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Klinikum: Bezirkstagspräsident leistet Überzeugungsarbeit

Der Ingolstädter Stadtrat hat in seiner heutigen Sitzung einen zusätzlichen Tagesordnungspunkt aufgenommen. Bezirkstagspräsident Thomas Schwarzenberger (CSU) referierte zur Ausgliederung der psychiatrischen Versorgung aus dem Krankenhauszweckverband Ingolstadt im öffentlichen Teil der Sitzung. Die Beratungen der Stadtratsmitglieder zur entsprechenden Sitzungsvorlage fand wie vorgesehen in nichtöffentlicher Sitzung statt.

Schwarzenberger machte deutlich, dass der Bezirk diese Aufgabe „vollumfänglich strategisch, wirtschaftlich, organisatorisch“ übernehmen will. „Wir wollen da zuständig sein, wir wollen die Verantwortung dafür tragen.“

Er sehe auch einen Vorteil für die Stadt im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation. „Wenn man sich die Zahlen aus dem Klinikum anschaut, dann muss man feststellen, dass das Zentrum für psychische Gesundheit einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Defizit des Klinikums aus dem laufenden Betrieb beiträgt.“ In den letzten beiden Jahren waren es rund sechs beziehungsweise neun Millionen, so Schwarzenberger. „Wenn man das wieder herunterbricht auf die Anteile von Stadt und Bezirk, dann muss man feststellen, dass die Somatik 71 Prozent des Defizits generiert hat und die psychiatrische Versorgung 29 Prozent im letzten Jahr. Das heißt also, bei einem Anteil des Bezirks von 24,3 Prozent ist das Defizit größer als unser Anteil, also das Defizit, das durch die psychiatrische Abteilung entsteht.“ Der Bezirkstagspräsident verwies auch auf den anstehenden Neubau für das Zentrum für psychische Gesundheit des Klinikums. „Wir reden von einem Investitionsvolumen allein für die Psychiatrie von 150 bis 200 Millionen Euro“, daran wäre der Bezirk derzeit nur zu einem Teil beteiligt. Bei Übergang der psychiatrischen Versorgung auf den Bezirk würde dieser den Neubau „genauso weiter fortführen, wie er jetzt geplant ist“. Es sei derzeit also so, „dass nicht nur der Bezirk den Vorteil hat, dass wir aus dem Zweckverband austreten, sondern dass wir nicht gleichermaßen der Stadt Ingolstadt einen Schaden beifügen.“

Sollte der Bezirk aus dem Krankenhauszweckverband aussteigen, würde sich der Zweckverband auflösen, alles, an dem die Stadt einen Anteil hat, „in den städtischen Haushalt wandern, was natürlich nicht nur für den Haushalt eine große Belastung wäre, sondern auch steuerrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde.“ Deshalb würde der Bezirk im Krankenhauszweckverband verbleiben, „natürlich mit einer klaren Regelung, dass wir uns aus dem somatischen Geschäft zurückziehen“ und „dass die Psychiatrie auf uns, auf den Bezirk übergeht“.

Sollte sich in der Medizinstrategie der Region 10 dann ergeben, dass die Stadt mit anderen Landkreisen beispielsweise aus der Region ein Unternehmen gründet, dann wäre unter Umständen wieder die Möglichkeit, „dass wir den Zweckverband verlassen“, so der Bezirkstagspräsident.

Es müsse „auch die vermögensrechtliche Auseinandersetzung“ geklärt werden. „Wir sind Teil des Klinikums mit rund 24 Prozent, damit auch Eigentümer mit 24 Prozent der Grundstücke, auch des Gebäudes.“ „Es muss für jeden Partner, also für die Stadt und den Bezirk gleichermaßen so sein, dass wir im Nachgang einer Prüfung standhalten und keiner kriegt den Hinweis von seiner Aufsicht, ihr habt da dem Bezirk beziehungsweise der Stadt etwas geschenkt“, so Schwarzenberger.

„Wir wollen Kooperationsvereinbarungen zu den verschiedenen Themen miteinander treffen. Wir wollen Dienstleistungen einkaufen. Es gibt Konsiliardienste. Unsere Ärzte gehen in die somatische Klinik, die somatischen Ärzte kommen zu uns, je nach Krankheitsbild und wie es für den Patienten heute erforderlich ist“, verwies der Bezirkschef auf die künftige Form des Miteinanders. Der Bezirk wolle das Essen vom Klinikum einkaufen, die Reinigung gemeinsam organisieren, die Apotheke des Klinikums nutzen, ebenso das Labor. „Wir würden die Entsorgung miteinander machen, bis hin zum Schneeräumen.“

Schwarzenberger verwies auf die Abrechnungssysteme von Somatik und Psychiatrie. Es gebe „auch hier im Klinikum den Hinweis vom Prüfungsverband, man möge das so trennen, dass es eine klare Abgrenzung gibt zwischen den zwei Abrechnungssystemen.“

„Wir brauchen alle Mitarbeitenden in dem Zentrum für psychische Gesundheit. Wir brauchen alle Ärzte, wir brauchen alle Pflegekräfte und wir brauchen alle Therapeuten. Natürlich müssen wir uns Gedanken über die Verwaltung machen“, ließ der Bezirkstagspräsident die Stadtratsmitglieder wissen. „Natürlich würden wir schauen, was hat denn die jetzige Verwaltung an Mitarbeitenden, die vielleicht nicht mehr gebraucht werden. Wer kann denn auf uns übergehen, um dann Verwaltung, Personalwesen, Rechnungswesen, Codierung und Abrechnung zu machen.“ Es müsse natürlich die Geschäftsführung im Klinikum entscheiden, welche Mitarbeiter sie an der Stelle entbehren kann. „Ich möchte da nicht sagen, welche Namen, aber welche Stellen vielleicht dann nicht mehr gebraucht werden.“

Die Notaufnahme könne getrennt oder gemeinsam betrieben werden, wobei der Bezirk gerne eine gemeinsame Notaufnahme hätte, da dies die effizientere Lösung wäre. Eines ist dem Bezirk besonders wichtig: „Es braucht einen Eingang ins Klinikum Ingolstadt, egal ob in die somatische Klinik oder in die Psychiatrie, weil das kann nicht sein, dass jemand, der eine innere Erkrankung hat oder einen chirurgischen Eingriff braucht, durch den Haupteingang geht und jemand, der eine psychiatrische Versorgung oder eine Krankheit hat, über irgendeinen Seiteneingang reinmuss. Das geht nicht“, so Schwarzenberger.

Dann zog der Bezirkstagspräsident klare Grenzen: „Wir können uns eine Ausweitung der Zuständigkeit in der Somatik nicht vorstellen. Das ist für den Bezirk nicht darstellbar. Wir haben in der Somatik keinen Auftrag und wir können das auch unseren Umlagezahlern nicht erklären, dass wir uns in der Region 10 zum Beispiel bei den Defiziten der somatischen Kliniken mitbeteiligen und in Altötting, in Mühldorf, in Garmisch oder in Landsberg eben nicht. Deswegen müssen wir das klar sagen, eine Ausweitung der Zuständigkeit, Stichwort Medizinstrategie in der Region 10, ist für den Bezirk nicht denkbar.“

Schwarzenberger machte deutlich, dass die Eckpunkte, die der Ingolstädter Stadtrat in der folgenden nichtöffentlichen Sitzung diskutiere, Eckpunkte sind und noch keine endgültige Beschlussfassung. Im Bezirk Oberbayern gebe es dazu mittlerweile einen einstimmigen Beschluss, dass diese Eckpunkte weiterverfolgt werden sollen.

Für den Bezirk komme es natürlich auch noch darauf an, „was das Ergebnis der weiteren Untersuchungen bringt. „Wenn es für uns nicht darstellbar ist, dann kann es sein, dass der Antrag tatsächlich dann auch nicht kommt.“ Der Bezirk würde gerne in der Dezember-Sitzung im Plenum die geänderte Satzung schon behandeln. Das Jahr 2025 könne dann genutzt werden, „um das ganze Operative dann abzuwickeln, vorzubereiten, zu verhandeln, auszumachen“, damit dann zum 1. Januar 2026 die Aufgabe an den Bezirk übergeht. Der Bezirk könne aber auch mit anderen Zeiträumen leben.

Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD) wies darauf hin, dass aufgrund eines Schreibens des damaligen Bezirkstagspräsidenten Josef Mederer (CSU) geprüft wurde, unter welchen Bedingungen ein Ausstieg des Bezirks vollzogen werden könnte. „Dieser Bitte sind wir nachgekommen. Daran wird jetzt seit einigen Monaten gearbeitet und wir sind jetzt zu einem ersten Zwischenergebnis gekommen, zu ein paar Eckpunkten, deswegen ja Eckpunktepapier.“ Das spiegele nur den bisherigen Stand der Prüfung und Diskussion wider, „wohin die Reise gehen könnte“. „Es macht keinen Sinn, erst im stillen Kämmerlein alles vor sich hin zu prüfen und erst ganz am Schluss kommt man dann daher und befasst die Gremien.“

Stadtrat Jakob Schäuble (FDP) verwies in der anschließenden Aussprache darauf, dass der Bezirk den Austritt aus dem Zweckverband anstrebt. „Das ist also nicht die Stadt oder der Aufsichtsrat oder die städtischen Mitglieder des Aufsichtsrats, die das anstreben.“ Es sei wichtig gewesen, „die Gemengelage einfach auch klarzumachen, damit draußen kein falsches Bild entsteht“.

Stadtrat Albert Wittmann (CSU) zeigte sich erstaunt, dass die Kliniken des Bezirks Oberbayern (KBO) Gewinn erwirtschaften und das Zentrum für psychische Gesundheit (ZPG) am Klinikum ein Defizit. Ihm konnte bisher keiner die Frage erklären, warum das beim ZPG so ist. „Welche Fehler wir machen im Zweckverband, dass wir defizitär sind, obwohl die gleiche Behandlung stattfindet wie bei den anderen KBO-Kliniken?“ Darüber müsste man noch einmal reden, „irgendwas stimmt ja da nicht“. Es müsste ja eigentlich umgekehrt sein, „dass bei uns auch der psychiatrische Anteil die schwarze Null schreibt, das war in der Vergangenheit übrigens so der Fall.“ Es gebe noch eine ganze Reihe von offenen Fragen, so Wittmann. „Wir halten das momentan nicht für entscheidungsreif, hier die Eckpunkte fest zu zementieren und die Pflöcke einzuschlagen.“

Stadtrat Christoph Spaeth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) meinte: „Es macht ja keinen Sinn, dann zusammenzuarbeiten, wenn einer die ganze Zeit unglücklich ist, dann entstehen ja auch wenig neue kreative Ideen.“

Stadtrat Roland Meier (DIE LINKE) erkundigte sich, ob die Beschäftigten beim Bezirk künftig besser oder schlechter gestellt sind und ob die Betriebszugehörigkeit fortgeführt wird. Nach den Vorstellungen des Bezirks gibt es einen ganz normalen Betriebsübergang, „bei dem zunehmend der Mitarbeiter natürlich mitentscheidet, ob er mitwechseln will oder nicht“, erklärte Bezirkstagspräsident Schwarzenberger.

Stadtrat Anton Böhm (SPD) machte deutlich, dass die Stadträte „im Hinterkopf behalten müssten“, dass der Bezirk aus dem Zweckverband aussteigen will, wenn es zur Klinikfusion in der Region 10 komme. „Wenn das so ist, dass wir letztendlich nichts mehr dann miteinander zu tun haben, weil Sie mit anderen Landkreisen die somatische Landschaft in der Region 10 darstellen, dann stellt sich für mich schon die Frage nach der Sinnhaftigkeit, warum wir im Zweckverband bleiben sollen“, machte Schwarzenberger seine Position deutlich. Wenn der Ausstieg des Bezirks Nachteile für die Stadt Ingolstadt hätte, würde der Bezirk über die Zeit hinaus dabeibleiben.

Quelle: Eigene Berichterstattung / Recherche.

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