die ) nicht zusammenarbeiten dürfen und können, ist für mich glasklar. Dass wir mit Vertretern einer solchen Partei hier im Stadtrat keinen einzigen Gemeinschaftsantrag stellen dürfen und können, ist für mich ebenso glasklar. Mit Gegnern von Demokratie und Vielfalt stelle ich keine Gemeinschaftsanträge! Was mich bei der Entwicklung in Deutschland wirklich erschreckt und oft auch ärgert ist der Umgang mit der derzeitigen Bundesregierung und den Politikern der Regierungskoalition. Da sind die Politiker vom rechten Rand natürlich ganz vorne dabei – aber da erwarte ich auch keine konstruktive Politik.

Der Umgang mit dieser Regierung und ihrer Politik durch die Opposition Opposition im Deutschen Bundestag ist aber aus meiner Sicht ebenso beschämend: Politiker der CDU/CSU-Bundesregierung vor 2020, die einige  Fehlentscheidungen getroffen haben, tun jetzt so, als ob sie besser wüssten wie jetzt Bundespolitik gemacht werden muss. Dabei waren es diese Politiker, die

  • mit einer unausgegorenen und lückenhaften Einwanderungspolitik,
  • mit einer verfehlten Verkehrspolitik – Beispiel: Autobahn-Maut: jede Bürgerin und jeder Bürger im Land wusste, dass das Modell so in Europa nicht umsetzbar ist – nur der zuständige Minister nicht,
  • mit einer übervorsichtigen Klimapolitik oder
  • einer monotonen Wirtschaftspolitik

die für die jetzigen Probleme im Land die Saat ausgebracht haben.

Und nun säen manche gescheiterte Unionspolitiker schon wieder (das Schlimme daran: gemeinsam mit dem rechten Rand):

Sie säen

  • Misstrauen der Politik gegenüber,
  • Zwietracht und Spaltung in unserem Land,
  • durch ihre oft völlig überzogene und ins Persönliche gehende Kritik an der Ampelregierung die immer aggressivere Stimmung im Land.

Das darf so nicht weitergehen und ich wünsche mir, dass auf allen Ebenen endlich wieder konstruktive Kritik im Vordergrund steht. Für Beschimpfungen unter der Gürtellinie und persönliche Verunglimpfungen gibt es am rechten Rand genug Politiker – davon sollten sich aus meiner Sicht demokratische Politiker ganz klar abgrenzen. Wir leben in Zeiten, in denen die Menschen viel mehr verunsichert sind, als wir das aus den letzten Jahrzehnten kennen – warum müssen Demokraten diese Verunsicherung durch unfaire und überzogene Kritik an anderen Demokraten nun noch verstärken. Das schadet der Demokratie und hilft ihr nicht. Übrigens gilt das auch für die Landespolitik und wenn ein bayerischer Ministerpräsident in Ingolstadt auftritt und mit einem Ausdruck des Bedauerns feststellt, dass Bayern ein Teil Deutschlands sei, dann ist das in meinen Augen eine völlig falsche Botschaft, die nur spaltet und Zwietracht sät.

  1. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Region 10

Die Verunsicherung ergreift zurzeit jedoch auch die Wirtschaft unserer Region. Meines Erachtens wäre uns allen mehr damit geholfen, wenn wir die Stärken der Region öffentlich immer wieder herausarbeiten statt dem Stimmungsbild aus irgendeiner Befragung von Unternehmern zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Solche Umfragen zeigen immer wieder, dass keine die Glaskugel hat, um in die Zukunft zu schauen. Und immer wieder hat sich auch in der Wirtschaft der Region gezeigt, dass diese robuster ist, als es sich aus Stimmungumfragen ergibt. Selbstverständlich befindet sich die deutsche Wirtschaft in einem Prozess des Umbruchs und der Neuorientierung – aber daran ist aus meiner Sicht nichts Schlechtes zu erkennen. Die Wirtschaft ist schon immer von Zyklen geprägt, diese müssen auch Abschwünge beinhalten. Denn aus solchen Abschwüngen entstehen Innovationen, Erfindungen und neue Ideen. Niemandem ist damit geholfen, wenn alles schlecht geredet wird, was eigentlich volkswirtschaftlich erklärbar ist. Das gilt auch für Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände in der Region.

  1. Der Haushalt 2024 als Richtschnur und Leitlinie für die Stadtpolitik in Ingolstadt

Das Fundament dieses Haushalts ist die Bereitschaft zum Ausbau der Leistungsfähigkeit der städtischen Verwaltung. Eine stetig wachsende Stadtgesellschaft und der nun überall spür- und sichtbare Wandel in Industrie und Wirtschaft bedürfen einer klugen finanzpolitischen Begleitung auf kommunaler Ebene. Die wachsenden Aufgaben einer Kommunalverwaltung in einer schnell wachsenden Stadt müssen sich in der Entwicklung des Verwaltungshaushalts und damit auch in der Entwicklung der Personalausgaben dieser Stadt niederschlagen. Wenn nicht dort, wo sonst? Darüber zu jammern und zu lamentieren, hilft niemandem weiter. Wir müssen aus der Entwicklung des Haushalts ebenso neue Ideen und Innovationen entwickeln.

So muss aus meiner Sicht Ingolstadt

  • seine Bemühungen für die Digitalisierung der Verwaltung beschleunigen und ausbauen
  • seine Bemühungen für eine zeitgemäße und moderne Immobilienverwaltung der Stadt weiter vorantreiben
  • seine Bemühungen für eine moderne, klimafreundliche und insbesondere attraktive Verkehrsinfrastruktur forcieren
  • die Struktur der gesamten Stadtverwaltung mit all ihren Töchtern weiterhin kritisch hinterfragen und dort Synergien heben, wo es möglich ist – wir haben immer noch ein viel zu undurchsichtiges Geflecht an unternehmerischer Tätigkeit der Stadt

Diese Reihe können wir beliebig fortsetzen – aber bitte verstehen Sie darunter nicht in erster Linie die Kritik, dass siech vieles so langsam verändert, sondern verstehen Sie bei diesen Punkten besonders die Chancen für eine Stadt, weiteres Sparpotential zu identifizieren.

Wir dürfen jedoch nie die Unterstützung der Menschen im sozialen Bereich vergessen: Eine unsere Aufgaben, die wir den Menschen anbieten müssen, ist die Unterstützung in schwierigen Lebenslagen. Dazu gehören neben Sozialleistungen, so wichtige Angebote wie ein Waisenhaus oder ein Frauenhaus, aber auch ausreichende Obdachlosenunterkünfte in unserer Stadt sind unsere Aufgabe. Genauso wie auch die Unterstützung einer funktionierenden Schuldnerberatung in unserer Stadt unsere Aufgabe ist. Allen karitativen Organisationen und den vielen Ehrenamtlichen in diesen Bereichen müssen wir jeden Tag dankbar sein und sie müssen sich auf unsere Förderung und Unterstüzung verlassen können. Eine Kommune muss dafür sorgen, dass allen Menschen die soziale Einbindung in die Gesellschaft angeboten und ermöglicht wird.

Für mich gehört zu unseren Pflichten auch die Unterstützung der Menschen bei der Umsetzung unserer klimapolitischen Ziele für die Stadt: Es darf nicht kleinkariert über drei oder vier Jahre bis zur Erreichung irgendwelcher klimapolitischer Ziele debattiert werden. Ebenso sollten wir genauso kleinkarierte Diskussion vermeiden, ob eine Förderung den Menschen über 100 Euro mehr oder weniger durch die Kommune angeboten wird. Klimapolitik muss den Menschen in der Stadt klar machen: wir unterstützen euch bei der Umsetzung eurer Beiträge zur Klimapolitik. Gerade jetzt, wo die Energiekosten steigen und eine Belastung für alle Privathaushalte sind, ist es unsere Aufgabe, den Menschen einen Weg zu Energieeinsparungen aufzuzeigen, der von uns durch eine entsprechende Förderung unterstützt wird.

Es gibt viele Unwägbarkeiten in der kommunalen Finanzpolitik, die uns weiterhin beschäftigen werden: Ein Beispiel ist die meines Erachtens immer noch fehlende Unterstützung durch Bund und Länder bei der Finanzierung des Krankenhauswesens. Zwar werden hier jetzt einige Schritte in eine gegangen, aber die Resultate der Reform reichen nicht aus, um die Defizite der Kommunen aufzufangen. Der uns heute vorliegende Haushalt stellt die notwendigen Weichen für eine funktionierende Verwaltung und für die notwendige Investitionen und er hat in allen Bereichen die Bedürfnisse der Menschen im Blick. Deswegen stimmt die UWG-Fraktion diesem Haushalt 2024 zu.

Abschließend gilt auch in diesem Jahr allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung und aller Beteiligungsgesellschaften unser Dank für die vertrauensvolle Zusammenarbeit im abgelaufenen Jahr. Wir danken dem Sitzungsdienst für seine hervorragende Zuarbeit. Ebenso der Kämmerei und dem Finanzreferat für die gute Zuarbeit bei der Aufstellung des diesjährigen Haushaltsentwurfs.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Quelle: UWG-Stadtratsfraktion Ingolstadt

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