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Ein politisches Kasperletheater erster Güte

Von Thomas Thöne

In Ingolstadt erleben wir gerade ein politisches Kasperletheater erster Güte, das dem geneigten Zuschauer die Tränen der Verzweiflung in die Augen treibt. Nachdem zwei Münchener Zeitungen lauthals verkündet hatten, dass Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD) als neuer Wiesn-Boss gehandelt wird, explodierten die WhatsApp-Nachrichten in den politischen Parteien und Gruppierungen förmlich. Journalisten wirbeln wie aufgescheuchte Hühner herum und versuchen, den Wahrheitsgehalt der Sensationsmeldung zu ergründen. Währenddessen schreiben beflissene Journalisten ihre glorreichen Spekulationen aufs Papier, wer wohl als neuer OB-Kandidat in Ingolstadt in den Ring steigen könnte, sollte Scharpf tatsächlich die Segel streichen und gen München ziehen. Natürlich sind es pure Spekulationen, wer als Kandidat die Nachfolge von Scharpf antreten könnte, also Veröffentlichungen ohne jegliche Substanz.

Die CSU und die Freien Wähler rufen lauthals nach einer Stellungnahme von Scharpf zu den brodelnden Gerüchten des Abgangs. Die Medien überbieten sich gegenseitig in der Kunst der Kaffeesatzleserei, jeder will der erste sein, der das nächste große „Geheimnis“ lüftet. Unterdessen versucht Scharpfs eigene Partei verzweifelt, Fassung zu bewahren. In einer Pressemitteilung betonen diese, wie gut sie personell und inhaltlich aufgestellt sind – ganz gleich, wie sich Scharpf entscheide. Sie loben seine bisherigen Errungenschaften in den höchsten Tönen, was allerdings mehr wie ein politischer Nachruf, als ein Dementi klingt.

Scharpf selbst genießt seinen Pfingsturlaub mit der Familie in vollkommener Stille und schweigt zu den Gerüchten über seinen möglichen vorzeitigen Rückzug aus dem Amt in Ingolstadt. Kurz nachdem die SPD ihre Pressemitteilung veröffentlicht hatte, meldete sich Scharpf allerdings über das städtische Presse- und Informationsamt zu Wort – allerdings nicht zu seiner politischen Zukunft, sondern zur neuen Bahnstrecke zum Flughafen München. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Über seine eigene Karriere schweigt Scharpf sich aus, aber zu einer schnöden Bahnstrecke kann er sich selbstverständlich äußern. Das ist Ablenkungskunst auf höchstem Niveau!

Der Höhepunkt dieses absurden Provinztheaters würde erreicht, wenn Scharpf am kommenden Dienstag in der städtischen Pressekonferenz verkündet, dass die Münchener Berichte nichts als Zeitungsenten sind und er natürlich 2026 erneut als Oberbürgermeister für seine geliebte Heimatstadt Ingolstadt kandidiert. Dann hätten wir endgültig den Beweis, dass Ingolstadt die Hauptstadt der politischen Groteske ist. Bis dahin kann sich Scharpf über die politische und journalistische Aufregung in Ingolstadt richtig gut amüsieren.

Wenn Scharpf tatsächlich von Dannen zieht, wird es schnell heißen, der Oberbürgermeister ist gegangen, es lebe der neue Oberbürgermeister! Als Lame Duck, lahme Ente, wird im politischen System der USA übrigens ein Politiker bezeichnet, der noch im Amt ist, aber nicht zu einer Wiederwahl antritt.

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