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Michael Kern (CSU) zu Klinikum, Pflegeplätze und Wohnungsbau

Wie der Nachrichtenkanal O-T(h)öne bereits im Juli berichtete, hat Stadtrat Michael Kern seine Bereitschaft erklärt, für die CSU in eine mögliche Oberbürgermeisterkandidatur zu gehen. Kern ist einer von zwei Bewerbern, die sich dem Votum der CSU-Mitglieder bei der Aufstellungskonferenz stellen. O-T(h)öne führte ein langes und ausführliches Gespräch dazu mit dem Christsozialen, das in mehreren Teilen veröffentlicht wird. Heute lesen Sie den dritten Teil des Interviews. Da sich die Diskussion zur Oberbürgermeisterwahl in Ingolstadt derzeit hauptsächlich um Personen und kaum um Inhalte dreht, soll dieser Teil politische Sachthemen beleuchten.

O-T(h)öne: Widmen wir uns bei den politischen Sachthemen, als Erstes dem Klinikum Ingolstadt. Sie waren als Bezirksrat für das Klinikum Ingolstadt in Verantwortung und sind dies auch als Stadtrat. Sie tragen dort also seit über sechs Jahren politische Verantwortung für das Großkrankenhaus und konnten die Entwicklungen nicht nur verfolgen, sondern mitgestalten. Was hat denn das Klinikum Ingolstadt so in die finanzielle Schieflage gebracht, wie diese sich seit geraumer Zeit darstellt? Was sind denn die Bereiche im Klinikum, in denen die Defizite entstanden sind und aktuell noch entstehen?

Kern: Zunächst einmal möchte ich vorausschicken, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Klinikum eine hervorragende Arbeit leisten und wenn wir die letzten Jahre zurückschauen, gerade auch unter der schweren Corona-Zeit, eine hervorragende Leistung erbracht haben. Wir konnten uns auf unser Klinikum immer verlassen, egal wie schwer die Zeiten waren. Stichwort Pandemie, Stichwort Lockdown, Stichwort Corona, Stichwort Impfen. Da haben diese Mitarbeiter ganz, ganz Großes geleistet, das zentrale Herzstück unserer regionalen Gesundheitsversorgung. Neben der Versorgung spielen auch die wirtschaftlichen Themen eine Rolle. Natürlich kann es uns nicht ruhen lassen, wenn das Klinikum Ingolstadt jedes Jahr Millionen Euro an Defiziten einfährt. Da läuft die interne Analyse und da laufen auch Überlegungen, wie wir das Klinikum Ingolstadt aufstellen können, nicht nur medizinisch, sondern auch wirtschaftlich. Mein Ziel ist es, dass wir das Klinikum als Vollversorger-Krankenhaus aufwerten, dass wir am besten bald auch in Ingolstadt ermöglichen können, dass ein Medizinstudium absolviert werden kann, gerne in Kooperation mit einer Universität aus München, eventuell bei der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt oder bei der Technischen Hochschule Ingolstadt, damit wir mit unseren Partnern die bestmögliche Versorgung auf die Beine stellen. Bei all diesen Überlegungen muss es aber so sein, dass wir als Ingolstädter Stadtrat zunächst die Interessen unserer Ingolstädter Bürgerinnen und Bürger im Auge haben, und da ist es mir ein Herzensanliegen, dass wir eine leistungsfähige Notaufnahme haben. Schon jetzt ist es bei der Notaufnahme so, dass sie in gewisser Weise fast an ihre Grenzen kommt, und wenn wir die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Auge haben, muss immer gewährleistet sein, dass sie einen jederzeit möglichen Zugang zu unserer hervorragenden Notfallmedizin im Klinikum haben. Und wenn das Klinikum dann auch noch weitere medizinische Spezialbereiche hervorragend abbildet, umso besser. Dafür werden wir arbeiten, das Klinikum ist unser Herzstück der Gesundheitsversorgung.

O-T(h)öne: Sie können Bereiche, die seit längerer Zeit defizitär sind, im Klinikum nicht benennen, sondern diese werden gerade im Moment analysiert?

Kern: Da gibt es selbstverständlich schon erste interne Analysen, das läuft, und das ist mit den hohen Defiziten natürlich kein Zustand, der so bleiben kann. Daran muss gearbeitet werden, und daran wird auch gearbeitet. Aber neben all den Zahlen, die in den Griff bekommen werden müssen, ist immer auch wichtig, dass die Gesundheitsversorgung läuft, weil unsere Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf haben, im Klinikum die bestmögliche medizinische Versorgung zu erhalten. 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr.

O-T(h)öne: Wenn ich das jetzt höre, dann heißt dies, das Klinikum ist kein Bereich, bei dem Sie Einsparungen vorsehen?

Kern: Sparen ist vielleicht auch nicht das richtige Wort. Wo wir Mittel einsetzen, müssen wir diese Mittel kostenbewusst einsetzen. Ich würde eher sagen, die Ausrichtung künftig mit entsprechender Strategie zu versehen, um einfach auch hier und da den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechend, den Patientenströmen entsprechend, cleverer zu handeln. Sparen an sich wäre sicherlich das falsche Wort, und vorrangig bleibt die hervorragende Versorgung für unsere Bürgerinnen und Bürger. Und damit meine ich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Klinikum – die Klinikärzte genauso wie die Pflegekräfte und auch die Verwaltungskräfte. Lassen Sie mich einen Satz dazu sagen: Genauso müssen wir auch das Thema Ausbildung am Klinikum weiter ausbreiten. Die Gesundheitsschule am Klinikum ist absolut wichtig, und wir werden in Zeiten des demografischen Wandels und in Zeiten des Pflegekräftemangels unseren eigenen Nachwuchs ausbilden. Das werden wir mit voller Energie angehen müssen, auch in Kooperation mit unseren örtlichen Schulen, damit wir unsere Gesundheitsversorgung auch in den Arztpraxen weiter erhalten. Das Thema Gesundheit ist eines der wichtigsten Zukunftsthemen für unsere Region. Da sind wir gut unterwegs, aber da müssen wir die Hausaufgaben jetzt auch schleunigst machen.

O-T(h)öne: Wie stehen Sie zum Thema der Privatisierung des Klinikums, das heißt, wenn die finanziellen Defizite weiter davon galoppieren, entweder einen privaten Investor mit ins Boot zu holen oder zu sagen, ja, wir als Kommune entledigen uns des Klinikums? Es gibt vermutlich Konzerne, die bereit wären, dieses Ingolstädter Klinikum zu übernehmen.

Kern: Eine solche Lösung sehe ich aktuell für unser Klinikum und auch in der nächsten Zeit überhaupt nicht.

O-T(h)öne: Das Thema der Pflegesituation in Ingolstadt ist ebenso ein wichtiges. Sowohl stationär als auch teilstationär. In der stationären Pflege wurden über viele Jahre durch kommunale Mandatsträger massiv Betten abgebaut. Ich denke an das frühere Pflegeheim in der Sebastianstraße oder das Heilig-Geist-Spital. Es gibt Pflegegutachten für die Stadt Ingolstadt, es gibt Zahlen des Bezirks Oberbayern und auch des Freistaates, wie sich die Pflegesituation entwickeln wird. Da werden zahlreiche zusätzliche stationäre Pflegeplätze nötig, die derzeit nicht in Sicht sind. Welche Vorstellungen haben Sie für Ingolstadt, um die Pflegesituation im Ganzen zu verbessern?

Kern: In einer alternden Gesellschaft werden immer mehr Menschen Pflege benötigen, sei es in Kurzzeit- oder Vollzeitpflege. Diesem Umstand müssen wir Rechnung tragen. Als Stadt Ingolstadt sind wir möglicherweise nicht der richtige Heimbetreiber, aber wir müssen alles daransetzen, dass wir Heimbetreiber ermutigen, in Ingolstadt ein Vorhaben zu realisieren. Dafür brauchen wir entsprechende Grundstücke, dafür brauchen wir entsprechende Arbeitskräfte, die zur Verfügung stehen, und da müssen wir alles daransetzen, dass wir perspektivisch ein, zwei oder drei neue Pflegeheime bekommen. Das ist auch gut möglich.

O-T(h)öne: Wir bieten bereits preisgünstige Grundstücke an für jemanden, der ein Pflegeheim errichten will. Wir subventionieren sogar neue stationäre Pflegeplätze. Trotz dieser Anreize konnte seit langer Zeit kein Investor gefunden werden, der bereit ist, ein neues Pflegeheim mit zusätzlichen Plätzen zu bauen, in diesen Sektor zu investieren. Es ist lukrativer, anders Geld zu verdienen. Investoren geht es bei Investitionen immer auch um Gewinn. Wenn ich andere Kommunen anschaue, selbst Gemeinden betreiben eigene Pflegeheime. Was spricht dagegen, dass die Stadt Ingolstadt im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge ein Pflegeheim baut und die Kräfte beispielsweise am Berufsbildungszentrum des Klinikums ausbildet und an sich bindet?

Kern: An vorderster Stelle halte ich passende gesetzliche Rahmenbedingungen für wichtig, und da ist viel vom Bundesgesetzgeber zu machen. Da werde ich auch über den Bayerischen Städtetag die Bundesseite entsprechend ansprechen, auch mit dem Wissen, das ich als ehemaliger Bezirksrat habe, und bin zuversichtlich, dass wir über verbesserte bundesgesetzliche Regelungen wieder attraktiver werden, sodass wir dann auch Investoren und Betreiber finden werden. Ob das dann die Stadt Ingolstadt selbst sein muss, wird man sehen. Wichtig sind gute bundesgesetzliche Rahmenbedingungen, und da werde ich auch über den Bayerischen Städtetag dafür sorgen, dass wir gehört werden.

O-T(h)öne: Das hört sich so an, als wenn die eine kommunale Ebene das Problem auf die nächste politische Ebene abschiebt. Fördert das nicht Politikverdrossenheit und Politikerverdrossenheit?

Kern: Es geht um gesetzliche Rahmenbedingungen. Niemand kann dazu gezwungen werden, in ein wirtschaftliches Abenteuer zu investieren. Da müssen wir uns als Gesellschaft ehrlich machen, da müssen alle Ebenen zusammenarbeiten, und da müssen wir sehen, dass die entscheidenden gesetzlichen Regelungen in unserem Land angepasst werden. Eine Kommune alleine kann da nicht alles machen. Da brauchen wir den Bundesgesetzgeber, aber das werden wir artikulieren und das werden wir miteinander mit den Ebenen lösen. Beispielsweise haben wir ja unseren hochgeschätzten Bundestagsabgeordneten Reinhard Brandl, und das werden wir gemeinsam in den Griff bekommen, bei diesem Thema.

O-T(h)öne: Die vom Statistischen Bundesamt in vergangener Zeit veröffentlichten Zahlen zum Wohnungsbau schauen nicht gut aus. Es wird in Deutschland, aber auch in Ingolstadt, zu wenig gebaut. Es fehlt an Wohnraum, insbesondere an bezahlbarem. Wir haben vor Ort einen Arbeitgeber mit sehr hohen Verdiensten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Arbeitgebers können sich höhere Mieten aktuell leisten und auch noch Wohnungen und Häuser kaufen. Beschäftigte anderer Unternehmen tun sich aufgrund des Einkommens aktuell schon schwer, die Miete zu bezahlen. Welche Vorstellungen haben Sie zum Thema Wohnungsbau?

Kern: Ingolstadt muss nicht um jeden Preis weiterwachsen, aber selbstverständlich benötigen wir in Ingolstadt weiteren Wohnungsbau. Dafür muss die Stadt die Rahmenbedingungen schaffen und über die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Wohnungen bereitstellen. Selbstverständlich müssen Nachverdichtungen ermöglicht und auch neue Baugebiete ausgewiesen werden. In Summe muss dies dazu führen, dass breite Schichten der Bevölkerung sich wieder ein Eigenheim leisten können und dass auch Mietpreise wieder allgemein erschwinglich sind. Leider sind wir in Oberbayern, auch in Ingolstadt, mit den Mieten auf einem relativ teuren Niveau, was gerade jüngere Familien und Einkommensschwächere in der Tat wirklich belastet, eine entsprechend große Wohnung preisgünstig zu finden. Dies können wir nur durch die Schaffung und Ermöglichung weiteren Wohnraums abfangen. Daran müssen wir arbeiten. Man muss aber auch sehen, dass wir als Stadt Ingolstadt hier noch einige Potenziale haben, Baugebiete auszuweisen, Nachverdichtungen zu ermöglichen und über unsere GWG zu bauen. Wenn wir in den nächsten Jahren einfach Schwung reinbringen, dann wird die Situation auch wieder etwas besser.

O-T(h)öne: Wenn ich mir den Beteiligungsbericht der Stadt Ingolstadt ansehe und das Kapitel zur Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft lese, dann schaut es finanziell in dem Unternehmen gerade nicht so sonderlich rosig aus. Da ist nicht ausreichend freies Kapital vorhanden, dass das Unternehmen so bauen könnte, wie es erforderlich wäre. Was wäre da der Lösungsansatz? Eine zweite Wohnungsbaugesellschaft in Händen der Stadt?

Kern: Was aktuell für alle Bauherren gilt, ist, dass Bauen auch durch die Baustoffe teuer ist. Das geht auch an einer GWG nicht vorbei, aber auch da kann man mit entsprechend klugem Bauen schon jetzt clevere Projekte realisieren, und diese Kostensituation wird auch wieder besser. Von daher habe ich volles Zutrauen in unsere GWG, wo es immer schon zyklische Entwicklungen gab, dass wir hier auch wieder noch bessere Zeiten sehen werden.

Quelle: Eigene Berichterstattung.

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