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Klinikfusion: Angst vor Outsourcing und Kündigungen

Teil 2 des Interviews

Um die Fusion der Klinken der Region 10 ist es derzeit sehr ruhig. Die beratenden Rechtsanwälte und Steuerberater sind derzeit am Werk, ist aus der Ingolstädter Kommunalpolitik zu hören.

Der Nachrichtenkanal O-T(h)öne führte ein Gespräch mit Arina Wolf, vor Ort zuständige Gewerkschaftssekretärin von ver.di für das Gesundheitswesen. Lesen Sie hier den zweiten Teil des Gespräches.

OT: Sie haben jetzt im bisherigen Gespräch betriebsbedingte Kündigungen erwähnt. Ich bin im Gespräch mit verschiedenen Mitarbeitenden der betroffenen Häuser und höre Sorgen vor dieser Maßnahme. Gibt es denn jetzt von den politischen Verantwortlichen, von den Landräten, von den Oberbürgermeistern, von den Kreisräten, von den Aufsichtsräten irgendwas Schriftliches oder tatsächlich Beschlüsse, dass betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgesprochen werden?

Wolf: Wahrlich, es gibt es keine schriftliche oder verlässliche Grundlage für dieses Vorhaben. Durch Gespräche mit einzelnen Gremiumsmitgliedern weiß ich, dass betriebsbedingte Kündigungen aktuell nicht geplant sind. Mir macht das Einsparpotenzial, welches das Gutachten herausgearbeitet hat, viel mehr Sorge. Ich befürchte, dass das Einsparpotenzial wie immer auf den Rücken der Schwächsten ausgetragen wird. Es sind die Beschäftigten, die fast immer wenig verdienen, wie zum Beispiel Mitarbeitende in der Reinigung, der Küche, aber auch im Einkauf und der Verwaltung. Es macht mir große Sorgen, dass wir im Zuge der Umsetzung des Gutachtens mit diesen Themen konfrontiert werden und dann für Teile der Beschäftigten tatsächlich Outsourcing in Raum steh. Ich finde, das sollte unbedingt vermieden werden, weil wir wissen, dass im Krankenhaus nur gute Arbeit geleistet werden kann, wenn wirklich alle zusammenhalten und zusammenstehen und aus dem Krankenhaus kein zerstückeltes Unternehmen wird, wobei manchmal die linke Hand nicht weiß, was die rechte Hand tut.

OT: Hat es denn, nachdem durch die Medien bekannt wurde, in welche Richtung das Gutachten tendiert, durch die Gewerkschaft ver.di noch ein Betriebsrätetreffen gegeben? Wenn ja, mit welchen Ergebnissen sind sie auseinandergegangen?

Wolf: Wie Sie schon vor geraumer Zeit berichtet haben, haben wir bereits zu einem frühen Zeitpunkt eine Betriebs- und Personalrätekonferenz durchgeführt, um das Thema Gutachten zu diskutieren und zu besprechen. Es schon 2023 bekannt geworden, dass ein großes Unternehmen dieses Gutachten durchführen soll.

Wir haben letztes Jahr in der Konferenz eine Resolution verabschiedet. Wir haben diese auch dem Oberbürgermeister und Landräten zugeschickt. Auf unsere Briefe haben wir allerdings leider keine Antwort bekommen. Bis heute nicht.

In einem Gespräch mit dem Ingolstädter Oberbürgermeister Scharpf, haben wir dies natürlich angesprochen. Aus meiner Sicht wäre es allerdings notwendig, dass wir als Gewerkschaft ver.di auch das ganze Gutachten zur Verfügung gestellt bekommen. So muss die Gewerkschaft im investigativ-journalistischen Stil, die einzelnen Punkte des Gutachtens herausfinden. Wir werden nicht als Netzwerkpartner behandelt. Wäre dies der Fall würden unsere Vorschläge und Sichtweisen gehört und würden auch tatsächlich in die Überlegungen der Politik und der Entscheider einfließen.

OT: Was war denn das Ergebnis der jüngsten Betriebsrätekonferenz, nachdem über das Gutachten in den Medien berichtet wurde?

Wolf: Das Vorhaben ist so umfangreich, dass man das nicht auf die leichte Schulter nehmen kann und man jeden Schritt gewissenhaft mitverfolgen muss, um eben das Bestmögliche für die Belegschaften herauszuholen. Wir sagen, es fehlt ein Konzept zum Umgang mit dem Personal. Es fehlt eine Begutachtung, wie viel Personal ist denn jetzt da, wie viel Personal wird denn in welcher der beteiligten Kliniken benötigt. Es stellen sich insbesondere die Fragen, reicht das Personal insgesamt und welches Personal von welcher Klinik muss künftig in einer der anderen beteiligten Kliniken tätig sein. Jetzt kommt am 1. Juli dieses Jahres die PPR 2.0 hinzu, also die Personalregelung für die Pflege, die die der Bundesrat abschließend beraten hat.

OT: PPR steht für Pflegepersonalregelung in Krankenhäusern, diese regelt vereinfacht gesagt, dass auf jeder bettenführenden Station einer Klinik für eine Schicht eine bestimmte Anzahl an Pflegepersonen eingesetzt werden muss.

Wolf: Ja, richtig.

OT: Wie wirkt sich denn die PPR 2.0 auf die geplante Fusion der Kliniken in Ingolstadt und der Region aus?

Wolf: Diese wirkt sich erst einmal hervorragend aus, da nun endlich eine bedarfsgerechte Bemessung des Personals auf die vorhandene Arbeitsmenge vorhanden ist. Dies bedeutet, dass die Regelung nicht nur eine Richtschnur ist, sondern für die Kliniken bindend ist. Deswegen freuen wir uns bei ver.di sehr, dass endlich die PPR 2.0 eingeführt wird. Wir haben eine solche Verbesserung schon lange gefordert. Die Regelung bedeutet mehr Personal bei viel Arbeit am Patienten. Diese Regelung wird natürlich offenbaren, dass Fachkräfte in der Pflege fehlen, was an einigen Orten jetzt der Fall ist. Das Resultat der PPR 2.0 wird sein, dass es für viele Betten kein Personal gibt, oder anders ausgedrückt, es werden nachweislich viel zu wenige Fachkräfte an zu vielen Betten stehen.

OT: Das kann doch für die geplante Klinikfusion in der Region bedeuten, dass in diesem Klinikverbund möglicherweise Betten werden.

Wolf: Meine Sorge ist tatsächlich, dass Betten geschlossen werden müssen. Dies hat natürlich Auswirkungen auf die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse. Dies wiederum könnte die ganze Fusion infrage stellen, weil eben nicht die Ergebnisse erzielt werden, die vom Gutachten her geplant sind. Deshalb ist meine fachliche Überzeugung, dass das Thema Personal vorn herein genauso ernst genommen werden muss, wie die Themen Wirtschaftlichkeit und regionale Versorgung der Bürgerinnen und Bürger.

Für das Thema Personal braucht es schon jetzt klare Ideen, Gedanken, ein Vorhaben und ein Konzept. Es braucht hier Kooperationsgespräche. Wenn man erst im August oder im September anfängt, das Thema Personal zu entdecken, stellt man vielleicht fest, dass das, was auf dem Papier steht, wahrscheinlich gar nicht funktioniert.

OT: Dies bedeutet, die jetzigen Planungen zur Fusionierung müssen unter den Gesichtspunkten der PPR 2.0 stattfinden?

Wolf: Auch, ja. Es muss jetzt eine Personalbedarfsanalyse stattfinden. Wo habe ich welches Personal mit welchen Qualifikationen? Wo will ich welches Personal haben, mit welchen Qualifikationen? Und wie motiviere ich oder welche Anreize setze ich tatsächlich, dass das Personal auch der Arbeit folgt? Nicht das Mitarbeitende auf einem anderen Arbeitsmarkt verschwinden. Als Gewerkschaft reden wir hier von Berufsflucht aus der Pflege.

OT: Von Beschäftigten wird mir erzählt, dass diese Sorge haben, dass sie beispielsweise vom Haus Eichstätt plötzlich im Klinikum eingesetzt werden oder von Pfaffenhofen aus, vielleicht auch von Eichstätt aus dann nach Pfaffenhofen müssen. Sehen Sie diese Gefahr?

Wolf: Ich kann nur über Vermutungen sprechen, weil mir das Gutachten nicht zugänglich gemacht wird. Man liest aus den Zeitungen oder Veröffentlichungen schon, dass es verschiedene Gedankenspiele gibt, ob Fusionen oder Kooperationen. Da gibt es viele verschiedene Auswirkungen. Das haben wir auch in der Strategietagung mit den Betriebsräten besprochen. Je nachdem, welche Konstellationen gewählt werden, besteht diese Gefahr. Diese Gefahr muss man ernst nehmen, wenn man will, dass das Personal auch tatsächlich mitkommen soll.

OT: Es müssen Betroffene zu Beteiligten gemacht werden?

Wolf: Genau, ich erachte das für essenziell wichtig, dass man da im Gespräch bleibt und die Beschäftigten auch wirklich gehört werden. Es ist wichtig, hier die Arbeitnehmerseite und auch die Gewerkschaften einzubinden. Dies frühzeitig und zeitnah.

Anmerkung der Redaktion: Den zweiten Teil des Interviews lesen Sie nächste Woche beim Nachrichtenkanal O-T(h)öne.

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