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Stadträte entscheiden gegen Naherholungssuchende

Ingolstadt – Die Entscheidung fiel einstimmig, die Debatte war kurz, das Signal unmissverständlich: Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Bau, Umwelt und Nachhaltigkeit des Ingolstädter Stadtrats hat mit der Teilfreigabe des Buschlettenwegs für den motorisierten Verkehr eine verkehrspolitische Weichenstellung vollzogen – und Naherholungsinteressen klar untergeordnet.

Was als bloße „formale Korrektur“ innerhalb des Straßen- und Wegegesetzes verkauft wurde, offenbarte in der Sitzung des zuständigen Ausschusses schnell seine politische Brisanz. Der bisher für Autos gesperrte, schmale Weg zwischen Bonhoefferstraße und Wasserwerk soll auf einer Länge von rund 400 Metern wieder für den Verkehr geöffnet werden – offiziell für Anlieger. In der Praxis bedeutet das: mehr Verkehr auf einer bislang überwiegend von Fußgängern und Radfahrenden genutzten Strecke.

Verwaltungsakt mit politischem Druck

Offiziell ging es um eine rechtssichere Ergänzung im Straßenverzeichnis samt korrekter Beschilderung. Doch hinter den Kulissen stand offenbar erheblicher Druck – insbesondere aus dem Umfeld ortsansässiger Landwirte. Zwei Stadtratsmitglieder berichteten von persönlichen Anrufen und Bitten, man möge den Zugang zu den landwirtschaftlichen Flächen nicht blockieren. Dabei existierten waren Ausnahmegenehmigungen für diesen Personenkreis bereits jetzt möglich.

Mehrere Mitglieder hatten Mühe, sich ohne Präsentationstechnik in den Lageplänen zurechtzufinden. Himmelsrichtungen wurden verwechselt, Grundstücke falsch verortet, die Vorlage mehrfach erklärt. Ein Ausschussmitglied forderte gar, die Verwaltung möge den Beschlussentwurf „noch einmal besser erklären“, da dieser „in sozialen Netzwerken ziemlich heftig diskutiert“ werde.

Politik auf Zuruf

Tatsächlich wurde der Wunsch der Landwirte aufgenommen – und es wurde zugesagt, zu prüfen, ob sich das Anliegen in die Verwaltungsrealität überführen lässt. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Interesse an einem weiterhin verkehrsberuhigten Bereich fand nicht statt. Die Verwaltung betonte, es handele sich lediglich um die Korrektur einer fehlerhaften Beschilderung. Der Zusatz „Anlieger frei – 400 Meter“ solle lediglich „Rechtsklarheit“ schaffen.

Doch genau das ist der Knackpunkt: Die nun erlaubte Durchfahrt betrifft ein Gebiet, das bislang bewusst für den Kfz-Verkehr gesperrt war – unter anderem wegen der Nutzungskonflikte mit Erholungssuchenden. Beobachtungen von Anwohnern zufolge war die Zahl der unerlaubten Fahrten zuletzt erheblich – in der Sitzung jedoch kein Thema. Auch Konflikte mit nicht-motorisiertem Verkehr – von Radfahrern bis zu Senioren mit Rollatoren – fanden keinerlei Erwähnung.

Vage Annahmen statt belastbarer Daten

Statt konkreter Prognosen zur Verkehrsentwicklung sprach die Verwaltung lediglich von „einstelligen Zuwachszahlen“, was im Klartext eine Verdoppelung der Fahrzeugbewegungen bedeuten könnte – da jede Zufahrt auch eine Abfahrt nach sich zieht. Auf den Grundstücken, zu denen nun legal gefahren werden darf, ist eine Wohnbebauung untersagt. Dennoch wurde in der Sitzung der von der Verwaltung Eindruck vermittelt, als lebten dort Menschen – eine Darstellung, die bekannten baurechtlichen Fakten widerspricht.

Keine Diskussion über Alternativen

Alternativen zur pauschalen Öffnung wurden nicht ernsthaft erwogen. Weder die Option individueller Ausnahmegenehmigungen noch technische Sperren mit gezielter Freigabe standen zur Debatte. Hinweise auf bekannte Probleme wie zu schnelles Fahren oder gefährliche Begegnungssituationen blieben unerwähnt.

Die zentrale Argumentation der Verwaltung: Es bleibe beim Status quo der Infrastruktur, der Verkehr nehme nicht zu. Statt einer politischen Auseinandersetzung dominierte juristische Rhetorik. Der Begriff „Anlieger“ – rechtlich schwer kontrollierbar – wurde zwar genannt, aber nicht weiter hinterfragt.

Ein einstimmiger Beschluss – trotz offener Fragen

Oberbürgermeister Michael Kern (CSU) der sich selbst zu dem Thema nicht zu Wort meldete bat Ende bitte ich positiv um Zustimmung für die Vorlage. Diese bekam er auch – einstimmig. Keine Gegenstimme, keine Enthaltung – trotz offenkundiger Wissenslücken und fehlender Datenlage. Die Perspektive der Naherholungssuchenden blieb ebenso außen vor wie die städtebauliche Bedeutung eines verkehrsberuhigten Grünzugs.

Politik ohne politischen Diskurs

So geriet ein vermeintlich technischer Verwaltungsvorgang zur politischen Entscheidung – mit kaum sichtbarer Auseinandersetzung über die politischen Konsequenzen. Die Öffnung wurde für von der Verwaltung „praktikabel“ erklärt, der Ausschuss folgte dieser Einschätzung. Fragen aus der Bevölkerung, etwa zum Immissionsschutz durch einen Kamin auf einem Grundstück mit unklarer Nutzungssituation, blieben unbeantwortet – ebenso wie der Widerspruch zwischen faktischer Nutzung und geltender Baugenehmigung.

Legalisiert, was längst Realität war

Am Ende steht die Umwidmung eines geschützten Weges zu einer offiziell befahrbaren Straße – rund drei Meter breit, mit der Begründung, dass er ohnehin genutzt wurde. Die Verwaltung nennt es „Rechtsklarheit“, es kann aber auch als von einer Kapitulation vor dem Faktischen bezeichnet. Für Erholungssuchende heißt das: weniger Sicherheit, mehr Autos – und die klare Botschaft, dass ihre Interessen politisch kaum Gewicht haben.

Fazit: Kommunalpolitik schlägt Gemeinwohl

Der zuständige Ausschuss des Ingolstädter Stadtrats hat gezeigt, wie kommunale Verkehrs- und Flächenpolitik funktioniert: mit wenig Transparenz, wenigen Rückfragen, viel Verwaltungslogik – und ohne Debatte über politische Folgen. Was ebenfalls deutlich wurde: Im Ortsteil Haunwöhr ist der Einfluss einzelner Landwirte groß – und ihre Stimme offenbar schwerer als die der Spaziergänger.

Was bleibt, ist festzustellen: Die Messe ist gelesen. Die Befürworter der Öffnung können sich mit einer Flasche Sekt auf ihre neu legitimierte Zufahrt anstoßen – während sich Spaziergänger, Radfahrer und andere Erholungssuchende auf vermehrte Begegnungen mit Autos einstellen müssen. Politik als Vollzugsorgan partikularer Interessen – das bleibt der Eindruck.

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